FRANKFURT/ Bockenheimer Depot: Spiel von Seele und Körper /Cavalieri 30.6.2013
Kateryna Kasper, Julien Pregardien. Foto: Barbara Aumüller/Oper Frankfurt
Die Abschlußpremiere der Frankfurter Oper spielt wieder im Bockenheimer Depot. Es ging darum, eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Oper, Emilio de‘ Cavalieris „Rappresentazione di anima e di corpo“ (Das Spiel von Seele und Körper), ein gattungsunspezifisches Kirchen -Mysterienspiel von 1600 durch eine zeitgenössische Reflexion darauf einzurahmen. Der österreichische Komponist Klaus Lang schuf mit „fulgur harmoniae 1-4“ sozusagen instrumentale Vor- und Nachspiele. Vielleicht sollte dadurch auch dem eindeutig ideologisch-jesuitischen gegenreformatorischen Gehalt der ‚Rappresentazione‘ gegengesteuert werden. Diese wohl Blitze (fulgures) bleiben aber, musikalisch gesehen, harmlos. Fulgur harmoniae 1 ist ein etwas zu lang geratene statische Bordunmusik mit liegendem Baß, die auch durch flackerde Blockflötenkadenzen nicht dazu gewinnt. Angelehnt an Xenakis erscheinen richtig blockartige statische Momente in den weiteren Fulgures, die auch an fernöstliche Tempelmusik erinnern. In der letzten kürzesten lehnt sich atmendes Wispern und Geigenkratzen auch an Lachenmann an. So verbleibt auf musikalischem Gebiet doch der Kirchenmann Cavalieri ‚Sieger‘. Diese schon sehr barock duftige, dabei sehr rhytmisch abwechslungsreiche Musik, immer wieder mit Taktverschiebungen garniert, steigert sich am Schluß gar ins Rauschhafte. Sicher haben von ihr die ersten Opernkomponisten der Florentiner und römischen Szene, Peri, Caccini und Monteverdi profitiert.
Das Spiel mit allegorischen Figuren Seele, Körper, Zeit/Tempo, Geist/Intelletto, Schutzengel und weiteren birgt keinerlei wirkliche dramatische Auseinandersetzung, sondern es werden im 2. mit ‚Prüfung‘ überschriebenen Teil Welt/Mondo und Vergnügen/Piacere in ihre Schranken gewiesen, und der ‚Himmel‘ wird als Maß aller Dinge dargestellt.
Regisseur Hendrik Müller erzählt aber eine veritable Geschichte mit verschiedenen Akteuren, auch eienem Chor(ensemble barock vocal), der in braunen Pilgergewändern und Hüten das Geschehen singend und agierend begleitet. Claudia Doderer ist für Raum, Kostüme und Video verantwortlich. Hinter der Orchesterwand steigt aus einem schmalen Graben eine Superschäge nach oben, die in eine sich öffnende und schließende Rückwand mündet, in der auch Darsteller postiert sind. In den Interludien wird die sich deformierende Luftöffnung einer Blockflöte gezeigt. Die Darsteller treten magisch vom Zuschauerraum auf und ab, von wo sie auch singen. Auf der engen Bühne und auf der Schräge wird ein beachtliches Spiel aufgezogen, das sich aber nicht immer sofort verklart.
Das Orchestre Atlante mit Mitgliedern der Frankfurter Oper spielen unter der äußerst engagierten Leitung von Michael Form, der auch die Zuordnung einzelnen Barockinstrumente an bestimmte Darsteller vorgenommen hat.Die 8 SängerInnen von Barock vocal sind auch spielerisch bis zur fanatischen ‚Glaubensmasse‘ ein Genuß. Der Baß Vuyani Mlinde gibt die Verdammte Seele, die auch in einer Allegorie von Mönchen an Seilen hin-und hergezogen wird, in Glitzerkostüm. Barbara Zechmeister ist mit immer passend herbstimmigen Sopran Vita mondana und Echo. Die junge mexikanische Sopranistin Maren Favela (Operstudio) singt Anima sowie Mondo/Welt. Den Piacere/Vergnügen übernimmt der vielversprechende Countertenor Vasily Khoroshev in gleichzeitig dekadenter Renaissancemanier. Francisco Brito (ebenfalls Opernstudio) gibt den tenoralen Begleiter von Piacere. Auch Sebastian Geyer kommt mit seinem sonoren Baßbariton als Intelletto und ebenfalls Begleiter von Piacere zum Einsatz.
Der Corpo singt mit angenehm weichen Tenor Julian Pregardien, seine Begleiterin Anima Kateryna Kasper (beide in hervorgehobener weißer Tuchbekleidung) zeichnet sich durch einen schöngestimmten Sopran mit lyrischen Anklängen aus.
Friedeon Rosén