Frankfurt: Sirenen – Bilder des Begehrens und Vernichtens, UA von R.Riehm 14.9.2014
Lawrence Zazzo und die Sirenen. Foto: Wolfgang Runkel
Rolf Riehm legt als Auftragswerk der Frankfurter Oper „Sirenen – Bilder des Begehrens und Vernichtens“, eine dreiteilige Oper auf einen eigenen Text nach Homers Odyssee und nach Vorlagen von u.a. Karoline v.Günderode, vor. Zum Inhalt: Odysseus hatte mit Kirke auf der Insel Aiaia einen Sohn Telegonos gezeugt und war auf seiner weiteren Irrfahrt aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen heil an den Sirenen vorbeigekommen. Kirke wartet vergeblich auf seine Rückkehr. Als Telegonos groß geworden ist, kommt er nach Ithaka und verwundet Odysseus, indem er ihn mit seinem Speer durchbohrt. Die beiden werden sich erst nachträglich iherer Blutsverwandtschaft bewusst. Telegonos begleitet Odysseus als Schauspieler auf seiner Todesreise zum Hades, wo dieser noch einmal bei den Sirenen vorbeikommen möchte und ihre Weltweisheit als freier, ungebundener Mensch erleben will. Seine Stimme versagt aber angesichts des Speers in seinem Innern. Sie spaltet sich als Seele in der Form des Sängers (Countertenor) von ihm ab und geht zu den Sirenen, die ihm aber auch nur vom Tod erzählen können. Die Seele Odysseus‘ betritt dann noch einmal den Raum des Lebens, wo er wieder auf Kirke trifft, die ihm aber in seinen Träumereien vom Nachhall der Sirenen nichts mehr bedeutet. Telegonos aber ‚rächt‘ sich an seiner Mutter durch sexuelles Begehren und körperliche Wiederverenigung.
Rolf Riehm, geb 1937, hat eine Oper geschrieben, die gesanglich vom Mezzosopran der Kirke , dem Countertenor des Oysseus und den Sängerinnen der Sirenen bestimmt ist. Die übrigen Personen werden von Schauspielern bzw. Musikern auf der Bühne dargestellt. Die stärkste Szene ist gleich der Anfang: Das große Orchester spielt in ziemlich markanten Ballungen zu dem Aufeinandergeraten von Odysseus auf Telegonos, und einer harter Schlag des Donnerblechs markiert die Durchbohrung des Vaters, danach „jault“ das Orchester durch alle Oktaven hindurch mit langem Nachhallen. Das ist vom Komponisten ganz stark erdacht bzw. erlebt und einer klaren ungebunden grenzenlosen atonale Klangsprache verpflichtet. Die Szene geht aber pausenlos in ein langes Lamento der Kirke über, die bei einem maximalen Stimmumgfang und in weiten Tonsprüngen ihre Verlassenheit von Odysseus besingt, das ist ganz große Oper. Das Orchester spielt dazu in eigenen Wendungen und mit harten Zwischenschlägen oder auch nur larmoyant begleitend. Dazu sehen wir auf der Bühne den Tisch mit zwei Gedecken, darum herum der junge und älter werden Sohn, wie er sich in Waffen übt. Ein Schrank ist weiteres ‚Requisit‘ (Bb. Thilo Steffens) in einer ganz dunklen Szene. Auf dem Weg zum Totenreich gibt es dann links eine Treppe, auf der sich die 8 Sirenen verteilen. Hier erklingt der Countertenor eher schön und getragen auf dem Gang zu diesen in weiße Langtuniken gehüllten und mit weißen Einheitsperücken drapierten gespenstischen Wesen. Sie sind zwar solistisch besetzt, fallen aber, was die musikalische Ausdruckskraft betrifft, hinter Wagners Walküren und R.Strauss‘ Frauenstimmen (z.B. in ‚Liebe der Danae‘) zurück. Auch der letzte Teil kann nur teilweise die musikalische Wirkung des starken ersten beglaubigen. Das Orchester ist aber uneingeschränkt auf der Höhe bei der Wiedergabe dieser starken neuen ‚postmodern‘-expressiven Musikteile und wird kenntnisreich und engagiert von Martyn Brabbins dirigiert. Die Inszenierung (Tobias Heyder) setzt zu Beginn auf Versatzstücke des Regietheaters, wenn alle Männer in schwarzen Anzügen und mit Lackschuhen (Oysseus) aufteten, Kirke gleich mal den Tisch umschmeißt, wenn sie von starkem Wind in den Eichen singt. Im Breitwandmodus wird anfangs auch ein Video mit dem von der Insel sich wegmachenden Odysseus als (junger) Sänger gezeigt (Christina Becker). Im 2. Teil gibt es aber für die Gefährten des Odysseus, die auch gekonnt als Bühnenmusiker tätig sind (u.a. mit Akkordeon und Holzbohlen), den jungen Odysseus und die Sirenen sowie für den träumend sitzenden sterbenden Odysseus eine gute Personenregie. In der Schlußszene öffnet und schließt sich ein weißer Raum, und hier wird der Ödipus-Konflikt mit vorheriger versuchter Tötung der Kirke seitens ihres Sohnes ausgespielt. Er wird aber nackt vom Schatten der Mutter verschluckt.
Die Sirenen werden von Sarah Maria Sun, Annette Schönmüller, Frauke Burg, Britta Stallmeister, Barbara Zechmeister, Nina Tarandek, Maria Pantiukhova, Jessica Strong und Antje Mertens als Artistin gegeben. Den Odysseus als Schauspieler gibt souverän Michael Mendl, als Sänger mit klangschönem teils expressivem Counter Lawrence Zazzo. Die Kirke wird in einem lang wallenden ockergelben Kleid (Kost.: Verena Polkowki) von Tanja Ariane Baumgartner gesungen. Sie setzt sich voll für die exorbitante Partie ein und singt sie in Hochform mit einem schneidend klarem,aber anmutig lyrisch tmbriertem Mezzosopran.
Friedeon Rosén