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DRESDEN: Dresden / Semperoper: 5. SYMPHONIEKONZERT der Sächsischen Staatskapelle

Dresden / Semperoper: 5. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN 3. 2. 2014

Man hatte sich auf Georges Prêtre und sein Programm mit Werken von César Franck und Ottorino Respighi gefreut, aber leider musste er krankheitsbedingt absagen. Dafür kam David Robertson mit einem anderen Programm, das u. a. eine neue Komposition mit dem Titel “Verwandlung 5“ von Wolfgang Rihm, dem aktuellen Capell-Compositeur, enthielt, für die bereits im Dezember (im 4. Symphoniekonzert) die deutsche Erstaufführung mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter Franz Welser-Mösts Leitung vorgesehen war, aber infolge seiner Krankheit nicht stattfinden konnte. Welser-Möst hatte „Verwandlung 5“ bereits im vergangenen Jahr (20.11.) im Großen Saal des Wiener Musikvereins mit dem Cleveland Orchestra uraufgeführt.

 Nach Rihms Aussagen sollte das Werk eine Art „heiterer Satz“ sein, „licht, schnell und gelenkig“, der einige Nähe zu Richard Strauss erkennen lässt. Unter Robertsons Leitung wurden aber die am Anfang in größeren Intervallen „hingehauchten“ Klänge sehr bald durch ziemlich massive, laute Klangballungen abgelöst, die von der Kapelle mit ihrer gewohnten Exaktheit und Klangqualität umgesetzt wurden.

 Danach erschien die ukrainisch-amerikanische Pianistin Valentina Lisitsa, die ihre Fan-Gemeinde bei YouTube mit selbstproduzierten Clips sammelt, aber auch Erfolge bei Wettbewerben vorweisen kann und seit ihrem spektakulären Debüt (2012) in der Londoner Royal Albert Hall die Konzertpodien weltweit von Chicago über San Francisco, Pittsburgh, Paris und London erobert hat, zu ihrem Debüt bei der Sächsischen Staatskapelle, blond und in großer roter Robe („rot“ soll nach ihrer Meinung gut für Publicity sein). Angst vor Kritik, z. B. bei YouTube, hat sie nicht, denn sie ist sich selbst die härteste Kritikerin.

Nachdem sie ihre rote Stoffwolke auf dem Klavierhocker verstaut hatte, begann sie unspektakulär mit dem Solopart der „Paganini-Rhapsodie“ von Sergej Rachmaninov. Obwohl sie das Publikum gern emotional ansprechen möchte, wozu sie durchaus in der Lage ist, was einzelne Piano-Passagen verrieten, hat sie sich ganz auf die moderne Zeit und den amerikanischen (Business-)Geschmack eingestellt. Sie orientierte vorwiegend auf Virtuosität und Bravour, oft mit motorischer Lautstärke, die aber nie weh tat, da ihr kraftvoller, von Musikalität geprägter Anschlag, bei dem sie über eine besondere musikalische Farbigkeit verfügt, die letzte Härte vermeidet, und ihre perlenden Läufe das Ohr erfreuen. Man kennt Rachmaninov auch anders, feinsinniger, von Vladimir Horowitz geprägt. Diese, hier präsentierte, kraftvolle Version, bei der die Virtuosität im Vordergrund stand, schien vor allem dem russisch-amerikanischen Idol geschuldet (in Amerika gelten auch die Ukrainer als „Russen“).

Für den begeisterten Applaus bedankte sich Valentina Lisitsa mit 2 Zugaben, Franz Schuberts Ave Maria“ mit Variationen und „La Campanella“ von Franz Liszt, womit sie noch einmal den Bezug zu Rachmaninows „Paganini-Rhapsodie“ herstellte. Bei „La Campanella“ steigerte sie sich wie mit virtuosen „Hexenkünsten“ immer mehr in das Stück hinein, so dass es in einem atemberaubenden, aber exakt gespielten, Taumel endete.

 Sehr auf Lautstärke setzte auch David Robertson bei der während des 2. Weltkrieges (1944) entstandenen „Symphonie Nr. 5 B‑Dur“ op. 100 von Sergej Prokofjew, von der er behauptete, sie sei ein “rein optimistisches Werk“ – ironisch, oder grotesk gemeint, wirklich von so optimistischer Überzeugung, dass die Menschen den Alptraum des 2. Weltkrieges überstehen würden, oder diplomatisches Geschick in der Stalin-Ära? In der Symphonie geht es um Liebe, Kampf und Zuversicht „wie in einem Roman“. Unter Robertsons Stabführung stand allerdings der Kampf lautstark im Vordergrund, wenn auch neben den hämmernden, bedrohlichen Rhythmen immer wieder optimistische Anklänge aufleuchteten. Er war der umsichtige musikalische Leiter, stark auf die aufführungspraktische Seite orientiert, weniger der „geistige Vater“, der das Werk bis in seine Tiefe auslotet. Die Kapelle spielte sehr sauber, klar und durchsichtig, trotz aller Klangwucht immer noch angemessen, aber dennoch wurde hier m. E. einiges von dem wertvollen geistigen Potential, über das die Kapelle zweifellos verfügt, verschenkt. Man ist in Dresden zurzeit sehr verwöhnt.

Ingrid Gerk

 

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