Oper Graz
Erich Wolfgang Korngold
“DIE TOTE STADT”
Premiere 18.Jänner 2015

Elisabeth Sobotka: Abschied von allen Mitarbeitern
Das Glück einer Tüchtigen
In Anwendung des Ausspruchs von Graf Moltke, dass auf Dauer nur der Tüchtige Glück hätte, könnte man die erfolgreichen Saisonen ihrer Intendanz am Grazer Opernhaus, das seit September 2009 unter Leitung der Intendantin Elisabeth Sobotka stand, als Glück einer Tüchtigen bezeichnen. Aber sie war mehr als nur eine Intendantin, sie war das was man ganz altmodisch früher eine Prinzipalin nannte, die ihr Herzblut und ihre Leidenschaft für “ihr” Opernhaus einsetzte und am Ende dieser letzten Premiere zu recht den Dank des gesamten Ensembles zu Füßen gelegt bekam.
Sie ist ja nominell bereits aus dem Unternehmen ausgeschieden und das Haus wird interimistisch vom Geschäftführer der Theaterholding Bernhard Rinner bis zur Amtsübernahme durch die Nachfolgerin, Nora Schmid, geleitet. Und die gestrige Aufführung trug in allen Phasen noch die Handschrift von Elisabeth Sobotka, der persönliche Abschied fand daher im Rahmen der Premierenfeier statt.
Sie absolvierte harte Lehrjahre, darunter acht Jahre als Chefdisponentin an der Wiener Staatsoper unter Joan Holender und jeder der ihn kennt zieht da den Hut! Die Wahl der Stücke war gut und für das Repertoire abwechslungsreich, darunter Brocken wie die Meistersinger oder die Frau ohne Schatten, aber auch italienischer Belcanto oder Verismo. Und zuletzt erfolgreich ein optisch aufregend gelungener Händel.
Die Auswahl der Regisseure und auch regiebeflissener Damen führte die designierte Intendantin der Bregenzer Festspiele ganz im Sinne des schon aus Tradition sehr offenen Grazer Publikums. Denn bei ihrem Amtsantritt war ein Regieguru wie Konwitschny in den steirischen Bergen bereits längst Kult, während er wo anders noch auf Skepsis und breite Ablehnung stieß.
Sie führte ein gutes, aber auffallend kleines handverlesenes Ensemble durch die Opernliteratur und setzte punktuell und sparsam Gäste ein, die hier reüssierten und von Graz aus auch etwa in Bayreuth landeten,wie der Sachs der ersten Saison.
Immerhin – lassen wir das abschätzige Denken über derartige Preise einmal beiseite – zählt das Grazer Opernhaus zu den Anwärtern für den Internationalen Opera Award für das beste Opernhaus des Jahres 2015, dessen Verleihung am 26.April im Londoner Savoy Theater erfolgen wird und bereits Opernhäuser wie die Berliner Komische Oper, das Brüsseler La Monnaie, die Opera Vlaandern aus Antwerpen, die English National Opera aus London und die Novaya Opera aus Moskau dem Ergebnis entgegenfiebern.
Ein schillerndes Abschiedsgeschenk

Marietta Gauklertruppe
Nun hat sich die scheidende Intendantin ein Abschiedsgeschenk mit der musikalisch schillernden und mit Traumdeutung und Trauerarbeit überfrachteten TOTEN STADT Korngolds gemacht und erhielt dabei vom Regisseur Johannes Erath bestmögliche Unterstützung. Erath hat bereits die Inszenierungen Lulu, Don Giovanni, Elektra und Lohengrin in Graz gezeigt, durchaus kontroversielle Arbeiten mit spannender Personenregie. Auch in der “Toten Stadt” fließen Traum und Wirklichkeit inneinander, spiegeln sich oder duplizieren sich die Handlungen, Realität und Wahn treiben den Witwer Paul zum Mord an der Tänzerin Marietta, die in das “Heiligtum” seiner verstorbenen Marie eindringt, ein Mord als Erlösung, der sich als Traum herausstellt. Erath ist da in seinem Element. Sowohl in den Visionen als auch in der realen Gauklertruppe, in welcher er bekannte Filmfiguren auftreten läßt, wie den Professor Unrat, während Frank in der Pose von Marlene Dietrich sein berühmtes Lied zum besten gibt, auch die Monroe ist erkennbar oder Graf Orlok aus dem Nosferato-Film von Murnau, ein bereits alter Bekannter aus Eraths Lulu-Inszenierung. Für die Showtreppe und die Kostüme sorgte Herbert Murauer.
Und natürlich erhielt die Intendantin auch hervorragende Unterstützung vom Grazer Philharmonischen Orchester, aus dem Dirk Kaftan all die Effekte hervorholte, die dem späteren Oscarpreisträger für Filmmusik schon als 23-Jährigem so verschwenderisch zur Verfügung standen.
Für die Tenorpartie, für die ursprünglich Johannes Chum vorgesehen war, mußte kurzfristig der Budapester Zoltán Nyári einspringen und erwies sich als ausgesprochener Glücksfall gerade in dieser heiklen Rolle zwischen schwelgerischer Erinnerung und Trauer. Ein ungeheuer belastbares Material, nicht gerade von schmelzender Schönheit aber äußerst ausdrucksstark und intensiv. Auch seine exzessive Darstellung des Verzweifelten dankt er wahrscheinlich dem Umstand, vor dem Gesang auch Schauspiel studiert zu haben.
Gal James verleiht in den dramatischen Teilen der Marietta, der Stimme noch zu viel Höhenschärfe. Ivan Orescanin wieder findet für den Schlager vom Sehnen und Wähnen nicht den richtigen Ausdruck, da sollte mehr Belkanteskes zu hören sein. Wie immer zeigt Dshamilja Kaiser auffallend schönes Material, diesmal als Brigitta. Tatjana Miyus, Xiaoyi Xu, Taylan Reinhard und Manuel von Senden ergänzten das Stückensemble tadellos.
Chor und Singschul´ der Oper Graz und die Statisterie waren wieder gefordert und entledigten sich ihrer solistischen Aufgaben in gewohnt aktiver Form.
Das Publikum reagierte am Ende ziemlich begeistert auch unter Einbeziehung der Regiearbeit
Fazit: Sehenswerte Phantasmagorien mit herrlicher Filmmusik
Peter Skorepa
MERKEROnline
Foto Bühne:Werner Kmetitsch
Foto Frau Sobotka: Peter Skorepa