Dresden / Semperoper: “DRESDNER OPERNGAGLA“ – 3.12.2013 – Pr. 27.11.2013
Christoph Pohl und Carolina Ullrich mit Conradin Kreutzer: “Nachtlager von Granada” . Foto: Semperoper
War die erste Operngala (2011) dem italienischen Verismo gewidmet und die zweite (2012) „À la Française“ gestaltet, brachte die dritte nun Ausschnitte aus dem deutschsprachigen Musiktheater des 19. Jh., das aus der Orientierung auf eine nationale deutsche Kultur mit einer eigenständigen deutschen Oper als Gegenbewegung zu der bis dahin dominierenden italienischen Oper entstand.
Unter dem vielversprechenden Thema „Von Vampiren, Helden und Königskindern“ brachte diese Operngala in einem vielseitigen Programm Arien, Duette, Ensembles, Chöre und verbindende Orchesternummern aus „Romantischen deutschen Opern“, worunter Opern sehr unterschiedlichen Sujets und verschiedener Stilrichtungen von sehr unterschiedlich orientierten Komponisten des 19. und beginnenden 20. Jh. zusammengefasst werden. Jede dieser Opern weist ihre eigene Thematik, ihr eigenes Flair und die besondere „Handschrift“ ihres Komponisten auf.
Hier standen vor allem lange bis sehr lange nicht mehr in und um Dresden aufgeführte, bedeutende deutsche Opern auf dem Programm, die unbedingt Wert sind, aufgeführt oder zumindest in Erinnerung gebracht zu werden: von Carl Maria von Weber („Oberon“), Heinrich Marschner („Der Vampir“), Conradin Kreutzer („Das Nachtlager von Granada“), Friedrich von Flotow („Martha“) , Albert Lortzing („Der Wildschütz“, „Zar und Zimmermann“), Otto Nikolai („Die lustigen Weiber von Windsor“), Wilhelm Kienzl („Der Kuhreigen“), Max von Schillings „Mona Lisa“), Franz Schreker „Der ferne Klang“), Franz Schmidt („Notre Dame“), Erich Wolfgang Korngold („Die tote Stadt“), Alexander von Zemlinsky („Der Traumgörge“) und Engelbert Humperdinck („Dornröschen“).
Diese Opern entstanden unmittelbar vor, zwischen und nach denen der beiden „Hausgötter“ und Jubilare dieser Spielzeit, Richard Wagner und Richard Strauss, die jedoch beide nicht mit ihren Opern vertreten waren. Schließlich sind sie im Spielplan fest verankert.
Es gab Gelegenheit, in großen Auftritten mit ausschließlich hauseigenen Kräften die besten und/oder populärsten Opernarien und Szenen dieser (fast) vergessenen, mitunter sogar jetzt unbekannten Opern, die seinerzeit Furore machten, live (und nicht nur von der CD) zu erleben.
Sächsische Staatskapelle Dresden und Sächsischer Staatsopernchor Dresden (Einstudierung: Pablo Assante) entsprachen ganz dem Charakter einer großen Operngala und verliehen dem Abend entsprechenden Glanz. Es überrascht immer wieder – obwohl es nun schon fast zu einer schönen „Gewohnheit“ geworden ist – mit welcher Akribie, musikalischem Verständnis und Klangschönheit sich die Staatskapelle den unterschiedlichsten Werken sehr unterschiedlicher Epochen widmet und sie auf allerhöchstem Niveau mit allen Feinheiten, besonderen Details und inhaltlichem Verständnis zur Aufführung bringt. Die Kapelle ist zurzeit eines der wenigen Orchester, bei denen selbst die Pauke immer, in wohl „dosiertem“ Maß und sehr gut differenzierend, ihrer Funktion als niveauvolle Akzentuierung des Orchesterklanges gerecht wird, immer im Sinne der Komposition.
Bereits die großartig musizierte „Oberon“-Ouvertüre von C. M. v. Weber als Entree war ein musikalischer Genuss und einer großen Operngala würdig. Der Dirigent des Abends, der estnischen Dirigent Mikhel Kütson (Niedersächsische Staatsoper Hannover, Schleswig-Holsteinisches Landestheater, Theater Krefeld und Mönchengladbach) arbeitete den temperamentvoll einsetzenden zweiten Teil der Ouvertüre als starken Kontrast zum ersten, sehr sanften, von der Kapelle in seiner Zartheit „ausgekosteten“, Teil heraus und führte das Orchester währende des Abends zu Glanzleistungen bei den Vor- und Zwischenspielen, wie dem besonders leidenschaftlich gestalteten „Intermezzo“ aus „Notre Dame“(ein „Klangrausch“!), und der hilfreicher Unterstützung der Sängerinnen und Sänger.
Die Kapelle war in allen Gesangsnummern und –szenen das großartige, für die Solisten sehr rücksichtsvolle Fundament, auf dem sie aufbauen konnten und von dem sie getragen wurden. Es gab gute Ensembleszenen und einzelne sehr gute Darbietungen von Arien mit und ohne den stets gut mitgestaltenden Staatsopernchor, der hier in seinem Element war und beispielsweise hinreißend den „Mondchor“ aus den „Lustigen Weibern“ in besonders schöner Harmonie mit dem „säuselnd“ einsetzenden und die Stimmung mit den Instrumenten „malenden“ Orchester sang.
Von den Solisten bestachen vor allem Elena Gorshunova mit der berühmten „Letzten Rose“ aus „Martha“ und „Wer das verstünd“ aus Zemlinskys „Traumgörge“ sowie Christof Pohl mit der Arie „Mein Sehnen, mein Wähnen“ („Die tote Stadt“), die er mit schöner, voller, gut klingender Stimme und reifer Gestaltung zu Gehör brachte, sehr gut mitgestaltend ergänzt von den Damen des Staatsopernchores.
Desweiteren sangen Majorie Owens, deren Timbre und sonst so ansprechende Stimme nicht so ganz zu der, von ihr relativ langsam und mit weniger Dramatik als üblich gesungenen, Arie der Rezia „Ozean, du Ungeheuer“ aus „Oberon“ geschaffen schien, Carolina Ullrich mit ihrer hübschen, aber nicht sehr kräftigen Stimme, Christel Lötzsch (Junges Ensemble), Michael Eder, der mit seiner vollen Stimme und guten Tiefe (wenn auch mitunter leicht flackernder Höhe) der Rolle des Baculus mit seinen „Fünftausend Talern“ Gewicht gab, Markus Butter und Jürgen Müller sowie Mitglieder des Jungen Ensembles und des Staatsopernchores, die mit solistischen Aufgaben in den Ensembleszenen betraut waren. Für den erkrankten Tomislav Muzek waren kurzfristig Simeon Esper, Benjamin Bruns und Mati Turi in verschiedenen Szenen eingesprungen.
Das Programm war sehr vielseitig und abwechslungsreich, gespickt mit „Ohrwürmern“. Leider führte die Gestaltung von den Opern ernsteren Inhalts über die geheimnisvollen, heldenhaften und heiteren bis zu den märchenhaften am Schluss nicht ganz zu dem gewünschten Effekt beim Publikum. Das mit Hinblick auf die Weihnachtszeit vielleicht gut gemeinte, von Carolina Ullrich und Christel Lötzsch sowie dem Chor gestaltete „Himmelfahrt, Sphärenreigen und Sonnenaufgang“ aus Humperdincks „Dornröschen“, als „Finale“ und Gegenstück zu der eingangs grandios gespielten „Oberon“-Ouvertüre ließ den Abend etwas unspektakulär ausklingen, der doch so viel Gutes und Schönes enthielt.
Ingrid Gerk