INTERVIEW mit GUIDO JENTJENS
Guido Jentjens
Sie singen als Gurnemanz zum ersten Mal am Tiroler Landestheater in Innsbruck. Was bedeutet dieses Engagement und die Partie des Gurnemanz für Sie?
Gurnemanz war von jeher eine Traumpartie für mich und wird es immer bleiben, weil sie musikalisch und inhaltlich etwas wirklich Besonderes ist.
In der aktuellen Produktion habe ich das große Glück, dass mir das klerikale Umfeld, in dem sich die Regie bewegt, aufgrund meiner eigenen Sozialisation und durch mein Kirchenmusikstudium von vorneherein vertraut ist, sodass sich der inhaltliche Zugang zu der Partie bei mir ganz selbstverständlich eingestellt hat. Wenn dem nicht so ist, kann eine Traumrolle auch schnell zur „Alptraumrolle“ werden. Hat man es beispielsweise mit einem Regiekonzept zu tun, das den eigenen Vorstellungen und dem eigenen Rollenverständnis zu sehr entgegenläuft, ist es auch musikalisch schwierig, eine überzeugende Interpretation zu finden.
Natürlich freue ich mich, dass sich bei der Parsifal-Produktion am Tiroler Landestheater keine derartigen Probleme ergeben und auch die musikalische Zusammenarbeit von großer Homogenität geprägt ist.
Sie kennen die Inszenierung schon aus der Produktion am Pfalztheater Kaiserslautern. Können Sie in Innsbruck auf bereits Erarbeitetes zurückgreifen oder nähern Sie sich der Rolle wieder neu?
Man kann auf Vieles zurückgreifen, je mehr Berufserfahrung man hat. Das betrifft vor allem den Aspekt „Stimmökonomie“. Man kann nicht in Proben erfahren, wie man sich eine so große Partie sinnvoll und „ökonomisch“ einteilt, damit man – ganz banal – die Länge einer so umfangreichen Partie durchsteht. Das zu testen, kann nur in den Vorstellungen stattfinden. Selbstverständlich greift man auf diese Erfahrungen bei jeder neuen Produktion dann auch wieder zurück.
Mein oberster Grundsatz ist aber, unabhängig davon, wie oft ich eine Partie schon gesungen habe, offen zu sein. Offen für den Regieansatz, offen für die Bühnenpartner, offen für den Dirigenten und das Orchester, denn letztlich ist jeder Abend wieder „neu“, egal wie gut sich das Team kennt. Ich kann mir nicht vorstellen, eine Partie jemals zu 100% ausgelotet zu haben. Es kommt auf eine ausgewogene Mischung aus Erfahrung, Offenheit, Spontaneität und Spielfreude an. Auf dieser Basis gehe ich jede Partie immer wieder „neu“ an.
Wagner nimmt in Ihrem Repertoire breiten Raum ein. Gibt es Wagner-Partien auf Ihrer „Wunschliste“, die Sie bisher nicht gesungen haben?
NEIN.
Sehen Sie sich als „Wagner-Sänger“?
Da ich im Moment sehr viel Wagner singe, sehe ich mich natürlich (auch) als „Wagner-Sänger“. Das heißt aber nicht, dass man sich unbedingt auf Wagner festlegen (lassen) muss, man hat ja nicht nur eine „Wagner-Stimme“. Wichtig ist, die Stimme beweglich zu halten. Dafür ist hilfreich, auch das italienische Fach oder Mozart zu pflegen. Ich habe vor allem in jungen Jahren auch sehr viel Händel gesungen und hatte während meiner Ausbildung das Glück, sehr viel mit Legato-Gesang in Berührung gekommen zu sein.
Legato-Gesang ist meiner Meinung eine ganz wichtige Grundlage für organischen Wagner-Gesang. Oft wird Wagner nur assoziiert mit „große Stimme“ und „schwer“. Das ist natürlich Unsinn. Wagner-Gesang hat erst einmal nichts mit dem Stimmvolumen zu tun, das sowieso nicht erzwungen werden kann. Man muss aber für sich selbst immer wieder ausloten, in welchem Haus man sich welche Partie zutraut und sie ausfüllen kann. In einem akustisch optimalen Theater kann man vielleicht etwas mehr „wagen“, in einem akustisch schlechten Haus ist auch Mozart schwer!
Wagner-Gesang hat für mich vor allem mit einer in allen Lagen ausgeglichenen Stimme zu tun, die Stimmmitte muss nach oben wie auch nach unten gut „verbunden“ sein. Diesen Ausgleich immer wieder und immer besser zu finden, darauf liegt mein Hauptaugenmerk. Wichtig ist in jedem Fach eine gesunde Selbsteinschätzung, wofür die eigene Stimme geeignet ist und wie man ihre Entwicklung durch verantwortungsbewusste Repertoire-Planung unterstützen kann.
Viele Ihrer Partien haben Sie bereits häufig und in verschiedenen Produktionen gesungen. Wie bereiten Sie sich auf eine Produktion vor?
Vor allem bei den großen und anspruchsvollen Partien gilt beim ersten Mal: ich möchte mich im größtmöglichen Abstand zu der konkreten Produktion mit der Partie „muskulär“ vertraut machen. Das heißt, ich studiere zuerst einmal Töne und Rhythmus anhand der Noten so genau wie nur möglich. Das erfolgt noch ganz ohne Stimmtechnik, Phrasierung, Legato und ähnliche Überlegungen. Darin unterscheidet sich bei mir eine Wagnerpartie nicht von Mozart oder Strauss – zunächst muss man, da diese Vorgaben vom Komponisten absolut verbindlich sind, vor allem exakt auswendig lernen.
Ergänzt wird diese Phase durch musikalisch-theoretisches Hintergrundwissen, damit man beim Studium stilistisch in die „richtige“ Richtung geht. Ein gutes Beispiel dafür sind etwa die sog. „Staupausen“. Diese Pausen sehen im Notentext genauso aus wie „normale“ Pausen. Wenn man aber um die Besonderheiten des rezitativischen Gesangs weiß, in dem der scheinenbar „freie Charakter“ im Notentext exakt vorgegeben ist, erschließen sich diese Stellen unmittelbar als ein besonderes musikalisches Ausdrucksmittel. Dann weiß ich: diese Pause darf ich nicht als „Pause“ singen, ich darf also beispielweise hier keinesfalls atmen, sondern ich muss sie quasi als gedankliche Vorbereitung auf die kommende Phrase verstehen.
Wenn diese Basisarbeit des Partienstudiums getan ist, beginne ich, meine Gesangsmuskulatur mit der Partie vertraut zu machen. Konkret heißt das, ich versuche zu verstehen, an welchen Stellen ich besonders gut „zupacken“ muss, welche Stellen für mich technisch problematisch sein könnten, wo ich mich andererseits aber auch einmal etwas zurücknehmen kann – das ist sehr umfangreiche Detailarbeit, die ich in möglichst großem Abstand zu einer Produktion zu leisten versuche, damit ich Zeit habe, auszuprobieren und gefundene Lösungen zu verinnerlichen.
Für mich hat sich dabei bewährt, in dieser Phase der Vorbereitung erst einmal NUR mit den Vokalen zu singen, diese aber so klar wie möglich und komplett ohne Konsonanten. Damit erreiche ich die optimale muskuläre Einstellung und Öffnung des Halses für die Partie, an die sich die entsprechenden Muskelpartien immer wieder neu „gewöhnen“ müssen. Die Grundlage für das sichere Beherrschen einer Partie ist für mich immer eine genau festgelegte muskuläre Linie. Ist diese klar und verinnerlicht, kann ich die Konsonanten dazunehmen und an die weitere musikalische Ausgestaltung gehen. Selbstverständlich kann man im Laufe der Zeit auch hier auf Erfahrungen zurückgreifen, die man früher schon einmal gemacht hat, dennoch ist für mich bei jeder der großen lyrischen Partien diese Grundlagenarbeit immer wieder fundamental. Sobald ich meine eigene Partie sicher beherrsche, beschäftige ich mich immer auch mit den anderen Partien, damit ich den Ablauf im Stück kenne und nicht davon überrascht werde. Hilfreich in dieser Phase der Vorbereitung sind für mich auch Opernbesuche, weil man dabei eigentlich immer auch lernen kann. Sich Werke vorher anzuhören, auch auf DVD, ist ganz sicher nicht schädlich! (lacht)
Wie lange dauert es, bis Sie eine große Partie wie Gurnemanz oder Hans Sachs „bühnenreif“ studiert haben?
Wie schon gesagt – ich bereite mich grundsätzlich am liebsten so langfristig wie möglich auf eine Partie vor.
Konkret heißt das: die Partie des Gurnemanz kommt mit ihrer Lage der Stimme sehr entgegen, sodass ich sie damals in gut eineinhalb Jahren bewältigt hatte, meinen ersten Sachs oder Ochs habe ich etwa zwei Jahre lang vorbereitet…
Was gibt Ihnen die (mentale) Kraft/Stärke, die Herausforderungen von Stimme und Bühne zu meistern?
Mein Privatleben. Gerade weil ich viel unterwegs sein muss, versuche ich sehr bewusst, immer auch Zeit für Privates einzuplanen und zu reservieren. Sehr gern bin ich Lebenspartner, Gastgeber, Privatmensch. Auch brauche ich Zeit zum „Faulenzen“, weil ich dabei am besten regeneriere und entspanne. So bekomme ich wieder die nötigen mentalen Freiräume, um mich auf die nächsten Herausforderungen vorzubereiten.
Wie sehen Sie grundsätzlich das Verhältnis von Musik und Regie?
Grundsätzlich habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu Regisseuren.
Ich bin immer dankbar für starke Persönlichkeiten, an denen ich mich auch einmal reiben kann. Meistens ist das sehr befruchtend. Wichtig finde ich, dass alle Seiten bereit sind, miteinander zu sprechen, kontroverse Ideen zu diskutieren und dann eine Version zu finden, die für möglichst alle tragbar ist. Das setzt natürlich voraus, dass auch der Regisseur sich intensiv mit dem Werk auseinandersetzt und es bis ins Detail kennt, idealerweise auch den Notentext! Je tiefer man ein Stück durchdrungen hat, desto mehr Facetten lassen sich ausloten und desto mehr Interpretationsmöglichkeiten erschließen sich.
Persönlich hatte ich bisher immer großes Glück mit den Regisseuren meiner Opernproduktionen. Entweder waren intensive Diskussionen ausdrücklich erwünscht oder sie waren gar nicht nötig, weil unsere Herangehensweise an das Werk sowieso auf eine ähnliche Interpretation abzielte. Natürlich macht die Arbeit dann besonderen Spaß! Gleichzeitig versteht es sich von selbst, dass man die eigene Persönlichkeit, die eigene Idee auch einmal dem Gesamtkonzept unterordnen muss. Wichtig ist dann vor allem, dass ich das Konzept verstehe, dass ich es mittragen kann, selbst wenn ich persönlich einen anderen Interpretationsansatz gewählt hätte. Solange ich mich hinreichend damit identifiziere und mich nicht „verbiegen“ muss, kann ich meine Partie musikalisch und darstellerisch überzeugend verkörpern.
Das ist die Voraussetzung dafür, dass ich „draußen“ beim Publikum authentisch ankomme und die Zuhörer ein erfülltes und befriedigtes Opernerlebnis haben.
Sie haben langjährige Erfahrungen im Opern- und Konzertbetrieb. Haben Sie Vorbilder, die Sie im Lauf Ihrer Karriere besonders beeinflusst/geprägt haben?
Ich habe viele der große „alten“ Sänger noch live auf der Bühne erlebt und habe das immer als Chance gesehen, von ihnen zu lernen und mir Dinge abzuschauen, die für mich hilfreich waren. Trotzdem habe ich von Anfang an auch immer versucht, ich selbst zu bleiben. Das Problem bei unserer Generation war ja, dass wir als Nachwuchskünstler eher ein bisschen zuviel „Ehrfurcht“ hatten vor den großen etablierten Kollegen. In meinen ersten Bühnenjahren hat diese falsche verstandene Ehrfurcht sicher auch das eine oder andere Engagement verhindert, das damals schon möglich gewesen wäre.
Trotzdem habe ich immer von erfahrenen Kollegen zu lernen und auf diese Weise meine Karriere auch sehr vorsichtig und verantwortungsvoll aufzubauen versucht.
Was raten Sie jungen KollegInnen im Hinblick auf deren Entwicklung und Karriereplanung? Sind Tipps überhaupt gefragt?
Meiner Erfahrung nach scheint es gar nicht viele junge Kollegen zu geben, die auf Ratschläge Wert legen, jedenfalls zeigen sie es nicht. Warum das so ist, ist schwer einzuschätzen. Viele kommen geradewegs von der Hochschule. Leider muss man immer wieder konstatieren, dass die Gesangsausbildung mit dem Opernalltag nicht wirklich viel zu tun hat. Wobei andererseits der Theaterbetrieb auch so vielschichtig ist, dass die Hochschule das gar nicht alles abdecken und vermitteln kann.
Letztlich ist auch jeder einzelne gefragt, sich verantwortungsvoll um die eigene Entwicklung und den Karriereaufbau zu kümmern. Allerdings habe ich den Eindruck, dass sich immer mehr die Mentalität durchsetzt, vom Lehrer Erlerntes relativ unhinterfragt „abzuliefern“ und nicht etwa auch Ratschläge Dritter mit einzubeziehen. Als „erfahrener“ Kollege hat man dann nur in ganz geringem Rahmen überhaupt die Möglichkeit, die jungen Kollegen am eigenen Erfahrungsschatz teilhaben zu lassen.
Grundsätzlich ist mein Rat an junge Kollegen immer, möglichst viele Meisterkurse zu besuchen und auch den relativ „geschützten“ Rahmen der Hochschule möglichst oft zu verlassen. Wichtig ist im Sängerberuf neben einer gesunden Stimmtechnik vor allem auch, einen realistischen Maßstab zur Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen zu finden, den eigenen Marktwert einordnen zu lernen und danach die Karriere zu gestalten.
Seit dieser Spielzeit sind Sie freischaffend tätig. Warum haben Sie den „sicheren“ Ensemblebetrieb verlassen?
Ich war immer ein Verfechter des Ensemblestheaters, gerade auch in der Oper. Allerdings hat sich die Situation in Deutschland so sehr verändert, dass innerhalb des Ensemblebetriebes qualitativ hochwertige Produktionen immer schwieriger werden. Er krankt immer mehr daran, dass sich überlastungsbedingte Absagen häufen, die wiederum kurzfristige Besetzungsnotlösungen nach sich ziehen und der gesamte Ensemblegedanke dadurch zunehmend untergraben wird. Befriedigende künstlerische Arbeit ist dadurch immer weniger möglich.
Freischaffend tätig zu sein, scheint mir unter diesem Aspekt eine sinnvolle Alternative zu sein, da ich dann eher davon ausgehen kann, ich in einem Ensemble zu arbeiten, das sich für eine bestimmte Produktion zusammenfindet und die Chance hat und willens ist, zusammenzuwachsen und gemeinsam befriedigende künstlerische Ergebnisse zu erarbeiten.
Ein weiterer Aspekt der Freiberuflichkeit ist für mich, dass ich mir nach 25 Jahren fester Zugehörigkeit zu verschiedenen Ensembles mehr Zeit wünsche für die Pflege meines eigenen Kernrepertoires. Aufgrund der starken Beanspruchung bleibt dafür in einem Festengagement in der Regel nur in Ausnahme- oder glücklichen Zufällen wirklich Zeit.
Haben sich die Bedingungen eines Festengagements früherer Jahre im Vergleich zu heute verändert?
Die Bedingungen haben sich im Vergleich zu früher ganz drastisch verändert. Ensembles haben sich verkleinert, sodass sich die Belastung für den Einzelnen extrem erhöht hat, die finanzielle Ausstattung der Häuser ist oft an der Grenze des Vertretbaren, Probenbedingungen und -disposition haben sich gewandelt, Spielpläne werden im Hinblick auf Besucherzahlen konzipiert anstatt mit Blick darauf, was ein Ensemble in vernünftigem Rahmen leisten kann und dergleichen mehr.
Ich glaube, der Fokus hat sich – wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen – im Vergleich zu früheren Jahren extrem verschoben. Einerseits steigt die Erwartungshaltung von außen durch „medialen Star- und Eventkult“ immer mehr und andererseits gestalten sich die künstlerischen Rahmen- und Arbeitsbedingungen zunehmend schwieriger.
Welche Vor- bzw. Nachteile hat die künstlerische Freiberuflichkeit für Sie?
Ein großer Vorteil der Freiberuflichkeit ist für mich, dass ich in Absprache mit Agenturen und Theatern weitgehend selbst Herr meiner Planung bin und entscheiden kann, was im Rahmen meiner Kapazitäten möglich und sinnvoll ist. Dadurch habe ich mehr Sicherheit und Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf meine eigene Repertoire- und Saisongestaltung. In einem Ensemble ist man fest eingebunden, hat wenig Mitsprachemöglichkeit im Hinblick auf das eigene Repertoire und ist zudem zeitlich durch etwaige Umbesetzungsproben oder Besetzungsänderungen extrem unflexibel.
Die Kehrseite der Freiberuflichkeit besteht darin, dass es Phasen geben kann, in denen man kein langfristig vereinbartes Engagement hat. Kurzfristige Anfragen oder Einspringer erfordern ein gehöriges Maß an Spontaneität und Flexibilität. Eine Garantie für einen kontinuierlich gefüllten Terminkalender und die damit einhergehende finanzielle Sicherheit gibt es nicht – dessen muss man sich sehr bewusst sein und damit sollte man auch mental umgehen können, wenn man sich für die Freiberuflichkeit entscheidet.
Für mich persönlich überwiegen – im Moment – auf jeden Fall die positiven Aspekte. Zugleich bin ich mir darüber im Klaren, dass das keine Selbstverständlichkeit ist und nur erstklassige künstlerische Leistung die Basis für das Funktionieren dieses Modells darstellt.
Neben der Oper sind Sie auch als Konzert- und Liedsänger gefragt. Welchen Stellenwert haben Konzert und Lied in Ihrer Karriere?
(Seufzt) Aktuell haben Konzert und Lied leider einen viel zu kleinen Stellenwert innerhalb meiner Karriere. In beiden Bereichen würde ich gern mehr machen, allerdings bin ich dabei natürlich abhängig von entsprechenden Angeboten.
Bei vielen Dirigenten und Veranstaltern herrscht leider die Vorstellung, die Stimme werde durch „Operngesang“ zu unflexibel für den Konzertbereich. Das ist natürlich überhaupt nicht der Fall, denn eine flexible Stimme ist grundsätzlich Voraussetzung für jede Art des Singens.
Bei Liedgesang verhält es sich allerdings tatsächlich etwas komplexer, da gerade für Lieder von Schubert oder Wolf die Stimme anders, kleiner „eingestellt“ werden sollte. Wenn ich heute Gurnemanz singe, kann ich nicht morgen Abend mit der Winterreise auftreten. Für diese Umstellung braucht die Stimme Zeit – und die ist im heutigen Opernbetrieb leider immer mehr Mangelware. Trotzdem erlaubt es sorgfältige Saisonplanung, solche Termine sinnvoll vorzubereiten. Ich hoffe sehr, dass ich in der Zukunft auch im Bereich von Konzert und Lied noch mehr Angebote bekommen werde.
Welche künstlerischen Pläne und Wünsche haben Sie für die kommenden Spielzeiten?
Ich möchte mein Repertoire so breit wie möglich und zugleich so eng wie nötig gestalten.
Repertoirepflege ist ein sehr wichtiger Aspekt im Sängerberuf, weil sich durch die eigenen Erfahrungen und die persönliche Entwicklung der Blickwinkel auf die Partien und damit mein künstlerischer Ausdruck kontinuierlich entwickelt. Natürlich kann man sich für zukünftige Spielzeiten konkrete Dinge vornehmen. Allerdings müssen dann auch die passenden Angebote und das entsprechende Repertoire zur „richtigen“ Zeit kommen. Dann muss man genau selektieren, welche Produktionen in einem bestimmten zeitlichen Umfeld möglich und sinnvoll sind. Darüberhinaus ist mein Wunsch für die kommenden Spielzeiten, dass ich die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Opernhäusern und Dirigenten fortsetzen und mein Publikum weiter mit meiner Stimme und meinen Interpretationen überzeugen kann.
Wer ist Guido Jentjens, wenn er einmal nicht singt, Partien studiert oder auf der Bühne probt?
Privatmann. Familienmensch. Lebenspartner und gerne faul. (lacht)
(Das Gespräch mit dem Künstler führte Monika Treutwein)