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Die Golden Globes 2021

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Die Golden Globes 2021

Ich weine dem Kino nach, obwohl das „kollektive Erlebnis“ für mich ja nicht in einem rappelvollen Saal mit lebhaften Jugendlichen besteht, sondern in der Gesellschaft einer Handvoll Filmkritiker-Kollegen. Aber natürlich weiß man sich zu helfen, wenn auch zähneknirschend. Was die Streaming-Dienste bieten (und ich rede von Filmen, nicht von Serien, die wohl nur Zeitfresser sind), ist ja nicht so übel. Die meisten der Titel, die heuer beim „Golden Globe“ zum Zug kamen, habe ich solcherart schon gesehen.

Von Renate Wagner

Die „Golden Globes“ sind anders

Die „Golden Globes“ rangieren zeitlich vor den „Oscars“ und werden nicht von einer Kollegenschaft, sondern von Amerikas Auslandsjournalisten vergeben. Die denken einmal in zwei Dingen grundsätzlich anders als die Oscar-Academy: Erstens teilen sie die Filmwelt gewissermaßen in „ernst“ und „heiter“, sprich „Drama“ bzw. „Comedy / Musical“, aus der Erkenntnis, dass Heiteres bei den „Oscars“ kaum Chancen hat, weil immer nur das tremollierend „Dramatisch“ überzeugt. Darum auch die Chance für das heitere Genre, das ja bekanntlich nicht unbedingt das leichtere ist. Außerdem schauen sich die Auslandsjournalisten offenbar auch gern TV-Serien an und verleihen hier Preise. Das macht das Spektrum noch breiter und unübersichtlicher.

Aber halten wir uns einfach an die Filme

Die Sieger

„Nomandland“
Best Motion Picture – Drama
Best Director — Motion Picture: Chloe Zhao

Diese Entscheidung verwundert nicht wirklich, denn erstens ist es ein „politischer korrekter“ Film, wenn es je einen gab (allerdings war es die „Oscar“-Academy, die diese strenge Vorgabe erließ und damit zeigte, dass die lockeren Filmzeiten ein- für allemale vorbei sind). Und zweitens ist es ein guter, überzeugender Film. Die chinesisch-amerikanische Regisseurin Chloe Zhao blendet gänzlich unsentimental in das Leben einer weißen Unterschicht am Beispiel einer Frau, die in ihrem Wohnwagen durch die USA „nomadet“ und sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hält (in einer Passage klebt sie auch im Akkord Pakete für Amazon zu). Nominierungen für bestes Drehbuch und beste Hauptdarstellerin gab es auch noch, ebenfalls nicht überraschend, Frances McDormand ist immer großartig, allerdings mit ihrer kritisch verbissenen Miene auch immer dieselbe (oder soll man sagen: ganz sie selbst)…

„Borat Subsequent Moviefilm“
Best Motion Picture — Musical or Comedy
Best Actor in a Motion Picture — Musical or Comedy: Sacha Baron Cohen
Sacha Baron Cohen ist absolut nicht jedermanns Sache, und wenn er Borat und seine Tochter aus dem fernen Kasachstan in die USA schickt, ist auch auf die primitivste und obszönste Weise die Hölle los, wie man es eben von ihm gewöhnt ist. Allerdings ist die Satire auf die USA heute so infernalisch, dass man immer wieder gequält lacht, wenn Borat Schönheitschirurgen, Juden, Republikanern, Feministinnen begegnet, am Ende sogar Rudy Guiliani, und zwischendurch mit Trump-Maske seine Tochter schultert und unbedingt in den USA an einen reichen Mann verschenken will… (schau doch, welche Karriere Milena gemacht hat!) Das erfüllt so sehr auch die Rachegefühle des demokratischen Teils der USA, dass man die Überlegungen der Preiskrönung versteht. Dass Cohen, der als Darsteller allerdings kaum was leistet, bester Schauspieler geworden ist, macht fassungslos. Da hätte noch eher seine Partnerin Maria Bakalova, unter den besten Schauspielerinnen / Comedy nominiert, den Preis verdient… Aber da gab es Bessere.

„Minari“
Best Motion Picture — Foreign Language
Komplett seltsam fiel die Wahl für den besten „ausländischen“ Film aus, denn „Minari“ ist eine amerikanische Produktion (!), die allerdings von einer koreanischen Familie handelt, die versucht, in den USA der achtziger Jahre eine Farm zu betreiben. Da aber die Koreaner seit dem Vorjahr, als ihr Film „Parasite“ gleich zweimal den „Oscar“ für den „Besten Film“ erhielt (was beide Male übertrieben war), offenbar schwer in der Gunst der Amerikaner stehen… was soll man sagen? Der dänische Konkurrent wäre in europäischen Augen interessanter gewesen.

Chadwick Boseman
Best Actor in a Motion Picture — Drama
Es war ein Akt des Respekts, einen Toten zu ehren – Chadwick Boseman, PoC, bekannt geworden als Comic-Held „Black Panther“ (was mehr eine körperliche als eine darstellerische Leistung war), ist im Vorjahr unvermutet verstorben. Man ehrt ihn für seine Rolle in seinem letzten Film, „Ma Rainey’s Black Bottom“. Die Hauptrolle in diesem Musikfilm über die legendäre schwarze „Ma Raney“ spielte allerdings Viola Davis, als beste Hauptdarstellerin nominiert, aber nicht gewählt.

Andra Day
Best Actress in a Motion Picture — Drama
Andra Day, PoC, hierzulande noch nicht bekannt, landete eine große Titelrolle in „The United States vs. Billie Holiday“, die Jazz-Sängerin Billie Holiday, die unter dem Vorwand von Drogenmissbrauch, aber im Grunde aus rassistischer Schikane ins Kreuzfeuer der amerikanischen Bundesbehörden geriet.

Rosamund Pike
Best Actress in a Motion Picture — Musical or Comedy
Viele Jahre lang sah man die Britin Rosamund Pike immer wieder auf der Leinwand, ohne je Besonderes zu erwarten oder zu bekommen. Das änderte sich schlagartig 2019 mit ihrer bemerkenswerten Leistung als Marie Curie. Und die Darstellung einer geldgierigen und machtbesessen Frau, die unter strahlend-blondem Lächeln vorgibt, nur das Beste ihrer Mitmenschen im Sinn zu haben (während sie ihre Konten plündern will), ist tatsächlich eine Meisterleistung erster Ordnung. Schade, dass der Film „I Care A Lot“, der so sozialkritisch beginnt, dann in eine Mafia-Posse abrutscht.

Daniel Kaluuya
Best Actor in a Supporting Role in Any Motion Picture
Der junge Brite Daniel Kaluuya, PoC, der vor zwei Jahren nachdrücklich in der „schwarzen Bonnie & Clyde“- Version „Queen & Slim“ aufgefallen ist, spielt in „Judas and the Black Messiah“ als Fred Hampton zwar eher die Haupt- als die Nebenrolle, aber das wiederholt sich bei der weiblichen „Nebenrollen“-Darstellerin. Hier geht es um die schmutzigen Tricks, mit denen das FBI (Martin Sheen als J.Edgar Hoover) die Black Panther-Bewegung infliltrierte, um den Bürgerrechtler Fred Hampton auszuschalten (was ihnen auch gelungen ist).

Jodie Foster
Best Actress in a Supporting Role in Any Motion Picture
Jodie Foster ist nach gefühlter sehr langer Pause wieder da, und sie spielt in „The Mauritanian“ die Bombenrolle einer Anwältin, die sich für einen nordafrikanischen Häftling in Guantanamo einsetzte, den man nach 14 Jahren ohne Entschuldigung entließ, weil man ihm nie irgendetwas nachweisen konnte. Es ist eine wahre Geschichte, die der Betroffene, Mohamedou Ould Slahi, aufgezeichnet hat. Jodie Foster als stur überzeugte Frau, die sich „Terroristen-Anwältin“ schimpfen lassen muss, ist das Atout des Films, obwohl Tahar Rahim auch als Bester Hauptdarsteller nominiert wurde.

„The Trial of the Chicago 7“
Best Screenplay — Motion Picture
Aaron Sorkin, dessen Geschicklichkeit im Umgang mit historischen Stoffen verbürgt ist, hat mit „The Trial of the Chicago 7“ ein aufregendes Stück amerikanischer Geschichte mit ungeheurer Bewegtheit auf die Leinwand gebracht (er wurde auch als Regisseur nominiert, desgleichen gab es eine Nominierung als „Bester Film“). Es geht um den Prozeß, den man 1968 jenen Männern machte, die sich an (durchaus gewaltsamen) Anti-Vietnam-Demonstrationen beteiligt hatten. Einer von ihnen war übrigens jener Tom Hayden (gespielt von Eddie Redmayne), der später Jane Fonda geheiratet hat – jene Jane Fonda, die bei dieser Verantstaltung einen Ehren-„Globe“ erhielt und ihre lebenslange Kritik an der US-Politik auch hier wieder anbrachte.

Die erfolglos Nominierten und dennoch Bemerkenswerten:

„Another Round“
Nominiert: Best Motion Picture — Foreign Language
Der dänische Konkurrent um den „Besten Film“ wird bei uns unter dem Titel „Der Rausch“ laufen (Originaltitel: Druk), wobei Regisseur Thomas Vinterberg mit einem atemberaubenden Mads Mikkelsen in der Hauptrolle zeigt, wie man übermäßigen Alkoholkonsum rationalisieren kann – und wohin es führt.

„News of the World“
Nominiert: Best Actress in a Supporting Role in Any Motion Picture : Helena Zengel
Dieser Film, in dem ein unvergleichlich überzeugender Tom Hanks als „Geschichtenerzähler“ durch die Fährnisse des Wilden Westens zieht, wäre mein persönlicher Favorit gewesen (für Film, Buch, Regie und natürlich Hanks in der Hauptrolle). Doch die einzige Nominierung, die es gab, galt der zwölfjährigen deutschen Darstellerin Helena Zengel, was die deutsche Presse in Aufregung versetzt hat, aber woraus leider nichts wurde. Ihr Zusammenspiel mit Hanks erzählt die Geschichte des alten Mannes und des halben Kindes kitschlos-neu, stellenweise atemberaubend.

„One Night in Miami“
Nominiert: Best Director — Motion Picture: Regina King
Nominert; Best Actor in a Supporting Role in Any Motion Picture: Leslie Odom, Jr.
Es scheint, die Jury habe gemeint, bereits genug für „schwarze Filme“ getan zu haben – und dabei übersah man den besten von allen. Denn wie Regina King in jener Nacht vom 25. Februar 1964 Cassius Clay (Eli Goree), der eben Sonny Liston besiegt hat, mit Malcolm X (Kingsley Ben-Adir), dem Sänger Sam Cooke (Leslie Odom Jr.) und dem Football-Star Jim Brown (Aldis Hodge) im Hampton House Motel zusammen kommen lässt, ist ein Meisterstück: Denn hier beschließen vier hoch intelligente schwarze  Männer, dass es mit der Situation der Schwarzen in den USA nicht so weiter gehen kann…

„Promising Young Woman“
Nominiert: Best Motion Picture — Drama
Nominiert: Best Director — Motion Picture: Emerald Fennell
Nominiert: Best Actress in a Motion Picture — Drama: Carey Mulligan
Der Film ist eine Wucht, aber es ist Carey Mulligan, die hier überwältigt: eine zweifellos gestörte junge Frau, die bereit ist, sich selbst zu opfern, um Rache an rücksichtslosen Männern zu üben, die mit brutaler Gewalt über Frauen hinwegtrampeln und straflos ausgehen. Ein Film, der in seiner Intensität beklemmend wirkt.

„The Father“
Nominiert: Best Motion Picture — Drama
Nominiert: Best Actor in a Motion Picture — Drama: Anthony Hopkins
Nominiert: Best Screenplay — Motion Picture: Florian Zeller, Christopher Hampton
Nominiert: Best Actress in a Supporting Role in Any Motion Picture: Olivia Colman
Das ist wohl der große Verlierer dieser „Golden Globe“- Verleihung. Gewiß, wir kennen das Stück vom dementen Vater, das Florian Zeller geschrieben hat und das hierzulande bereits im Theater zu sehen war. Es ist ein bisschen kalkuliert und kein Meisterwerk. Aber für den Film hat auch Christopher Hampton Hand angelegt, und wer behauptete, dass Anthony Hopkins nicht alles, absolut alles zum Erlebnis machen könnte, der irrt.

 Mank
Best Motion Picture — Drama
Best Director — Motion Picture: David Fincher
Best Screenplay — Motion Picture: David Fincher
Best Actor in a Motion Picture — Drama: Gary Oldman
Best Actress in a Supporting Role in Any Motion Picture: Amanda Seyfried
Und noch ein unverständlicher Verlierer. „Mank“ ist die Geschichte des Drehbuchautors Herman J. Mankiewicz (wieder eine der großen Verwandlungen von Gary Oldman), der sich 1941 in die Mojave-Wüste zurück gezogen hatte, um für Orson Welles das Drehbuch zu „Citzien Kane“ zu schreiben. Gewiß, es ist auch für den Zuschauer (je mehr er weiß, umso mehr hat er von dem Film) eine Insider-Story, in der die ganzen Verrückten von Hollywood herumrennen und die absolut irrationale Atmosphäre der Filmwelt nachzeichnen. In Schwarzweiß gedreht, fühlt man sich in die Epoche der „Noir“-Klassiker zurück versetzt. Ein Vergnügen der besonderen Art.

 

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