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DRESDEN/ FRAUENKIRCHE: KONZERT SHARON KAM

Dresden/Frauenkirche: JUBEL UM SHARON KAM 9. 11. 2013

Unbenannt
Sharon Kam

 Ihr eilt der Ruf einer Meisterinterpretin auf der Klarinette voraus, den sie in jedem ihrer Konzerte immer wieder aufs Neue bestätigt und noch übertrifft. Sie spielt mit ungeheurer Leichtigkeit und traumwandlerischer Sicherheit, beherrscht alle Nuancen eines facettenreichen und feinsinnigen Spiels und verleiht jedem Werk die adäquate Klangfarbe und das entsprechende Flair.  

 In der Reihe „Bläsermusik virtuos“ – dieses Mal nicht von der Trompete dominiert, sondern von der Klarinette – trat Sharon Kam mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn unter seinem Chefdirigenten und Künstlerischen Leiter (seit 2002) Ruben Gazarian auf. Zwischen Solistin und Orchester bestand eine besondere musikalische und geistige Harmonie, da beide eine klassisch klare Musizierweise bevorzugen.

 Als Eröffnung spielte das Kammerorchester lebensprühend und trotz zügigem Tempo, sehr diszipliniert, mit geschickter, unauffälliger Stufendynamik und vor allem klassischer Klarheit und sehr schönem, einheitlichem Gesamtklang die dreisätzige „Sinfonie d-Moll (op. 12 Nr. 4) „La Casa del Diavolo“ („Das Haus des Teufels“) von Luigi Boccherini (1743-1805), die er, inspiriert von der Uraufführung von C. W. Glucks Ballett „Don Juan“ mit der Höllenfahrt des Frauenhelden, komponierte.

 Ihren Soloauftritt begann Sharon Kam im Verdi-Jahr mit einer Reminiszenz an den Maestro der großen italienischen Oper, der die Belcanto-Arien als Ausdrucksmittel großer Gefühle in dramatischer Handlung wiederbelebte. In einer Bearbeitung (Andreas N. Tarkmann) spielte sie, sehr behutsam und feinfühlig einstimmend und einfühlsam vom Württembergischen Kammerorchester begleitet, das „Ave Maria“ aus der Oper „Othello“, mit ganz besonderer Klangschönheit und singendem Ton, so seelenvoll, wie es die menschliche Stimme nicht schöner hervorbringen kann. Orchester und Klarinette bildeten eine Einheit voller Innigkeit und Sensibilität, die die Töne im Raum schweben und das Publikum in atemloser Stille verharren ließ.

 Ebenso meisterhaft folgten „Drei Romanzen“ von Verdi (Bearbeitung: Jonathan Seers).

 Bei der Arie „Paolo e Virginia“ von Amilcare Ponchielli (1834-1886) (Bearbeitung: Tarkmann) gesellte sich zur Klarinette – hier mit herzhafterem Ton – die Solo-Violine (Konzertmeister Zohar Lerner) hinzu und fügte sich in den Gleichklang von Solisten und Streichorchester gut ein. Das Orchester spielte in mittlerer Besetzung, doch welche Klangfülle!

 Spätestens seit Mozarts „Klarinettenkonzert“ gilt die Klarinette als das der menschlichen Stimme am meisten ähnelnde Instrument. Was Wunder, dass sich Sharon Kam für mehrere Opernbearbeitungen entschied, so auch für „Drei Kanzonen“ von G. Puccini (Bearbeitung: Tarkmann) mit den Sätzen „Sole e Amore“ (Studie zu „La Bohème“), „Storella d’amore“ und „Ore dolce e divino“ (aus „La Rondine“). Die seelische Stimmung der Opernszene in „La Bohème“ wurde mit solcher Klarheit und Durchsichtigkeit gespielt und so echt nachempfunden, dass sie stark berührte.

 Von Puccini erklangen außerdem die „Crisantemi“ (Beabeitung: Lukas Drew) und von G. Rossini die Arie „Del periglio al fero aspetto“ (aus“Mahometto II.“).

 Über ein Programm mit vorwiegend Bearbeitungen von Opern und anderer Werke kann man geteilter Meinung sein, aber wenn sie so meisterhaft interpretiert werden, muss man einfach zustimmen.

 Sharon Kam scheint mit ihrem Instrument wie in einer Art Symbiose verwachsen zu sein. Sie folgt den melodischen Gesangslinien und vermag sie, obwohl instrumental, noch zu überhöhen. Sie verfügt über einen runden, schönen, ausgewogenen Ton und frappierende Technik mit allen Facetten an Feinheiten, und beherrscht die ganze Gefühls-Skala von melancholisch bis heiter-fröhlich mit großer Perfektion.

 Den virtuosen Abschluss bildete die „Suite für Streichorchester“ als Bearbeitung (Tarkmann) von Ermanno Wolf-Ferraris veristischen Opern „Susannes Geheimnis“, „Der Schmuck der Madonna“ und „Die vier Gobiane“, die früher oft in den Spielplänen der Opernhäuser zu finden waren, jetzt aber seltener – warum eigentlich? Wolff-Ferraris Musik verfügt über eine sehr eingängige, mitreißende Melodik, Charme, Temperament und Humor.

 Für den einhelligem, sehr herzlichen Beifall bedankten sich Sharon Kam, Orchester und Dirigent mit einer besonderen Zugabe: einem „Bolero“, hier einmal nicht von Ravel, sondern von Rossini! So ganz nebenbei erfährt man in der Frauenkirche auch immer wieder ein Bildungserlebnis.

 Ingrid Gerk

 

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