Beate Hausbichler / Noura Maan (Hg)
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Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet:
Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden
224 Seiten, Verlag Kremayr & Scheriau, 2023
Es gibt Menschen, die in der Geschichte und vor allem in der Gegenwart einen besonders schlechten Ruf genießen – und das trifft vor allem Frauen. Also haben sich Frauen aufgemacht, um an einzelnen Bespielen zu untersuchen, wie viel Berechtigung dahinter steckt und wie viel davon „gemacht“ wurde – zumal durch gezielt schlechte Propaganda.
Die Herausgeberinnen Beate Hausbichler und Noura Maan sind beide in prominenten Positionen im „Standard“ vertreten und haben sich die Autorinnen ihrer Beiträge auch in diesem Umfeld gesucht. Der „feministische“ Standard ist garantiert, nicht jedoch die gleiche Qualität der Artikel, die allesamt mit jeweils fünf Seiten programmatisch kurz sind, was nicht unbedingt zur Tiefenschärfe führt. Zur einzigen „historischen“ Persönlichkeit unter den etwas mehr als zwei Dutzend ausgewählten Damen, Marie Antoinette, erfährt man weniger, als man schon weiß.
Überhaupt ist die Auswahl gelinde gesagt: seltsam. Sie scheint sich eher an den Leserinnen der „bunten Blätter“ oder der Pop-Kultur zu orientieren als an den Feministinnen, die angesprochen werden sollen, wenn der Untertitel schon kämpferisch lautet „Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden“. Die Frage, wer sich wirklich für den Ruf von Paris Hilton interessiert, steht im Raum.
Im allgemeinen ist, so sind sich die Verfasserinnen wohl einig, der „männliche Blick“ auf weibliche Biographien schuld, der in vielen Fällen herablassend und herabwürdigend ist. Wie wäre es sonst möglich, dass Mia Farrow, die im Falle von Woody Allen wirklich das Opfer war (er hat mit seiner Stieftochter geschlafen, nicht wahr?), in der Presse dermaßen verleumdet wurde, dass sie als „Böse“ in der Geschichte dasteht? Wie ist es möglich, dass sich über ein unzweifelhaftes „Opfer“ wie Natascha Kampusch so viel Häme ergoß – nur weil sie nicht als das geknickte, missbrauchte Hascherl in der Öffentlichkeit auftrat, das man natürlich erwartet hätte? Frauen, die nicht dem Bild entsprechen, das man voraussetzt, haben es schwer.
Ähnlich verleumdet wie Mia Farrow wurde (angeblich) auch Yoko Ono, die – wie es heißt – keinesfalls daran schuld war, dass die Beatles auseinander brachen, das sei längst geschehen gewesen, als sie im Leben von John Lennon auftauchte. Aber als die mysteriöse asiatische „Fremde“, die noch dazu moderne Kunst machte, erregte sie so viel Misstrauen, dass man ihr alles andichten konnte und sie ihren schlechten Ruf nie wieder los wurde.
Eine Pointe der Geschichte ist die Tatsache, dass es in Kürze eine „Queen Camilla“ geben wird, die über Jahrzehnte hinweg die bestgehasste Frau Englands war, wofür Prinzessin Diana gesorgt hat. Dass nicht Camilla der Störenfried in Charles Ehe war, sondern dass die erzwungene Heirat mit Diana die – wie sich gezeigt hat – beständige Liebe von Charles und Camilla störte, so wollte man das lange nicht sehen.
Und Meghan Markle? Da hat, so heißt es in dem Buch, die englische Presse dafür gesorgt, dass sie immer als die Frau gelten wird, die Harry von seiner Familie und seinen Wurzeln entfremdet hat. Und warum ist man ihr so böse? Natürlich aus rassistischen Gründen, wie man liest. Die hochmütigen Engländer haben es nicht gern, wenn eine PoC, noch dazu eine Amerikanerin und ein mittleres Fernseh-Sternchen, in die königliche Familie einheiratet. Dass sie wie Camilla zu höchsten Würden rehabilitiert wird – das kann man sich bei Meghan nicht vorstellen.
Viele der Namen, die einfach auf ein Hip-Hop-Publikum zielen, von Pamela Anderson bis Janet Jackson, von Britney Spears bis Taylor Swift, werden vielleicht nur am Rande interessieren. Andere Damen sind kaum „rein“ zu waschen – man weiß einfach nicht (und wird es nie wissen), ob Amanda Knox, Freispruch hin oder her, eine Mörderin ist, und dass bei den Oval Office-Spielen von Präsident Clinton immer von der „Lewinsky Affäre“ (und nicht von der Clinton-Affäre) die Rede ist, mag typisch sein, aber die junge Dame ist schließlich nicht unbeteiligt gewesen.
Eine Frau wie Bettina Wulff , die als „Kollateralschaden“ der missglückten Karriere ihres Mannes gilt und folglich Sympathien einbüßte, ist ebenso ein logisches „Medien-Opfer“ wie Romy Schneider, der es die Deutschen angeblich nie verziehen haben, dass sich das brave Mädchen von ihrer stickigen Heimat abgewandt hat und eine selbst bestimmte französische Frau geworden ist.
Alle diese Überlegungen liegen auf der Hand und machen die Damen, von denen hier erzählt wird, nicht wirklich „unschuldig“, falls man Schicksale in ihrer Komplexität überhaupt so definieren kann. Offenbar handelte es sich in den meisten Fällen doch um sehr selbstbewusste Frauen, die wussten, was sie taten uns sich selbst keineswegs als Opfer sehen würden. Über die Männer, die Medien und die öffentliche Meinung zu lästern und die üblichen Anklagen los zu lassen, ist leicht, aber ein paar flüchtige Artikel werden kaum etwas dagegen unternehmen können.
Renate Wagner