Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DRESDEN/Semperoper: 8. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT CHRISTOPH ESCHENBACH UND GAUTIER CAPUCON

Dresden / Semperoper: 8. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT CHRISTOPH ESCHENBACH UND GAUTIER CAPUCON 1. 4. 2014

 Christoph Eschenbach stand schon mehrmals als Gast am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden und wird neben Christian Thielemann auch einige Konzerte zu den diesjährigen Salzburger Osterfestspielen leiten. Ein Konzert davon konnten die Dresdner schon vorab als 8. Symphoniekonzert erleben.

Wie eine Klammer bildete die Thematik um den Frauenhelden Don Juan Anfang und Ende des Programmes. Am Anfang stand die Ouvertüre zu W. A. Mozarts Oper „Don Giovanni“ (KV 527) mit dem Konzertschluss von Ferrucio Busoni (1866-1925), der ein glühender Verehrer Mozarts war und dessen Melodik immer durchscheinen lässt. Obwohl es sich nach Mozarts Bezeichnung um ein „Dramma giocoso“ handelt, d. h. eine heitere Oper, die allerdings auch schon bei Mozart sehr ernsthafte, dramatisch-tragische Züge trägt, verlegte sich Eschenbach ganz auf eine furiose Gestaltung der schon vorweggenommen Höllenfahrt des, sich gewissenlos allen Genüssen des Lebens hingebenden Titelhelden, die in der Ouvertüre schon angedeutet wird, um in die Oper einführen. Hier wurde die „Höllenfahrt“ schon so vehement interpretiert wie das dramatische Ende des Egomanen.

Annähernd 100 Jahre später verarbeitete Richard Strauss den in Literatur und Musik beliebten Stoff, wobei er sich weniger auf Mozart, als vielmehr auf die Dichtung von Nikolaus Lenau bezog. In seiner Tondichtung für großes Orchester „Don Juan“ (op. 20) setzte Eschenbach ebenfalls sehr auf sein „Markenzeichen“ der starken Kontraste und vor allem Lautstärke in einem expressiven Taumel. Die Kapelle konnte mit äußerster Gewissenhaftigkeit, perfektem Zusammenspiel und großem Können durchaus „mithalten“. Eschenbach hielt sich aber öfters auch zurück, so dass die Kapelle mit ihrer Spezialität, dem exzellenten Ausmusizieren und schönen solistischen Einsätzen der Instrumente „punkten“ konnte.

Die Musikerinnen und Musiker steigerten sich immer mehr in die Welt der Strauss’schen Musik hinein, wobei sie sich nicht nur mit perfekten Äußerlichkeiten zufrieden gaben, sondern die Musik auch inhaltlich und geistig verarbeiteten und entsprechend wiedergaben, was sich dem Zuhörenden bewusst oder unbewusst mitteilte. Das ist neben dem besonders feinsinnigen Klang zwischen Pianissimo und Mezzoforte und den oft hinreißenden Soli der Kapellmusiker (wie hier u. a. das kurz solistisch führende Cello), das Alleinstellungsmerkmal der Sächsischen Staatskappelle, wodurch sie sich von so vielen, perfekt spielenden, Orchestern der Welt unterscheidet. Das sollte der musikalischen Welt erhalten bleiben.

 Bei Eschenbach muss es immer spannungsgeladen „krachen“. Er arbeitete vor allem die exzessiven Liebesabenteuer des Don Juan heraus, dessen Lebenskraft nach einem überbordenden erotischen Taumel, bei dem Eschenbach ganz in seinem Element war, matt und erschöpft endet. In einem furiosen letzten „Auftritt“ Don Juans gab Eschenbach und mit ihm das Orchester noch einmal alles für ein großes Aufbäumen des Titelhelden als Höhepunkt, der sein letzter war, dann versagt die Kraft, der „Brennstoff“ ist verbraucht und der Held ausgezehrt, was musikalisch in einem großen, sehr feinsinnigen Decrescendo ausklang – auch eine besondere Spezialität der Kapelle.

Anlässlich des 150. Geburtstages von Richard Strauss stand noch ein weiterer „Don“ aus dessen Feder auf dem Programm, der „Don Quixote, Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters“ (op. 35). Eschenbach, setzte auch hier auf starke Kontraste und lautstarken Taumel, ließ aber auch Solo-Cellist und Kapelle oft freien Raum, worauf beide mit sehr schönen Soli- und Orchesterpassagen in gegenseitiger Übereinstimmung und vor allem dem Umsetzen des Inhalts mit musikalischen Mitteln reagierten. Das Cello-Solo, das hier den spleenigen Don Quixote als vornehmen Adligen und versponnenen Utopisten verkörpert, wurde von keinem geringeren als Gautier Capucon sehr eindrucksvoll, mit großer Virtuosität, Sicherheit und Klarheit auf seinem tonintensiven Cello besonderer Bauart aus der 1. Hälfte des 18. Jh. gespielt. Es ergaben sich viele schöne und gekonnt gespielte Passagen, ein schönes Zusammenwirken zwischen Capucon und der, den dicken, bauernschlauen Sancho Pansa darstellenden Bratsche (Michael Neuhaus), der Solovioline (Yuki Manuela Janke) und weiteren Orchestersolisten – untereinander und miteinander. Es gab viele, sehr gute, aneinandergereihte Passagen und ein wunderbar klangvolles Ausklingen am Ende des Werkes, aber man vermisste bei diesen „Fantastischen Variationen“ die große Linie durch eine führende Hand seitens des Dirigenten.

Ähnlich wie Strauss im „Don Quixote“ bezieht sich Wolfgang Rihm, in dieser Konzertsaison Capell-Kompositeur der Sächsischen Staatskapelle, in seiner Komposition „Verwandlung 2″ in einer etwas anderen Form auf das Prinzip des Variierens, den Umgang mit Tönen und musikalischen Elementen. „Verwandlung 2“ ist Bestandteil einer Reihe von bisher 5 Orchesterstücken, von denen „Verwandlung 5“ im Februar dieses Jahres von der Sächsischen Staatskapelle unter David Robertson erstaufgeführt wurde. Eschenbach, der von Rihms Musik und dieser Komposition mit der Idee der permanenten Transformation sehr angetan ist, hatte „Verwandlung 2″ vor einigen Jahren schon in Philadelphia aufgeführt. Vom 1. Takt an befindet sich das Klanggeschehen in einem Prozess des steten Wandels von ineinanderfließenden musikalischen Phasen und Klangfarben, bei denen das Ausgangsmotiv mal im Vorder-, mal im Hintergrund erscheint und das Orchester stetig anwächst, beginnend mit nur wenigen Streichern und Holzbläsern. Rein theoretisch mag es ein sehr gut gearbeitetes Werk sein, beim reinen Hören dachte man aber doch manchmal unterschwellig an Heinrich Heines „Ich weiß, nicht, was soll es bedeuten“.

 Das Konzert hinterließ einen etwas zwiespältigen Eindruck, teils großartiges Musizieren von Solist, Orchestersolisten und Orchester, hin und wieder gewaltige Klangballungen mit entsprechender Laustärke und leider wenig klare Linien. Eschenbach liebt es, das Orchester zu höchster Ekstase, Expressivität und Leistungsfähigkeit anzuspornen. Die Staatskapelle meistert das sehr mit bewundernswerter Kongenialität und spielt auch dann noch sehr exakt und gut. Die Kunst des Musizierens besteht aber nicht nur in Kraft und Lautstärke bis an die Grenzen des Machbaren (und Hörbaren), sondern vor allem in der Ausarbeitung des Inhaltes eines Werkes, in feineren, auch leisen Passagen, in der Ausarbeitung langsamer Sätzen und dem geistigen Verarbeiten des Inhaltes eines Werkes. Die Sächsische Staatskapelle hat darin Maßstäbe gesetzt.

 Bemerkung am Rande: Man sollte zwar Musik nicht nach Äußerlichkeiten beurteilen, aber es mutet schon seltsam an, wenn alle Musiker im Frack und die Musikerinnen im schwarzen Abendkleid erscheinen, der Dirigent aber (nur) im schwarzen Anzug individuellen Zuschnitts.

 Ingrid Gerk

 

Diese Seite drucken