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Die „Oscars“ 2021 – die Welt ist nicht mehr weiß

Die „Oscars“ 2021 –
die Welt ist
nicht mehr weiß

Die Welt sei nicht mehr „weiß“, wurde von der gewaltigen Bewegung der „Political Correctness“ beschlossen, Nun, beschließen kann man manches – aber sie haben es auch durchgesetzt. Wogegen man von Rechts wegen nichts sagen kann. Zumal in den USA sind Schwarze, Latinos und Asiaten, die ihren großen Anteil an dieser Nation stellen, zu lange in die zweite oder dritte Reihe gestellt worden. Man versteht schon, dass da Änderungsbedarf besteht.

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Andererseits muss man nicht übertreiben – „PoC“, People of Color, wie man nun korrekt anstelle von „Farbige“ sagt, konnten in Amerika Präsident werden, in Großbritannien der erfolgreichste Rennfahrer der Welt, weiters (und sie ist eine Frau, auch den Unterdrückten zuzuzählen) die erfolgreichste Moderatorin des US-Fernsehens, ja, und in die königliche Familie Großbritanniens haben PoCs auch hineingeheiratet. (Ja, ich weiß, ich weiß, was dazu zu sagen ist – aber „Duchess of Sussex“ ist sie, und dazu muss die Queen ja gesagt haben.)

Im amerikanischen Filmgeschäft haben sich „schwarze“ Künstler und vor allem „schwarze Themen“ immer mehr Raum erobert. Wenn sie nicht ausreichend vertreten waren (etwa bei früheren „Oscar“-Verleihungen), gingen die Wogen hoch. Von dem Radau, mit dem Denkmäler gestürzt wurden, weil man Vergangenheit, die man plötzlich als „böse“ anklagt, posthum ächten will, möchte ich gar nicht reden.

Nein, es ist richtig, dass die Welt in ihren Chancen vielfältiger geworden ist (wenn auch eine Ungerechtigkeit durch die andere ersetzt wird und nun alle Weißen unter dem Rassismus-Generalverdacht stehen und attackiert werden müssen). Was erzählt uns die diesjährige „Oscar“-Verleihung?

Regie-Oscar für eine junge Frau (auch diese sind ja immer noch Minderheiten, wenn es auch nicht gar so schlimm ist – von Thatcher bis Merkel haben sie sich in der Politik „ganz oben“ ganz wacker gehalten). Sie ist Asiatin, ebenso wie die Preisträgerin der besten Nebenrolle. Wie man weiß, gab es in den USA in letzter Zeit nicht nur Attacken gegen Schwarze, sondern auch Asiaten (Attacken gegen Juden sind derzeit eher in Europa zuhause…).

Dazu ein Schwarzer als bester Nebenrollendarsteller. Und in den Hauptrollen zwei Schauspieler, die nicht zum gelackten Mainstream gehören.

Doppelt gegen den Strich gebürstet ist der Auslands-„Oscar“: Denn dass ein Regisseur das Trinken (das Besäufnis bis zur Besinnungslosigkeit) nicht a priori verdammt, sondern differenziert betrachtet – wie findet man denn das? Politisch korrekt ist es nicht. Es ist „anders“. Hollywood will anders sein. So schön, glamourös und unbeschwert, wie es einmal war – das wird es wohl nie wieder sein.

Die 38jährige Chinesin Chloe Zhao ist die erste nicht-weiße Frau, die den „Oscar“ für den besten Film und die beste Regie bekam (ihr Drehbuch war auch nominiert). Ob „Nomadland“, der Film über das Schicksal einer in ihrem Tramper „heimatlos“ durch die USA ziehenden Frau, so übermäßig gut ist – er passt jedenfalls bis ins Detail in die heute „stimmende“ Weltanschauung, wo die bösen Großen (früher gerne Filmhelden) verachtet und die armen Kleinen liebevoll betrachtet werden. Und wenn auch Frances McDormand mit ihrem verbissenen Gesicht meist sich selbst spielt – sie zieht sich die Rolle an wie ein Kleid, das ihr angegossen passt. Fazit: Hauptrollen-„Oscar“.

Dass Anthony Hopkins 29 Jahre nach seinem ersten Hauptrollen-„Oscar“ (für das Monster Hannibal Lecter) einen weiteren erhielt, ist auf jeden Fall verdient, der Mann ist ein ganz, ganz Großer des Kinos. Das hat sogar einen europäischen Hintergrund. Denn „The Father“ kennen wir als „Der Vater“ des auch bei uns viel gespielten französischen Autors Florian Zeller, bearbeitet von dem viel gespielten britischen Autor Christopher Hampton, die beide den „Oscar“ für das beste adaptierte Drehbuch erhielten. Nun spielt sich ein Alzheimer-Vater für Hopkins so vom Blatt wie die Prekariatsfrau für Frances McDormand, es gab wahrlich  interessantere Leistungen (zumindest Carey Mulligan in „Promising Young Woman“ oder Gary Oldman in „Mank“, dem Film, der bei den „Oscars“  so völlig durchgefallen ist wie bei den „Golden Globes“ – böses Netflix, oder was?)

„PoC“-Darsteller für die Nebenrollen, Youn Yuh Jung in dem koreanisch-amerikanischen, auch so korrekten Film „Minari“ über eine koreanische Familie, die in den USA eine Farm betreibt, und Daniel Kaluuya in „Judas and the Black Messiah“, wo er den Anführer der Black-Panther-Bewegung spielt, der vom FBI ausgehebelt wurde. Dafür gab es schon bei den „Golden Globes“ den Nebenrollen-Preis.

Ja, und dann als bester fremdsprachiger Film „Another Round“ von Thomas Vinterberg, dänischer Originaltitel „Druk“, den wir unter dem Titel „Der Rausch“ sehen werden. „Moralisch“ anfechtbar, aber hoch interessant, wenn sich der Regisseur im Namen einer Handvoll Intellektueller den Kopf zerbricht, ob Alkohol nicht ein Ausweg aus der Öde des Lebens sein könnte…

Alle „Oscar“-Filme sind mehr oder minder sehenswert und werden, so es die Verhältnisse wollen, nach und nach in die Kinos kommen. Und bei Netflix kann man „Mank“ (der mit zehn Nominierungen an der Spitze lag!!!!) erwerben – mit bester Ausstattung und Kamera beim „Oscar“ beschämend abgetan, ist dieser Film über die Entstehung des „Citizen Kane“-Drehbuchs ein wirkliches Vergnügen für Cineasten.

Renate Wagner

 

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