Essen; „L’ELISIR D’AMORE“ – Wiederaufnahme im Aalto-Theater – am 25.1.2014
Über die problematische Inszenierung des Essener LIEBESTRANKS ist an dieser Stelle schon berichtet worden. Die Wiederaufnahme unter neuer Intendanz hinterläßt auch heute noch zwiespältige Gefühle. Donizetti hat sein Werk als Opera comca in zwei Akten bezeichnet. In der Tat weicht das Libretto vom Schema der Comdia dell’arte ab (alter reicher Knabe möchte sich junge Frau angeln, zieht aber gegenüber einem jüngeren, aber armen Teufel den Kürzeren). Dennoch lebt das Werk auch von brulesken Einfällen und sollte als Opera buffa verstanden werden. Dazu bedarf es allerdings auch einiger unterhaltsamer Einfälle der Regie. Hinsichtlich der Personenführung läßt Andreas Baesler diese zumindest bezüglich der vier Protagonisten gänzlich vermissen. Dadurch wirkt die Story nicht nur relativ fade; vielmehr werden auch den Sängern darstellerische Profilierungsmöglichkeiten versperrt. Hinsichtlich der Adina der Slowakin Simona Saturova war das möglicherweise aber nicht einmal so nachteilig. Sie verfügt zwar über eine schöne Stimme und ausgezeichnete Technik, jedoch nicht über den Charme und die Koketterie, die eine solche Partie auch verlangt.
Ähnlich gebremst wirkte auch der Nemorino des Marokkaners Abdellah Lasri, der seine stärksten Momente hatte, sobald er sich mit lyrischen Mitteln entfalten konnte. Sein „Una furtiva lagrima“ brachte das etwas verschlafen wirkende Abonnenten-Publikum zum ersten Mal dazu, angemessenen Applaus zu spenden. Für den Beobachter der Essener Szene drängt sich allerdings die nachhaltige Sorge auf, daß der junge Tenor trotz seines robusten Materials verschlissen wird, da er binnen weniger Tage durch unterschiedlichsten Fächer gejagt wird (z.B. im Januar Alfredo, Werther, Nemorino, Werther, Alfredo usw.). Natürlich kann jeder Sänger, der das Material dazu hat, unterschiedliche Fächer singen, dies jedoch nur dann schadlos, wenn es sich um Serien handelt und Zeit für die stimmliche Umstellung besteht.
Der Armenier Mikael Babajanyan war ein durchweg rollenfüllender Belcore, sang technisch sauber und spielte gut. Allerdings hat er mich als Scarpia weit mehr überzeugt. Vermutlich kommt ihm stimmlich auch eher zugute, wenn er sein bemerkenswertes Volumen ausschöpfen kann. Baurzhan Anderzhanov hat unter diesem unaussprechlichen Namen tatsächlich auch schon beim Rossini-Festival in Pesaro gesungen. Warum das Management ihm nicht die Wahl eines kurzen Künstlernamens empfohlen hat, ist ein Rätsel. Sein flexibles Material und seine Italianita rechtfertigen seinen Einsatz als Bassbuffo durchaus, zumal er auch darstellerisch den Quacksalber Dulcamara glaubhaft zu machen versteht. Christina Clark ergänzte als Giannetta wie immer darstellerisch sehenswert. Allerdings gibt die kleine Partie sängerisch wenig her. Sie hätte verdient, daß ihr die Intendanz auch einmal die Chance auf eine große Rolle einräumt.
Am Pult der anfänglich unsicher wirkenden Essener Philharmoniker stand Matteo Beltrami. Der erst 38 Jahre alte Genueser kennt seinen Donizetti und leitet mit der von einem Italiener zu erwartenden Verve. Wie fast immer in Essen ist der von Alexander Eberle einstudierte spielfreudige und klangschön singende Chor positiv hervorzuheben.
Klaus Ulrich Groth