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HAGEN: DON PASQUALE. Premiere

17.11.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Theater Hagen: DON PASQUALE (Premiere am 16.11.2013)

Unbenannt
Maria Klier (Norina), Rainer Zaun (Don Pasquale), Raymond Ayers (Dr. Malatesta); Foto Kühle, Rechte: theaterhagen

 Donizettis Opera buffa ist pseudointellektuellem Regiekonzepten kaum zugänglich. Das Stück spricht vielmehr für sich selbst. Umso mehr ist eine professionelle Per­sonenführung gefragt. Das hat Regisseurin Annette Wolf gut erkannt. Ausstatterin Lena Brexendorff hat ihr ein Bühnenbild mit Puppenstubenambiente entwickelt. In diesem Rahmen präsentiert Wolf eine große Zahl von bemerkenswerten Einfällen. Das beginnt bereits während der Ouvertüre, denn dort sieht man Pasquale im Roll­stuhl vor sich hindämmern. Sodann tritt Malatesta auf und untersucht seinen Dauerpatienten mit allerlei Kunstgriffen. Unter anderem pumpt er das Blutdruck­meßgerät so lange auf, bis es kaputt ist. Zugleich vermittelt er die Idee einer Heirat mit seiner Schwester. Das führt dazu, daß Pasquale  langsam aber sicher aus seiner Lethargie erwacht und schließlich mit der Aussicht auf eine jugendliche Ge­spielin übermütig aus dem Rollstuhl springt und wie ein Wiesel über die Bühne sprintet. Dann wirft er seinen Neffen mit dem gleichen Elan und einem Tritt in den Hintern aus dem Haus und sich ein Paar Pillen aus einer blauen Packung (Viagra?) in verfrühter Vorfreude auf kommende sexuelle Genüsse ein.

 Norina  wird als selbstbewußte Frau von heute charakterisiert, die genau weiß, wie sie ihre Reize einsetzen muß. Nach der Heirat deckt sie sich erst einmal mit teuren Accessoires ein (Louis Vuitton und Gucci lassen grüßen). Als Pasquale darüber einen Schock erleidet, versetzt sie ihn im Ohrfeigenduett durch gezielte Berührun-gen und Einsatz ihrer körperlichen Reize in „Stimmung“. Als den Alten das über­fordert, macht sie sich kurzerhand von dannen.

 Ernesto ist eine arme Wurst im doppelten Sinne und bleibt das in dieser Produktion auch, denn das Ende ist gänzlich anders, als es im Libretto steht. Norina hat offen­bar doch noch ihr Herz für Pasquale (und/oder sein Vermögen) entdeckt. Beide ver­schwinden mit roten Rosen ins Schlafzimmer.

 Wenn Kritik an der Regie zu üben ist, so daran, daß die Kostüme keine zeitliche Zuordnung ermöglichen. Neben Hauspersonal mit Puderperücken und dem wie in der Zeit eines Molière gekleideten Pasquale tritt Malatesta in zeitgenössischer Klei­dung auf und setzt ein Blutdruckmeßgerät ein. Das gab es zur Kompositionszeit natürlich noch nicht.

 Die musikalische Leitung lag in Händen von David Marlow. Anfänglich klang das Philharmonische Orchester noch ein wenig dünn und zumindest in der Ouver­türe nicht ganz sattelfest. Das besserte sich aber im Laufe der Aufführung nach­haltig und erlaubte Marlow, mit der gebotenen Verve zu musizieren. Der Chor war von Wolfgang Müller-Salow bestens einstudiert worden und hatte nachhaltige schauspielerische Aufgaben zu erfüllen. Die Sängerbesetzung war hingegen recht ambivalent. Ein Glücksfall war die Titelrollenbesetzung mit Rainer Zaun. Er ist ein umwerfender Komödiant, darstellerisch flexibel in jeder Position, singt auch mit dem Kopf nach unten verkehrtherum im Rollstuhl liegend und besitzt einen gesun­den Baßbuffo sowie die notwendige Parlandotechnik. Das ist umso erstaunlicher, als er in Bayreuth jedes Jahr im Wagnerfach aktiv ist. Demgegenüber fielen alle anderen Protagonisten ab.

 Malatesta war Raymond Ayers, der viel zu viel Druck auf die Stimme gab, um flie­ßend schöne Belcantolinien zu zeichnen. Auch neigt er zum Verschleifen des Tex­tes. Er verfügt aber ähnlich wie Zaun über eine exzellente Parlandotechnik, was lei­der etwas unterging, weil die Regisseurin vor (!) beiden Protagoni­sten wegen eines an dieser Stelle verfehlten Effekts den Chor herumwuseln ließ.

 Norina war die junge Maria Klier, eine ungemein attraktive und spielfreudige Blon­dine, insofern also eine Idealbesetzung. Allerdings ist die Stimme zu klein. Was für  vokale Möglichkeiten in der Partie stecken, haben prominente Rollenvertreterinnen wie Netrebko oder Machaidze vor Augen geführt. Klier kann die Partie zwar singen, die großen Melodiebögen und Aufschwünge aber nicht mit der wünschenswerten Leichtigkeit vermitteln. Bleibt noch der Ernesto  des Kejia Xiong. Es ist schwer zu sagen, was man von diesem Sänger halten soll. Einerseits entwickelt er in der obe­ren Mittellage durchaus vielversprechenden Schmelz. Andererseits produziert die Stimme Nebengeräusche, und auch die Acuti strahlen nicht. Natürlich kann man von einem in seinen Ressourcen stark beschränkten Haus wie dem Theater Hagen nicht verlangen, für diese Partie einen Tenor im Rang eines Florez aufzubieten. Man wird ihr indes nur gerecht mit einem Tenor, der wenigstens über ausgegliche­nes Material verfügt. Daß auch Xiong ausgezeichnet mitspielte, sei allerdings be­tont.                                                                                                     
Klaus Ulrich Groth

 

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