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DARMSTADT: OTELLO – die Sache mit dem Anderssein. Premiere

21.03.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

DARMSTADT: OTELLO – Die Sache mit dem Anderssein – Premiere am 15.3.2014

 Jetzt hat auch das Staatstheater Darmstadt seinen „Otello“. Trotz vereinzelter Glücksmomente, wie dem durchweg gut interpretierten Jago von Enrico Marrucci, begeistert die laue Inszenierung von Gerhard Hess nicht das Publikum.

Wohlwollender, verhaltener Applaus am Ende der Premiere am 15. März 2014.

 Was für ein Werk! Es ist eines über das Anderssein.

Giuseppe Verdis „Dramma lyrico“ Otello ist ein Alterswerk voller Saft und Kraft. Es verbirgt philosophische Weisheit und strotzt voll musikalischer Lebensenergie. Es ist zudem ein feurig dämonischer Krimi mit allem, was die Bühne braucht: Eine großartige Liebe, eine fiese Täuschung, einen brutalen Verrat mit folgendem grausamen Mord aus Eifersucht und Leidenschaft.

Und dabei wollte Verdi doch gar nicht mehr komponieren. Der junge, feurige Librettist und Schriftsteller Arrigo Boito empfahl Giuseppe Verdi die tragische Lektüre „Othello“ von William Shakespeare. Und nicht nur das. Boito präsentierte Verdi Skizzen seines Librettos zum Othello. Die Überredungskunst Boitos kitzelte das Genie Verdis so sehr, dass aus der Shakespearschen Tragödie „Othello“ das saftig tönende „Dramma lirico“ „Otello“ entstand.

Die Figur des Jago nahm den Meister so gefangen, dass er die Oper sogar „Jago“ taufen wollte. Zwar kam es nicht dazu, aber der Bösewicht Jago ist die wichtigste Figur im groß angelegten Opus um Vertrauen und Missgunst.

 Eine Novelle von G. Giraldi mit moralisch erhobenem Zeigefinger, die 500 Jahre alt ist besagt, dass es verwerflich sei, wenn Männer und Frauen aus anderen Kulturkreisen heirateten, inspirierte den großen Will Shakespeare. Othello heißt sein Held. Othello, ist Maure. Ein Kerl mit dunkler Hautfarbe, der im Militär zu Ruhm gekommen ist und die zarte, weisse Desdemona, Tochter aus adliger Familie in Venedig, geehelicht hat. Der „Zauber“ ihrer Verbindung ist schlichtweg die Liebe.

 In Zypern beginnt die musikalische Tragödie Verdis um Neid, Missgunst und Eifersucht. Fern von der sie beschützenden Heimat Desdemonas. Otello, nie in der adligen Gesellschaft angekommen, erlebt sein Anderssein als Mangel. Keine seiner Heldentaten kann den Neid und die Vorurteile der Anderen auslöschen. Sein scheinbarer Freund, der Fähnrich Jago ist diabolischer Manipulator. Von Desdemona abgewiesen, in Amt und Würde übergangen, nutzt er seine Begabung die Schwächen, Sorgen und Bedürfnisse der Menschen zu sehen, nein – zu erspüren. Das Ende kennt ein jeder: Otello stranguliert in rasender Eifersucht seine Geliebte und ersticht sich im Wahn. Jago schaut zu. Gelassen, ruhig, emotionslos und ein wenig gelangweilt. Für ihn existiert nur der Tod und das Nichts.

 Auf der Bühne stehen schlanke weiße Säulen. Diese altertümlich wirkenden Bautrümmer ragen als statische Fixpunkte aus großen Bühnenraum in den offenen schwarzen Himmel hinauf. Bühnenbauer Matthias Nebel setzt wenig Akzente in Geschehen. Einige Stühle, eine Kerze. Puristisch, klar und leer. Dazu kommen die einfachen weißen Uniformen und die schlichten Kleider Desdemonas oder Emilias.

Regisseur Gerhard Hess kommt vom Schauspiel her. Er inszeniert leider nur an der Geschichte, am Libretto entlang.

Introspektionen in die Charaktere Otello, Desdemona oder Jago fehlen gänzlich. Eine Regie, die den puren Text nachspielt, an der Rampe, einer Säule singen lässt hätte konzertant bessere Chancen. Und, leider bedient sich Gerhard Hess sehr vieler Klischees. Da tanzen Jago und Cassio einen Kosakentanz in Jagos Trinklied. Desdemona ist durchweg die Heilige, weisse Frau. Engelsgleich. Wenn Jago und Otello sich zum Kampf gegen die Intrige verbünden, stehen sie am Bühnenrand wie Don Carlo und Posa.

 Die Protagonisten, die so in Klischees stecken bleiben, haben kaum Chancen innere oder äußere Entwicklungen zu zeigen. Und doch gelingt es einigen Sängern die steife Regie vergessen zu machen. Enrico Marrucci gibt einen sehr menschlichen Jago, der sehr zurück genommen wirkt. Lyrisch kernig in der Tongebung und spritzig, wendig in Einzelmomenten sein Jago die Figur, im Auge und Ohr haften bleibt.

Joel Montero gestaltet ohne große Bühnenaktion einen eher unbiegsamen Otello. Szenisch und stimmlich kann er leider nicht ganz überzeugen. In der Höhe kann er am Ende des Abends an Sicherheit gewinnen. Auch die Desdemona von Susanne Serfling wirkt verhalten. Sehr ausdrucksvoll und mit inniger Hingabe gestaltet sie das Lied von der Weide. Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem rauen kraftvollen Tenor des Cassio von Arturo Martin sowie der geschmeidig tönenden Susanne Serfling, Emilia.

 Bei Verdis Otello ist es so wie mit der Musik von Johann Sebastian Bach oder Wolfgang Amadeus Mozarts: sie so genial, dass sie immer gut klingt. Was tönt und donnert da aus dem Orchestergraben des Staatstheaters Darmstadt? Laut, in undifferenzierter Manier und ohne feine Farbgebungen und Transparenz spielen die Musiker unter der Stabführung von Anna Skryleva zu den Geschehnissen auf der Bühne. Das große Kontrabass-Happening in der Schlafgemachszene, einer der Höhepunkte der Oper, hätte modulationsreicher, in seiner Intonation schöner gestaltet werden können. Der Chor tönt gut, aber ohne nachhaltige Sprengkraft.

Ein „Otello“, der in Einzelmomenten überzeugt. Szenisch und musikalisch aber das „große Kino“ vermissen lässt.

Babara Röder

 

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