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FRANKFURT: WERTHER

16.01.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Frankfurt: „WERTHER“ 15.01.2014

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Tanja Ariane Baumgartner. Foto: Wolfgang Runkel

 Wiederaufnahmen in der Oper Frankfurt sorgen bekanntlich immer wieder für Überraschungen, doch die heutige „Werther“-Aufführung  (Jules Massenet) geriet zum ganz besonderen Ereignis. Zudem wirkte die Inszenierung von Willy Decker der Spielzeit 2005/2006 dank der szenischen Leitung von Alan Barnes so frisch wie am ersten Tag. In großartiger  Konstellation fanden  sich damals der Regisseur sowie der Bühnen- und Kostüm-Ausstatter (Wolfgang Gussmann) zu fruchtbarer Inspiration. Decker ein Meister der leisen, ausdrucksstarken Personenführung, der Werkstreue gelang hier eine exemplarische Umsetzung  dieser unglücklichen Ménage-á-trois, ließ die darstellerischen Gefühlswelten der Protagonisten in so trefflicher Form nach außen kehren. Die Bühne in zwei leicht schrägen Ebenen, die hintere hell, die vordere dunkel gehalten, das sich noch in Trauer befindliche Haus des Le Bailli symbolisierend, wird variabel durch eine Schiebewand getrennt. Die Kostüme der gesamten Familie schwarz, Werther wirkt dagegen hell gekleidet als schwärmerische Lichtgestalt. Grandios die suggestive  Wirkung des Finalbildes: Werther bereits verwundet, windet sich im Vordergrund, Charlotte liegt vom Schnee berieselt auf der hinteren Schräge, das Liebespaar findet endlich zueinander, wird von Albert beobachtet und stürzt davon, Werther stirbt und die Verzweifelte bleibt allein zurück. Unglaublich sensible, starke Bilder von ungeheurer Aussage in meiner bisher wohl besten, erlebten Inszenierung.

Gegenüber der letzten Aufführungs-Serie (2009) wurden fast alle Rollen neu besetzt. Als  tragischer Titelheld debütierte (wie alle Hauptpartien) John Osborne in Frankfurt. Tief bewegend erfüllt der inzwischen weltweit renommierte Tenor die darstellerische Bandbreite des unglücklich Liebenden und bleibt auch vokal der Partie bis zur Selbstaufgabe  nichts schuldig. Sein Timbre erinnerte zuweilen an einen einstigen, prädikativen Rollenvertreter, in feinen, filigranen Nuancen gestaltete Osborne die deliriösen, verhaltenen Regungen und steigerte sich  mit seinem flexiblen, höhensicheren Tenor in die dramatischen Ausbrüche, zudem konnte der sympathische Sänger mit einer klangvollen, tragfähigen Mittellage punkten. Ohne jedoch diese Leistung zu schmälern, dürfte Tanja Ariane Baumgartner als Ereignis des Abends gelten! Die versierte Mezzosopranistin erweiterte ihr Repertoire mit einem weiteren Highlight. Ihre warme, dunkeltönende Stimme scheint für die vielschichtige Partie der Charlotte geradezu perfektioniert, fand stets gleichwohl die richtigen, schönen Töne in den sensiblen zart-verhaltenen Momenten, sowie den expressiv-dramatischen Ausbrüchen. Der Zerrissenheit und Gefühlsscala dieser Frau verlieh sie eine sehr bewegende Darstellung. Von optisch fast unversöhnlicher Strenge wirkte Albert,  vokal aber sehr ausdrucksstark  lässt Daniel Schmutzhard seinen warmtimbrierten, markanten Bariton herrlich strömen und in bester Klangbalance erklingen.  Leichte, angenehme Soprantöne verlieh Sofia Fomina der Sophie, überzeugend besetzt ebenso die kleineren Partien: Le Bailli (Franz Mayer), Käthchen (Maria Pantiukhova), Brühlmann (Constantin Neiconi) sowie der trefflich  (Wilhelm Busch)  karikierten  Johann und Schmidt (Florian Plock, Michael Porter). Sehr schön erklang der Kinderchor (Markus Ehmann) sowie das Orgel- und Tastenglockenspiel (In Sun Suh).

Am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchester waltete Maurizio Barbacini, modellierte die Massenet-Partitur in zarten Pinselstrichen, ließ im melancholischen

Unterton  musizieren,  animierte das prächtig aufspielende Orchester zu innerer Spannkraft und bedächtigen Tempi. Anbetracht dieser transparenten Gesamtinterpretation, seien die gelegentlichen, überfrachteten Eruptionen verziehen. Mit lautstarken Huldigungen bedankte das begeisterte Publikum, diese großartige Aufführung. Leider bleibt es mir aus Zeitgründen verwehrt, alle Folgevorstellungen zu besuchen.

Gerhard Hoffmann

 

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