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ERFURT/ Theater Erfurt: 10. SINFONIEKONZERT (Rihm, Gershwin, Strawinsky, Schostakowitsch)

Klangfülle des 20. Jahrhunderts

10. Sinfoniekonzert, Do, 26. Juni 2014 und Fr, 27. Juni 2014, 20 Uhr, Erfurter Theater

Rihm, Gershwin, Strawinsky, Schostakowitsch

Unbenannt
Katharina Treutler. Foto: Theater Erfurt

 Der russische Komponist Dmitri Schostakowitsch hat im Jahr 1957 das variantenreiche „Klavierkonzert Nr. 2 op. 102“ geschaffen. Die Musik von Schostakowitsch ist von der sowjetischen Avantgarde der 20er Jahre ebenso beeinflusst wie von Beethoven, Mahler oder Mussorgski. Das F-Dur Klavierkonzert verkörpert in schönster Weise die reiche harmonische und vielschichtige Gedankenwelt dieses interessanten Komponisten, die sich erst nach der Stalin-Ära so richtig entfalten konnte.

 Auch ohne direkten Vergleich ist kaum vorstellbar, dass Katharina Treutlers Finger noch rasanter über die Tasten fliegen können als an diesem Abend in Dmitri Schostakowitschs „Klavierkonzert Nr. 2 F-Dur op. 102“. In immer neuen Läufen und Klangkaskaden schwelgt die Künstlerin, wild und scheinbar ungezügelt legt sie los, in rasendem Marschtempo. Doch das ist nur eine Seite, denn mit wunderbar zartem Piano fängt das Konzert an, eingebettet in einen lieblichen Klangteppich.

 Immer wieder überrascht das Werk mit urplötzlichen Umschwüngen aus bezaubernden Melodien, aus lyrischem, neckischem, auch stillem melancholischem Spiel – oft im Dialog mit den Holzbläsern oder dem tiefen Blech – zu brausendem Klangdonner, in dem die Pianistin Katharina Treutler auf die Tasten intensiv spielt und das Orchester sich in großen Crescendi ins Fortissimo steigert und so eine ungeheure Sogwirkung entfaltet.

 Eine Herausforderung für die Solistin, aber nicht minder für den Dirigenten Samuel Bächli, der die Balance halten muss, und die Spieler, die auch im fiebrig vorwärtsgepeitschten Spiel immer mit höchster Konzentration Tempo, Rhythmus und Einsätze beachten müssen. Eine atemberaubende Komposition ist das und ein völlig ungewöhnliches Klangerlebnis.

 Katharina Treutler gestaltet den Solopart mit erstaunlicher musikalischer Reife und großer Virtuosität. Subtil begleitet vom Orchester unter der Leitung von Dirigent Samuel Bächli, kann die junge Pianistin ihre ganze Musikalität ausleben. Zweifellos hat Katharina Treutler von ihrem Lehrer Dmitri Alexandrowitsch Baschkirow, der seit 1991 die Abteilung Klavier an der Escuela Superior de Musica Reina Sofia in Madrid leitet, sehr viel gelernt. Sie präsentiert diese russische Klangwelt so intensiv, das am Ende das Publikum wirklich mitgerissen ist. Katharina Treutler versprüht mit ihrem Spiel den von Schostakowitsch gewollten jugendlichen Elan gepaart mit großer Leichtigkeit.

 Ein vollkommener Hörgenuss, dem die Konzertbesucher mit großem Applaus danken.

 Genau so gut wie Schostakowitschs „Klavierkonzert Nr. 2 F-Dur op. 102 spielt Katharina Treutler an diesem Abend „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin. Katharina Treutler erweckt dieses Stück zu einer Lebendigkeit, die die Konzertbesucher mitnimmt auf eine Klangreise in diese spezielle amerikanische Welt. Unmöglich, das Hörerlebnis wiederzugeben, diese flackernden und flirrenden Töne, die sich aufbauende Spannung, die Katharina Treutler gemeinsam mit dem Erfurter Orchester erzeugt. Und wie Olin Downes in der „New York Times“ 1924 schreibt: „Das Publikum war gerührt und erfahrene Konzertgänger waren begeistert zuzuhören, wie ein neues Talent seine Stimme findet. Es gab ungestümen Applaus für Mr. Gershwins Komposition.“

 So ergeht es an diesem Abend dem Erfurter Publikum, es ist gepackt von Katharina Treutlers Spiel.

 Viel schwieriger war da das Stück „Tutuguri“ von Wolfgang Rihm, das an diesem Abend auch noch erklingt, zu verkraften. Trotz humorvoller Einführung durch Dirigent Samuel Bächli, wussten die Hörer nicht so recht wozu sie geladen waren. Zu wenig ist das Publikum solche Stücke gewöhnt. Auch wenn das Thema des Abends das 20. Jahrhundert sein sollte, haben es viele Erfurter Konzertbesucher als problematische Hörkost empfunden.

 Harmonisiert hat den Abend dann der „Feuervogel“ von Igor Strawinsky. Diese Musik gilt als richtungweisendes Werk am Beginn des 20. Jahrhunderts und rundete den Abend auch vollkommen ab. Strawinskys Ballettsuite ist eine Hommage an die Sage des Fabelwesens aus der slawischen Mythologie und als eine Huldigung an Strawinsky hat sich auch das Spiel des Erfurter Orchesters erwiesen.

 Alles in allem ein gelungener Konzertabend, den auch viele Zuschauer per Videowand vor dem Erfurter Theater verfolgt haben, traditionell mit Bratwurst und Bier. Auch so kann man einen wunderbaren Konzertabend verbringen.

 Thomas Janda

 

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