Dresden Semperoper: SOIREE: „RICHARD STRAUSS PERSÖNLICH“ – 2.4.2014
Im Strauss-Jahr stehen vielerorts die bekanntesten Opern des Jubilars auf dem Spielplan, allen voran der „Rosenkavalier„. Die Semperoper fühlt sich ihrer Strauss-Tradition verpflichtet und führt mehrere, auch weniger bekannte, Opern auf. Im Programm der Sächsischen Staatskapelle sind ebenfalls Kompositionen von Strauss gut vertreten.
Im Rahmen einer „Soiree“ entführte nun Johannes Wulff-Woesten, Solorepetitor und Studienleiter an der Semperoper, Assistent und Solorepetitor der Bayreuther Festspiele und Komponist, als Spiritus rector und Begleiter am Konzertflügel, zusammen mit Sängerinnen und Sängern der Semperoper und des Jungen Ensembles sowie 2 versierten Instrumentalisten der Sächsischen Staatskapelle Dresden in die intimere Welt des Liedschaffens von Strauss, ergänzt durch einige Opernausschnitte. In einem wohl durchdachten Programm wurde der relativ kleine, interessierte Zuhörerkreis mit den Zusammenhängen zwischen ganz persönlichen Begebenheiten im Privatleben des Komponisten und den daraus resultierenden Schaffensmomenten, denen die Menschheit großartige kleine oder größere Werke verdankt, bekannt gemacht. Dramaturg Stefan Ulrich führte durch das Programm.
Den Reigen bekannter und beliebter sowie selten aufgeführter kleiner Meisterwerke aus dem reichen Schatz von 150 Liedern des Meisters eröffnete Christa Mayer mit der „Zueignung“ und bewies einmal mehr, dass sie eine Sängerin von Format mit schöner Stimme ist, die nicht nur u. a. eine exzellente Brangäne im „Tristan“ singen kann, sondern auch eine eindrucksvolle Liedgestalterin ist, was sie mit „Cäcilie“ und der stürmischen Liebeswerbung „Die Georgine„, die Strauss im Überschwang der Gefühle neben der „Heimlichen Aufforderung„, schrieb, als er gerade in Weimar als 2. Kapellmeister seinen „Guntram“ dirigierte und sich nach einer heftigen Auseinandersetzung mit der Sängerin Pauline de Ahna (1894) verlobt hatte, noch bekräftigte.
Um die berühmte, wunderbar sensibel am Klavier begleitete, „Heimliche Aufforderung“ sowie die „Barkarole“ bemühte sich Christopher Tiesi vom Jungen Ensemble. Allerdings war Strauss mitunter kaum zu erkennen. Aaron Pegram versuchte mit lauter, schriller, bis an seine Grenzen gehender Stimme mit „Freundliche Vision“ und „Ich liebe dich“ zu beeindrucken.
Bei der kleinen, aber feinen Komposition des 14jährigen Richard Strauss „Alphorn“ – sein Vater war Erster Hornist am Hoforchester München – bildeten das von Jochen Ubbelohde mit allen Feinheiten und schönen Details hervorragend geblasene und dezent mitgestaltende Horn und die versierte Klavierbegleitung einen wunderbaren Rahmen für eine ebensolche Liedgestaltung, der aber von Markus Butter nicht unbedingt genutzt wurde. Man hätte sich dafür gern ein geeigneteres Timbre gewünscht. Das „Lied an meinen Sohn„, das Strauss komponierte, als er gerade Vater geworden war und gleich seinen Sohn „zu mehr Selbstvertrauen“ ermuntern wollte, wurde zwar von Butter mit kleinen Gesten unterstützt, konnte aber trotz seines positiv zu wertenden Bestrebens nicht über die gutturale Stimme hinwegtäuschen.
Mit einer anderen Liebesbekundung für Sohn Franz, dem sehr innig und mit schöner Stimme gesungenen „Meinem Kinde„, einer sensibel gestalteten Liebeserklärung an Frau und Sohn, sowie „Meines Herzens Krönelein“ machte Birgit Fandrey, deren Mimi und Pamina in guter Erinnerung sind, darauf aufmerksam, dass sie auch die Kunst des Liedgesanges sehr gut versteht.
Mit der Heirat beendete Pauline Strauss, geb. de Ahna ihre Laufbahn als Opernsängerin, um nur noch Hausfrau zu sein, aber auch eine national und international anerkannte Sängerin der Lieder ihres Mannes und mit ihm auf Tournee zu gehen. 1905, im gleichen Jahr wie die „Salome“ wurde auch die ebenso „frivole“ „Frühlingsfeier“ uraufgeführt, der sich Majorie Owens nach dem besinnlicheren „Morgen“ expressiv und mit sicherer Stimme widmete. Sie beschloss auch den Abend mit „Beim Schlafengehen„, umrahmt von den gefühlvoll schmeichelnden Klängen der Violine Jörg Faßmanns.
Doch bevor es so weit war, konnte Romy Petrick mit ihrer schlanken, klaren Stimme und guter Diktion mit „Schlagende Herzen“ und „Amor“ überzeugen, Christopher Kaplan aber nur bedingt mit 2 Liedern aus dem „Krämerspiegel„, den Strauss als Antwort auf einen ungeduldigen Verleger schrieb und deshalb von einem Gericht verurteilt wurde, „gute“ Lieder zu schreiben, was er denn auch tat, allerdings mit Goethe-Vertonungen, die sehr harte Worte enthalten.
Michael Eder hatte durchaus die Kondition und die Stimme mit sehr guter, klingender Tiefe, die Ansprache des La Roche aus „Capriccio“ zu singen. Zuweilen auch etwas „poltrig“, steigerte er sich immer mehr bis zum triumphalen Ende. Man verstand auch manches Wort, und doch dachte man unwillkürlich an Theo Adam in einer seiner Paraderollen. Da war alles da: schöne Stimme Textverständlichkeit und herausragende Gestaltung. Diese kleine Reminiszenz an einen großartigen Sänger-Darsteller sei hier ausnahmsweise gestattet.
Die Stimmen von Christa Mayer, Romy Petrick und Aaron Pegram waren noch einmal in 2 Terzetten aus dem Singspiel „Des Esels Schatten“ zu hören. Mit dem Finalduett aus „Intermezzo gaben, mit leichten Gesten unterstreichend, die versierte, stimmpräsente Elisabeth Zharoff, bei der auch noch das leiseste Pianissimo klingt, und Markus Butter, der hier „aus sich herausging“ und – nicht schlecht, aber mit sehr gutturaler „großer Opernstimme“, auch etwas schroff und lautstark sang, einen ehelichen „Eklat“ wegen eines vermeintlichen Seitensprunges mit anschließender Versöhnung zum Besten – nach einer wahren Begebenheit im Hause Strauss. Auf der Bühne stand – neben dem Konzertflügel – ein Tischchen mit Rosenstrauß und ein Sessel, auf dem die Original-Dirigier-Partitur von „Intermezzo“ lag, als wäre es im Wohnzimmer der Familie Strauss.
Wenn auch oft die Textverständlichkeit zu wünschen übrig ließ und sehr unterschiedliche Leistungen von Sängerinnen und Sängern geboten wurden, war es doch ein interessanter, abwechslungsreicher Abend mit einem nicht alltäglichen Blick auf die weniger bekannten, kleinen Meisterwerke eines großen Meisters.
Wulff-Woesten war nicht nur ein sehr zuverlässiger, sondern auch intensiv gestaltender Begleiter am Klavier. Wie ein roter Faden zogen sich seine feinsinnigen und agilen Klavierbegleitungen, die in jedem der Lieder und kleinen Szenen dem jeweils unterschiedlichen Charakter der Komposition gerecht wurden, durch die Reihe der, gut durchdacht aneinander gereihten „Nummern“, wodurch er auch für den inneren Zusammenhang der einzelnen Darbietungen sorgte.
Ingrid Gerk