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HAMBURG/Staatsoper: SALOME – immer noch Kultinszenierung

05.10.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Hamburg Staatsoper  – Salome  –  immer noch Kultinszenierung

 besuchte Aufführung am 4. Oktober 2014 – zweite Aufführung dieser Serie und 51. seit der Premiere am 9. April 1995

Unbenannt
Foto-Copyright: Brinkhoff-Mögenburg

 Aus der Zeit weit vor ihrer Intendanz hat Simone Young Inszenierungen wieder aufgenommen, die schon als „Kult“ bezeichnet werden können, so z.B. den „Parsifal“ in der Inszenierung von Robert Wilson oder die auch in dieser Saison wieder gespielten „Zauberflöte“ inszeniert von Achim Freyer und „Elektra“ von August Everding sowie jetzt für drei Aufführungen „Salome“ von Richard Strauss aus dem Jahre 1995 in der Inszenierung von Willy Decker, der Ausstattung von Wolfgang Gussmann und der Lichtregie von Manfred Voss. In der Erinnerung geblieben ist vor allem das minimalistische Bühnenbild ganz in blassem Weiß bis Grau gehalten – wie bleiches Mondlicht! Vor verschachtelten Wänden im Hintergrund, die die Rückseite des Palastes darstellen könnten, führten zwei riesige Treppen abwärts bis fast in den Zuschauerraum. In der Mitte klafften sie auseinander zu einer Öffnung und dort war als Mittelpunkt der Handlung Jochanaan verborgen, So entstand ein geniales Bild für die Einsamkeit, die eigentlich für alle Mitwirkenden spürbar wurde. Allerdings erforderte es auch Vorsicht bei den Bewegungen für die  Sänger, um nicht zu stolpern. Bewegungen waren dafür auch bis auf Salome und Herodes häufig sehr reduziert – fürs Toben genügt das Orchester allein, hat Strauss einmal gesagt. Für Besucher aus NRW zeigten sich Ähnlichkeiten zur   Inszenierung des „Tristan“ für die Ruhrtriennale von drei Jahren. Das gilt auch für die Kostüme,  den schwarzen Mantel des Jochanaan, die anderen in schwarz über  grau bis ganz weiss gehalten, man sah keusche fast geschlechtslose Gestalten. Dazu trug auch bei, daß nur Jochanaan mit den im Text erwähnten Haaren sich schmücken durfte, alle anderen blieben unter Kopfbedeckungen kahl.. Salomes Tanz variierte zwischen Tanz mit Herodes oder Kampf gegen Herodes., dies aber bewegungsmässig genau abgestimmt auf die Musik – der Spielleitung von Heide Stock sei Dank! Requisiten waren wie Leitmotive ins Spiel eingewoben, etwa der schwarze Mantel des Jochanaan, den sich Salome überzog, die Silberschüssel, die sie schon vor ihrem Tanz in der Zisterne fand und vor allem das Schwert, mit dem Narraboth sich umbrachte und das Salome nach dem „Man töte dieses Weib“ ihres Stiefvaters Herodes ebenfalls zum Selbstmord nutzte.

Die Titelpartie übernahm Hellen Kwon. In einem Interview gestand sie, daß sie vor zwanzig Jahren etwa nie gedacht hätte, Salome auf der Bühne zu singen. Dieser Meinung war sicher auch jeder Opernbesucher, der sie damals in Mozart-Rollen wie Susanna oder Fiordiligi bewundert hat. Nun hat sie es gewagt und gewonnen. Bruchlos verfügte sie über den grossen Stimmumfang der Partie von den Spitzentönen bis hin zum ganz tiefen b und ges bei „Todes“ Im Gegensatz  zu manchen „nur“ Hochdramatischen konnte sie als Mozart-Sängerin die Stimme auch zum p zurücknehmen und sie je nach  Situation flehend, hochmütig oder leidenschaftlich klingen lassen. Besonders bei ihrem ersten Auftritt aber auch später raste sie zudem behende die Treppen herauf und herunter. Dietrich Henschel als Jochanaan ließ hymnisch den Bariton des geübten Liedersängers hören, soweit das laute Orchester ihm das erlaubte. Für die beiden anderen Hauptpartien mußte krankheitsbedingt Ersatz gefunden werden. Da  paßte es sehr gut, daß für den Herodes Jürgen Müller, früher einmal „Siegfried“ in Dortmund, jetzt aus Dresden kommend, einspringen konnte, weil er die Inszenierung bereits kannte. Den hysterisch – nervösen auch angsterfüllten Charakter des Herodes zeigte er mit schnellem aber deutlichem Sprechgesang sehr gekonnt und spielte auch passend dazu. Die Partie der Herodias hatte ganz kurzfristig die im Haus anwesende Renate Behle übernommen und mit ihrer dramatischen jetzt Mezzo-Sopran-Stimme zum Erfolg der Aufführung beigetragen. Nach nicht so überzeugenden Beginn steigerte sich Chris Lysack als Narraboth im Laufe der Aufführung immer mehr, besonders in der Auseinandersetzung mit Salome. In Gesang und Spiel fügte sich als Page Maria Markina passend in das Bühnengeschehen ein. Die beiden Nazarener sangen balsamisch der erfahrene Wilhelm Schwinghammer und Vincenzo Neri vom Opernstudio. Auch die exakt singenden fünf Juden waren neben erfahreneren Sängern mit  Mitgliedern des Opernstudios besetzt, was die bewußte Nachwuchsförderung der Staatsoper verdeutlicht. Aufhorchen ließ der „Erste Jude“ von Markus Petsch.

 Das passiert bei einer stummen Rolle selten: Ein Raunen ging durchs Publikum, als Matthias Köster mit ganz mächtiger Gestalt, nacktem Oberkörper und gleich zwei Schwertern in  Händen in der Rolle des Henkers Naaman drohend über die Bühne schritt. Eins der Schwerter nahm Salome und gab es ihm passend zur Hinrichtung zurück.

Die musikalische Leitung hatte James Gaffigan übernommen, ein viel beschäftigter junger Dirigent. Eigentlich ist er Chefdirigent des Orchester von Luzern, wo er am 15.10.14 wieder dirigiert. Zwischen zwei Salome – Aufführungen in Hamburg schafft er es noch, in Wien mit den Wiener Symphonikern zwei Aufführungen der IX. Beethoven – Symphonie zu leiten. Musikfreunden aus NRW wird er als Erster Gastdirigent des Gürzenich Orchesters in Köln bekannt  – „ Gaffigan hier, Gaffigan  dort“!  Bei „Salome“ sorgte er mit den Philharmonikern für schwelgerischen Klang, ließ die exotischen  und harmonischen Kühnheiten  der Partitur voll ausspielen, war rhythmisch exakt, auch beim schwierigen Ensemble der fünf Juden. Besonders in den Zwischenspielen steigerte er das Orchester  zu gewaltigen symphonischen Höhepunkten.  Das geflügelte Wort von Richard Strauss eigentlich „Elektra“ betreffend, aber auch für „Salome“ wichtig, daß nämlich das Riesenorchester klingen sollte wie „Elfenmusik“ beachtete er weniger. Alle Sänger hatten Mühe, sich gegen das Orchester durchzusetzen, oder wurden von ihm „zugedeckt“ – so jedenfalls der akustische Eindruck aus der hinteren Hälfte des Parketts.

Wieder zeigten Soli  die Qualität der Philharmoniker, einzeln wie z.B. die schwelgerische Solo-Violine, natürlich das hohe b des Kontrabasses bei Jochanaans Ermordung oder in Gruppen, wie z.B. die endlos erscheinenden Triller bei Salomes Schlußmonolog.

Das Publikum im nicht ganz ausverkauften Haus belohnte besonders Hellen Kwon mit ganz starkem Applaus und Bravorufen – dies trotz „Heimvorteils“ völlig zu Recht.  Starker Beifall galt dann dankbar den „Einspringern“ Eheleuten Herodes und Herodias , auch dem gesamten Ensemble, dem Dirigenten und ganz zu Recht dem  Orchester.

 

Sigi Brockmann 7. Oktober 2014

 

Fotos zur Premiere 1995 Ralf Brinkhoff und Birgit Mögenburg

 

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