Konzerthaus Dortmund „Rusalka“ konzertant am 15. Mai 2014
Märchenhafte Klänge im Konzertsaal
Foto: Pascal Amos Rest
Wenn vom Konzerthaus Dortmund „Zeitinseln“ angekündigt werden, bedeutete das schon immer, daß Werke eines Komponisten an mehreren Tagen hintereinander aufgeführt werden, meistens auch von demselben Orchester und Dirigenten. Solch eine Zeitinsel widmet sich bis Sonntag dem Komponisten Antonín Dvořák mit seinem Requiem und symphonischer Musik aufgeführt durch das Budapest Festival Orchestra unter Leitung seines Mitbegründers Iván Fischer, wo notwendig ergänzt durch den Philharmonischen Chor Brünn. Begonnen wurde mit dem Opernkomponisten Dvořák und seiner bekanntesten Oper, dem lyrischen Märchen in drei Akten „Rusalka“ auf ein Libretto von Jaroslav Kvapil. Die Geschichte der seelenlosen Wassernixe, die ihr Element aus Liebe zu einem Menschen verläßt, von diesem enttäuscht zurückkehrt, ihn dann mit in den Tod reißt, wurde in den letzten Inszenierungen gar nicht als Märchen dargestellt, sondern tiefenpsychologisch gedeutet oder sogar mit aktuellen Ereignissen in Zusammenhang gebracht. Da läßt eine konzertante Aufführung neben der Freude über die Musik vielleicht nachprüfen, wieweit solche Interpretationen von dieser getragen werden, besonders, da das „lyrische Märchen“ nur wenige grosse dramatische Szenen enthält.
Als einzige der handelnden Personen mit Eigennamen versehen zeigt schon die Bedeutung der Titelpartie, und diese Rusalka sang Pavla Vykopalová in allen stimmlichen Nuancen und Facetten ganz großartig. Leuchtende Legatobögen bis in die Spitzentöne überstrahlten ohne Schärfe das Orchester, ihre p-Kultur war vorbildlich. Dabei machte nicht nur der Hit der Oper, das Lied an den Mond aus dem I. Akt, Eindruck, sondern fast mehr noch zu Beginn des III. Aktes ihre innig gestaltete Arie „Fühllose Flut“, wo sie beklagt, weder zu den Menschen noch zu den Wasserwesen mehr zu gehören. Für den immer kluge und wehmütige Sprüche singenden Wassermann hatte Peter Mikuláš den entsprechend seinem rhythmisch schwierigen Staccato-Motiv den passenden beweglichen Baß. Im längeren Gesang im II. Akt beeindruckte er auch mit Legato bis in tiefe Tiefen. Aleš Briscein sang mit hellem kräftigen Tenor die teils etwas an italienische Oper anklingende Rolle des wankelmütigen Prinzen. Ganz eindrucksvoll gelang in seiner Todesszene sein p bis hin zum hohen b. Sehr viel vorgenommen hatte sich Jolana Fogašová, indem sie sowohl die Mezzo-Rolle der Hexe Ježibaba als auch die dramatische Sopran-Partie der Fremden Fürstin jeweils verschieden gekleidet übernahm. Dafür hatte sie den entsprechend grossen Stimmumfang . Man hatte den Eindruck, daß mit ihrer grossen Stimme ihr die Leidenschaft für den Prinzen vortäuschende Dramatik besser lag als die tieferliegende zynische und rhythmisch-komplizierte Partie der Hexe.
Auch die kleineren Partien waren bestens besetzt, so der Förster mit Jiři Brückler und seinem beweglichen Bariton. In einer szenischen Aufführung wird es schwierig, wenn Nixen im Wasser plantschen oder Waldgeister im Mondschein tanzen und alle dabei singen. Wenn aber so schön gesungen wurde wie hier von den drei Solistinnen, gab es nur Harmonie und Wohlklang zu bewundern. Dabei sang Michaela Kapustová zusätzlich mit beweglichem, kecken Sopran den Küchenjungen. Der Chor, vor allem der Damenchor, sang in der Einstudierung von Petr Fiala prägnant die kurzen Chorpartien und ganz p das Echo des Elfengesangs im I. Akt.
Maßgebend für den Erfolg des Abends war natürlich das Orchester unter der Leitung von Iván Fischer. Betreffend Streicher war es in voller Stärke eines Sinfonieorchesters besetzt, das so nie in einem Orchestergraben Platz gefunden hätte. Das nutzte besonders dem zentralen Thema der Rusalka, das aufblühend in den Violinen oder wehmütig in den tieferen Streichern dem zärtlichen gebrechlichen Charakter der Figur wunderbaren Ausdruck verlieh. Sonst bevorzugte der Dirigent durchaus zügige Tempi und ließ irisierenden Klangfarben und schwierigen häufig wechselnden Rhythmen der Partitur klar hörbar werden. Dasselbe galt für die Naturschilderungen bis hin zum einzelnen Kuckucksruf, Soweit bei einem solchen Orchester möglich, deckte er die Sänger nie zu, was natürlich auch an deren Stimmvolumen lag.. Wenn nicht gesungen wurde, konnte das Orchester sein Klangvolumen entsprechend zu Gehör bringen, so etwa in den slawisch-rhythmischen Tänzen im II. Akt. Ganz besonders gefiel das melancholische Vorspiel des III. Aktes. Die Begleitung der Dialoge von Jäger und Küchenjunge trafen den slawisch-volksliedhaften Charakter. Im Gegensatz zur normalen Opernaufführung konnte man hier die Soli der einzelnen Instrumente nicht nur hören sondern auch sehen, wie sie gespielt wurden. Ein besonderes Lob galt für die weich und rund klingenden Hörner, die die Atmosphäre des Waldes besser als jedes Bühnenbild darstellten. Die häufig düstere und melancholische Stimmung der Handlung beschrieben auch die anderen Bläsersoli, insbesondere die Holzbläser.. Besonders muß natürlich in einer Oper, die viel von Wasser handelt, die Harfenistin mit auch ganz zartem p erwähnt werden,
Was eine solche konzertante Aufführung vom Anhören einer CD unterscheidet, ist das gemeinschaftliche Erlebnis der Musik. Darauf reagierte nach der Aufführung das Publikum im gut besuchten Konzerthaus mit lang andauernden Beifall, mit vielen Bravos, alles beides auch stehend – ein vielversprechender Beginn der Zeitinsel Dvořák!
Sigi Brockmann 16. Mai 2014