Frankfurt: GIULIO CESARE – Premiere am 2.12. 2012
Brenda Rae (Kleopatra). Foto: Wolfgang Runkel
In Frankfurt gelingt es, Händels „Cäsar“ mit allerdings etwas disparat wirkenden szenischen Mitteln auf die Bühne zu stellen. Wichtig scheint in der sehr hoch gezogenen Bühne von Herbert Murauer ein Hell-dunkel-Kontrast (Licht Joachim Klein), der die einersseits strahlende Palast-Athmosphäre von Kleopatra/Tolomeo, andererseits die düstere Sphäre der Grausamkeiten wiedergibt. Die Regie von Johannes Erath nimmt auch besonderen Bezug auf die 50er Jahre mit Einsatz von Telephonen und einem Studio-Filmabspielgerät, womit auf die häufige Verfilmung des Kleopatra-Stoffes hingewiesen wird. Eindrucksvoll und fast zentral die Szene, in der Kleopatra aus ihrem hohen in die Rückwand eingelassenen Ankleidegemach ein großes Fass mit Filmstreifen auf die Bühne wirft und sich nachher unten mit dem braunen Zelluloid drapiert, ja sich geradezu damit fesselt, während sie über die Flucht Cäsars harmt. Daneben kommen auch antike Versatzstücke vor, wenn Cäsar sich plötzlich aus seinem Anzug in eine goldene Kriegstunika pellt, und Sklaven an Seilen ein schweres Podest mit der kleinen Badewanne der Königin wegziehen oder in Schachtöffnungen am Boden verschwinden. Seinen Ausgang hat das ganze Drama in einer kleinen Siegesparty in feinen heutigen Kluften (Kostüme: Katharina Tasch), und Sesto wechselt dann in den gediegenen Anzug ihres getöteten Vaters Pompeo, der auch öfter in mehrere Exemplaren ohne Kopf oder mit einem Tuch über den Kopf über die Bühne schreitet. Kleopatra geht auf einer Riesentreppe aus ihrem Domizil nach unten in einer gewaltigen Robe mit Pfauenfedern, die sich auch zu einem Minirock abkürzen läßt. Sie will sich Cäsar gegenüber jetzt outen, um ihn zu heiraten zu können.Tolomeo quält die Witwe Cornelia sexistisch auf einem schwarzen Designer-Sofa.
Die musikalische Umsetzung gelingt mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von Erik Nielsen ganz fabelhaft. Schon die satte, straff und elastisch gespielte Ouverture gibt beste Maßstäbe vor. Auch in den langen Arien kommt nie Langeweile auf. Die Spielweise der Streicher ist trocken und vibratoarm, hat aber trotzdem bei den handlungstreibenden Teilen zupackende Frische. Cäsars mit Hörnern gespickte Arie gelingt auch glänzend, mehr Esprit und kann man aus dieser Händelschen Bravour-oper nicht herausholen.
Mit feiner Diktion und gut bei Stimme singt der Countertenor Dmitry Egorov den Nireno auch in rosa Tutu und weißen Langstrümpfen. Der Baßbariton Simon Baley singt mit smartem grundsolidem Organ den Achilla, Vertrauten Tolomeos, und beansprucht für sich sogar das Jus prima noctis auf Cornelia gegenüber seinem Vorgesetzten. Dieser wird mit interessantem, bestens artikuliertem Altus von Matthias Rexroth gegeben. Den Curio gibt in der Kurzrolle Sebastian Geyer mit achtbarem Bariton.
Sein Herr Cäsar ist Michael Nagy und bestätigt in der Titelrolle seinen warmen edelsamtig timbrierten, hier aber auch intelligenten koloraturfähigen Bariton. Dazu ist er sehr flexibel im Spiel. Die Cornelia singt Tanja Ariane Baumgartner mit ihrem so spezifisch edlen Mezzo und kostet die Rolle der Leidenden voll bis fast zur Extravaganz aus. Den Sesto gibt Paula Murrihy auch ganz gekonnt und in eigenwilliger auch musikalisch gelungener Diktion. Eigentlich ein Alt, ist ihre Stimme aber eher hell timbriert, ein toller Mezzosopran. Auch wie sie zwischen weiblichem Spiel und Hosenrolle agiert und schließlich die Rache vollbringt,
ist beachtlich. Danach hat sie sich aber regielich dem Suff hinzugeben. Die Kleopatra gibt Brenda Rae in einer achtungsgebietenden Interpretation. Mit silbrig timbrierter heller Sopranstimme kostet sie ihre Fiorituren aus und ist in ihren Verkleidungen auch immer diese einzigartige Frau – eben Kleopatra.
Friedeon Rosén