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GRAZ/ Studiobühne: OPERN DER ZUKUNFT / „SO VIEL MEHR AM LEBEN“. 4 Einakter

11.05.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Opern der Zukunft“ in Graz: „So viel mehr am Leben“ – 4 Einakter (Vorstellung: 10. 5. 2014)

 Unter dem Titel „So viel mehr am Leben“ brachte die Oper Graz auf ihrer Studiobühne vier Einakter  verschiedener Komponisten zur Aufführung, die mit dem Untertitel „Opern der Zukunft 2014“ versehen waren: „Franz, ein Traumspiel“ von Wen-Cheh Lee, „Hystèra“ von Zesses Seglias, „Die weiche Mondin“ von Yukiko Watanabe und „K. Frammenti dell’attesa“ von Lorenzo Romano.

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Franz, ein Traumspiel“: Martin Fournier als Sohn und David McShane als Vater (Foto: Peter Manninger)

 In dem Einakter „Franz, ein Traumspiel“ des in Taiwan geborenen Komponisten Wen-Cheh Lee (Libretto von Wolfgang Hofer) wird der Konflikt Vater – Sohn thematisiert. Im Programmheft ist ein Artikel des Komponisten abgedruckt, in dem er schreibt: „In ‚Franz, ein Traumspiel‘ ist das Libretto in verschiedene Teile aufgeteilt, die als ‚Traumspiele‘ bezeichnet werden. Sie sind musikalisch als Bruchstücke zu verstehen. In den einzelnen Traumspielen wird je Szene eine Figur beziehungsweise eine Situation zwischen dem Vater und dem Sohn dargestellt.“ Die Musik des Komponisten besteht aus schrillen, die Ohren oft schmerzenden Tönen, welche die Emotionen der beiden Männer illustrieren.

 Der gebürtiger Grazer Tenor Martin Fournier spielte den total durch seinen Vater verunsicherten Sohn recht anschaulich, stimmlich kämpfte er gegen die schrillen Töne oft erfolglos an. Seinen Vater gab der amerikanische Bariton David McShane autoritär und unnahbar.  Kommentiert wird das Stück von einem sechsköpfigen Chor (Einstudierung: Gerd Kenda) dessen Wortfetzen allerdings nur schwer zu verstehen waren. Dennoch großer Applaus des Publikums für den taiwanesischen Komponisten.

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Die Rolle der Mutter wurde von Gina Mattiello gesprochen und von Shirin Asgari gesungen (Foto: Peter Manninger)

Das zweite Werk „Hystèra“ des griechischen Komponisten Zesses Seglias nennt sich Musiktheater in einem Akt auf ein Gedicht von Sophie Reyer. Es geht um eine Frau, die – von einer Sängerin und einer Schauspielerin dargestellt – mit ihrem Sohn zu sprechen scheint, wobei die Rolle der Mutter in zwei Charaktere gespalten ist. Als Mutter ruft sie sich kleine Momente des Glücks in Erinnerung, als Frau versucht sie sich zu rechtfertigen, dass sie ihrem Sohn keine konventionelle Mutter war, sondern ihre eigene Entwicklung über alles gestellt hat. Die persische Koloratursopranistin Shirin Asgari stellte die Mutter dar, während Gina Mattiello die Rolle der Frau recht eindrucksvoll auf der Bühne spielte. Auch in diesem Werk waren die Worte der Dichtung durch die zum Teil grellen Töne der Musik nur schwer verständlich.

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Avelyn Francis in der japanischen Oper „Die weiche Mondin“ (Foto: Peter Manninger)

 Nach der Pause kam die Oper „Die weiche Mondin“ der japanischen Komponistin Yukiko Watanabe zur Aufführung.  Das Libretto von Wolfgang Hofer basiert auf einer imaginären Geschichte und bezieht dabei die Großstadt Tokio mit ihren fast neun Millionen Menschen mit ein. Dazu einige im Programmheft veröffentlichten Worte der Komponistin: „Was ich in der Oper ausdrücken wollte, ist genau diese Atmosphäre der zerbrechlichen, chaotischen Stadt. Als mir diese Idee kam, konnte ich mir das große Erdbeben vom März 2011 natürlich noch nicht vorstellen. Aber diese Katastrophe, die während der Entstehungszeit passierte, übte natürlich einen großen Einfluss aus.“

 In ihrer atmosphärisch gelungenen Kammeroper integrierte die Komponistin traditionelle japanische Kunst wie Animation, die vom japanischen Künstler Daisuke Nagaoka recht anschaulich beigesteuert wurde. Die Grazer Koloratursopranistin Avelyn Francis stellte die Ängste, die sich bei ihr im Traum einstellen und sie auch zur Schlafwandlerin machen, sowohl stimmlich wie darstellerisch exzellent dar.

 Eindrucksvoll gestaltete sich der vierte Einakter  „K. Frammenti dell’attesa“ des italienischen Komponisten Lorenzo Romano, dessen Libretto eine Montage verschiedener Texte von Franz Kafka ist (Textmontage: Giuliano Bracci). Über seine Azione musicale in drei Szenen schreibt der Komponist im Programmheft: „Die erste Szene ist die Vorbereitung eines geschlossenen Ortes, ein ‚zuerst‘. Die Musik folgt hier einem kreisförmigen Rhythmus. Die zweite Szene ist die Handlung, die Gegenwart. Auf die Dialoge ohne Hoffnung zwischen den Personen antworten obsessive und mechanische melodische Linien, die durch die Instrumente zum Ausdruck kommen. Obwohl sie Teil eines wirbelnden Crescendo sind, wiederholt jedes Instrument seine Stimme, ohne tatsächlich mit den anderen zusammenzutreffen. Die dritte Szene stellt das ‚danach‘ dar. Die Stimme von außen, die die Erzählung ‚Eine kaiserliche Botschaft‘ liest, wendet sich direkt an den Zuschauer und suggeriert einen Bruch und vielleicht einen Kommentar zu dem, was bisher auf der Bühne geschehen ist.“

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János Mischuretz rezitierte Kafka-Texte (Foto: Peter Manninger)

 Der vierte Einakter, der auf Italienisch mit deutschen Übertiteln von Ernst Marianne Binder gespielt wurde, schien beim Publikum besonders gut angekommen zu sein, was mit Sicherheit auch am Ensemble lag. Mit starker Bühnenpräsenz agierte in der ersten Szene der gebürtige Ungar János Mischuretz, der auch durch seine hohe Sprechkultur gefiel. Er fand im weiteren Verlauf des Stücks kongeniale Partner in der hübschen ukrainischen Sopranistin Tatjana Miyus und im Bariton Ivan Oreščanin sowie in der Schauspielerin Gina Mattiello und dem Musiker John Pophan, der das Bühnengeschehen mit seinem Violoncello-Spiel bereicherte.

 Das Orchester, das aus Mitgliedern der Oper Graz und der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz, die als Koproduzent fungierte, bestand, wurde von Leonhard Garms geleitet, der mit ruhigen, gefühlvollen Einsätzen dirigierte.

 Am Schluss belohnte das Publikum alle Mitwirkenden – auch das Regieteam und die vier Komponisten – mit starkem Applaus. Für viele Besucher schien es der erste Kontakt mit „neuem“ Musiktheater zu sein, wie manchen Pausengesprächen zu entnehmen war.

 Udo Pacolt

 

 

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