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DRESDEN/Staatsschauspiel/Kleines Haus: XERXES von G.F.Händel

01.06.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Dresden / Kleines Haus des Staatsschauspiels: XERXES“ VON G F. HÄNDEL    31.5.2014  (Pr.: 10. 5. 2014)

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Copyright: HL.Böhme

Das „Kleine Haus des Staatsschauspiels“, in dem bis zur Wiedereinweihung der Semperoper (1985) neben dem jetzigen Schauspielhaus auch Opern mit der Staatskapelle Dresden und dem Sängerensemble der Staatsoper in bester Qualität aufgeführt wurden, wird jetzt vorrangig für das Schauspiel genutzt und führt im Dresdner Musikleben eher ein „Schattendasein“, wenn nicht gerade die Hochschule für Musik mit ihren Opernaufführungen die Besucher – und nicht nur Studierende und Angehörige der Hochschule – sehr zahlreich in diese doch recht angenehme Spielstätte lockt. Diese Opernaufführungen mit jungen Sängern und Instrumentalisten sind sehr beliebt, zumal auch die Inszenierungen oft ansprechend sind.

Jetzt gibt die Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ Dresden in Koproduktion mit dem Staatsschauspiel Dresden und der Hochschule für Bildende Künste Dresden (HfBK) im Rahmen der Feierlichkeiten des 250jährigen Bestehens der HfBK eine Reihe von Vorstellungen der Hochschulproduktion von G. F. Händels Xerxes“ (im Original italienisch: „Serse“), neben „Julius Caesar“, eine seiner in der Neuzeit meistgespielten Opern.

 Ursprünglich eine Opera seria, ein Dramma per musica in drei Akten, wird diese Oper gegenwärtig gern als Komödie verfremdet. Regisseure und Publikum haben kein Verständnis mehr für die tiefgreifenden emotionalen Erschütterungen und Gefühlstiefen der Barockzeit, die damals das Anliegen dieser Opern bestimmten. Die Handlung war nebensächlich, die handelnden Personen meist der Geschichte oder Mythologie in sehr freier Form entlehnt. Man wollte vor allem in optischen (Bühnenbild, Kostüme) und musikalischen Genüssen (Sänger, Orchester) schwelgen.

 Dem stehen Regisseure und erst recht junge Leute jetzt meist verständnislos gegenüber. Möglicherweise nahm Händel den Inhalt seinerzeit auch nicht sehr ernst und ließ die Situationen im „Xerxes“ als eines seiner letzten Opernwerke, 1738 für das King’s Theatre am Haymarket in London komponiert, durch seine Musik immer wieder am Rande der Tragik ins Komische kippen.

 Mit der Inszenierung gab nun Jasmin Solfaghari, eine „Schülerin“ von Götz Friedrich, die schon an der Hamburgischen Staatsoper, in Bremerhaven, an der Deutschen Oper Berlin, der Oper Köln und an der Dresdner Staatsoperette sowie in Klagenfurt, Biel, Augsburg, bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen und den Eutiner Festspielen tätig war, ihr Debüt an der  Hochschule für Musik Dresden.

 Das Konzept dieser Inszenierung beginnt recht gegenwärtig. Die von Xerxes besungene Platane wurde auf die – bunt „beklebte“ – Kontur (wie eine abstrahierte Hirschkuh) eines abgeholzten Baumes reduziert. Wer weiß, was ein Baum in arabischen Ländern bedeutet, der grünt und Schatten spendet und den sich nur leisten kann, wer über Wasser verfügt, z. B. der König, versteht auch, warum er von Xerxes so bewundert und hinreißend besungen wird, aber Natur ist zurzeit auf den Opernbühnen nicht „in“.

 Die schöne Romilda breitet eine Decke, offenbar für ein Sonnenbad, aus und liest ein Buch, was dem hier recht zurückhaltenden Xerxes natürlich nicht entgeht und er sie (mehr dem Text nach als in Gesten) begehrt. Zunehmend steigert sich das Bühnenbild bis zu einem arabischen Basar mit seinem bunten Treiben und einem Hauch von 1001 Nacht. Bühne und Kostüme (Maira Bieler, Romina Kaap) sind gegenwartsbezogen, modern und mit einigen historisierenden, aber auch exotischen Elementen. Sie entbehren trotzdem nicht eines gewissen Charmes. Nebens einer großen grauen, unheilverkündenden Wand, wie die eines Herrscherpalastes, erscheint ein Turm im fantasievollen arabisch-maurischen Stil. Eine Art fahrbarer Kleiderständer wird zum Liebesgemach des Königs, später samt Turm „entblättert“ und nur noch als kahles Gerüst zu sehen. Das Umherschieben der Kulissen ist in die Handlung einbezogen. Zuweilen vernebelt  Dampf den Blick. Es gibt viele Zwischenvorhänge, durchsichtige und samtene, die das Bild beleben und über die Dauer der Vorstellung mit den vielen Arien für Abwechslung sorgen und schwarze Schattengestalten, die hinter einem schwarzen durchsichtigen Vorhang vorbeihuschen und – nicht sehr ernsthaft – die intrigierenden Protagonisten andeuten – viele amüsante Szenen und witzige Gags. Man spielt mit dem Publikum und mit dem (offenen) Feuer, alles flott und spritzig erdacht und realisiert.   

 Gewalt darf allerdings auch nicht fehlen, wenn auch hier nur in Nebenszenen, und das bei dem großen Humanisten Händel, der mit seiner Musik die Menschen nicht nur zu unterhalten, sondern zu bessern wünschte.  

 Das Hochschulsinfonieorchester unter der umsichtigen Leitung von Franz Brochhagen eröffnete die Oper mit der sehr ansprechend gespielten Ouvertüre und hielt kontinuierlich während der gesamten Aufführung, was es versprach. Es musizierte makellos auf alten, z. T. exotisch anmutenden, Instrumenten über die beachtliche Dauer der Aufführung mit unverminderter jugendlicher Frische, erstaunlicher Exaktheit, sehr zuverlässig und mit schlankem Ton. Brochhagen vermittelte eine geradlinige, unkonventionelle Auffassung, fernab von opulentem barockem Klangrausch, aufrichtig und direkt, aber angenehm anzuhören, und orientierte auf eine flüssige, zügige Wiedergabe, ohne zu eilen.

 Mit einer Ausnahme entsprach die Sängerbesetzung bei dieser 3. Aufführung der Premierenbesetzung. Die jungen Sängerinnen und Sänger vollbrachten bei ihren zahlreichen Arien beachtliche Leistungen an Stimmtechnik, Stilsicherheit und Kondition.

 In der Titelrolle konzentrierte sich Patricia Osei-Kofi vor allem auf guten, stilgerechten Gesang, weniger auf die Darstellung, die man bei Xerxes, König von Persien unbedingt erwartet, denn schon allein der Name bedeutet „Herrschend über Helden“, wenn er sich auch – typisch Barockoper – mehr privat als liebender, träumender Herrscher präsentiert. Sie wirkte, abgesehen von ihrem passablen Gesang, wenig „königlich“, eher zurückhaltend und befangen und unterschied sich darstellerisch mit ihrer schülerhaft naiven Spielweise (typisch Student) kaum von ihren „Gegenspielern“. Naturgemäß hatte sie es auch nicht leicht mit dem berühmten „Ombra mai fù„, das man von so vielen  berühmten, außergewöhnlich guten Sängern und Sängerinnen kennt, die gerade mit dieser Arie Furore machten.

 Maria König überzeugte schon eher als, wegen ihrer Schönheit von Xerxes begehrte, Romilda. Sie spielte glaubwürdig und sang gut, wenn auch ihre Stimme in der Höhe leicht guttural und manchmal sogar ein wenig schneidend wirkte.

 Als ausgesprochenes Theatertalent erschien Teresa Suschke als Romildas Schwester Atalanta. Sie zeigte sowohl im Gesang als auch im Spiel eine reife Leistung, die manchem Theater zur Ehre gereichen könnte. Sie ging „aus sich heraus“, spielte locker, spritzig und weniger naiv als ihre Kommilitonen. Die bei ihrer, vor dem Vorhang gesungenen, großen Arie ein einziges Mal mehr erzwungene, als gelungene Höhe fällt da kaum ins Gewicht. Schließlich kam sie dem Gesangsstil, den man bei Händel erwartet, am nächsten.

 Äußerlich nicht unbedingt wie der begehrter Liebhaber Arsamenes, Bruder des Xerxes, wirkte der gebürtige Südkoreaner Sunghwan Sa wegen seiner Körperfülle, aber er sang sehr gut.

 Amastris, die Braut des Xerxes wurde von Leandra Johne nicht schlecht gesungen und burschikos gespielt. Man glaubte ihr den Anführer des Heeres in ihrer Verkleidung und auch, dass sich Xerxes nach einer zarteren Geliebten umsah, obwohl er am Ende doch reumütig auf sie „zurückkommt“.

 Die weniger umfangreiche Rolle des Ariodates, Feldhauptmann des Xerxes, füllte Pawel Kolodziej aus. Er sang laut und hart wie ein Krieger und mit beachtlicher, sicherer Tiefe.

 Die Rolle des Elviro, Diener des Arsamenes, machte Philipp Schreyer als „ewiger Kofferträger“ zum komischen Gegenspieler  a la „Papageno“ – nur wesentlich simpler – und sich damit zu einem der Lieblinge des Publikums, das sich herzlich amüsierte. Da passte auch sein etwas unbeholfener Gesang zur Rolle.

 Der Chor der Studienrichtung Gesang passte gut zu den Gesangsleistungen der Solisten. Er führte u. a. auch einen erstaunlichen, an folkloristischen Tänzen eines Reitervolkes orientierten, „Knüppeltanz“ mit Stöcken auf, ohne wirklich zu tanzen, aber die Wirkung war perfekt. 
 
Obwohl deutsch gesprochen und italienisch gesungen wurde und man sowohl in der einen als auch in der anderen Sprache kaum ein Wort verstehen konnte, war es ein optisch ansprechender, kurzweiliger und vor allem musikalisch ansprechender Abend. Die Bühne brachte viel Abwechslung immer im richtigen Moment, um die Aufmerksamkeit wach zu halten. Da konnte man die Musik immer wieder von neuem genießen.

 Ingrid Gerk

 

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