CONSTANTIN TRINKS: Der Liebling der Wagnerianer
Dr. Renate Wagner sprach mit dem Dirigenten am 10. Juni 2014 in der „Online-Merker“-Galerie
Renate Wagner, Constantin Trinks. Foto: Heiner Wesemann
Constantin Trinks (39) hat als Dirigent in den letzten Jahren die großen deutschen Häuser von München bis Dresden, Frankfurt bis Hamburg sowie Paris und Zürich dazu erobert. Zu Saisonschluss stand er erstmals in der Wiener Staatsoper am Pult – für eine „Zauberflöte“ ohne Orchesterprobe. Was ihn nicht weiter erschüttert hat: „Die Wiener Philharmoniker brauchen wirklich keine Probe, um die Zauberflöte zu spielen!“
Wichtig war für ihn, dass er bei einigen szenischen und musikalischen Proben mit Klavier sich mit den Sängern und der Inszenierung vertraut machen konnte. Es war zwar immer klar, dass er die zweite Serie dieser neuen Produktion dirigieren würde, aber bei den Erstproben im November (damals dirigierte Christoph Eschenbach) war er nicht dabei. Was er heute bedauert, denn über Details hätte er sich mit den Regisseuren schon gerne ausgetauscht – „Es ist ein Jammer, dass die drei Knaben oft so weit hinten platziert sind, dass man sie im Zuschauerraum manchmal kaum hört. Über so etwas kann man reden und es verhindern, wenn man eine Oper neu einstudiert.“
Dennoch war er mit seinem Einstand in Wien sehr zufrieden – und hat seine Erfahrungen mit den Wiener Philharmonikern gemacht: „Sie sind unglaublich flexibel und klingen wirklich ganz besonders. Und das gegenseitige ‚Geben und Nehmen’, worauf es zwischen Orchester und Dirigent ankommt, erlebe ich hier als ganz besonders fruchtbar. Das kommt beispielsweise zum Tragen, wenn ein großer Soloflötist einem da eine unerwartete Phrasierung anbietet, auf die man sich blitzschnell einstellen muss. Das macht einfach Freude!“ Und der Mann weiß, wovon er redet, denn die anderen Häuser, an denen er arbeitet, sind ja auch nicht von schlechten Eltern.
Schön war es für ihn auch, ausgerechnet mit der „Zauberflöte“ in Wien zu debutieren, ein Werk, das ihn seit seiner Jugend begleitet, das er besonders liebt und dessen stilistische Vielfalt, die zu großen Diskussionen (auch über die Qualität) geführt haben, ihm keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Über Mozart lässt er nichts kommen – und über Wagner auch nicht.
Constantin Trinks. Foto: Barbara Zeininger
Langsam gilt Constantin Trinks ja als Wagner-Spezialist, ist ein Liebling der großen Wagner-Gesellschaft allerorten. Im Bayreuther Jubiläumsjahr 2013 war er eingeladen, in der Oberfrankenhalle „Das Liebesverbot“ zu dirigieren. („Ich weiß schon, es ist nicht der sexieste Spielort“, meinte Katharina Wagner wie entschuldigend zu ihm über die von der Kritik bespöttelte „Turnhallenbühne“). Aber für Trinks, der nächstes Jahr, zu seinem „40er“, Wagners Werk mit dem „Tristan“ in Sofia für sich persönlich komplettiert, war auch diese frühe Oper ein Erlebnis. Wenn für ihn auch der „Parsifal“ – so er sich schon entscheiden muss – einfach das Höchste ist. Und der „Ring“, ohnedies die größte Herausforderung, die es für alle Beteiligten auf einer Opernbühne zu bewältigen gilt. In Darmstadt, in seinen Jahren als Generalmusikdirektor, hat er ihn dirigiert.
Und warum „Tristan und Isolde“ ausgerechnet in Sofia? „Weil das keine Oper ist, die ich zum ersten Mal in Bayreuth oder München dirigieren möchte, obwohl solche Debuts heute manchmal als chic gelten. In Sofia besorgt außerdem der von mir hochgeschätzte Richard Trimborn, eine Koryphäe in Sachen Wagner, in monatelanger Arbeit die Einstudierung der Sänger. Da kann man sich dann als Dirigent sozusagen „ins gemachte Bett“ legen! Auch haben wir dort wirklich viel Probezeit mit dem Orchester, man kann das Werk richtig entwickeln. Das ist mir für eine Oper wie diese sehr wichtig.“
Und Bayreuth, das Trinks kennt, weil er dort schon 2002 als Assistent von Christian Thielemann bei dessen „Tannhäuser“-Produktion herumgewirbelt ist? „Na, Assistent“, sagt er ehrlich, „man schreibt es in die Biographie, weil es gut klingt – ich war eigentlich nur Hospitant, einer von vielen Helfern. Richtig assistieren, das heißt monatelang vor Ort die Proben zu begleiten, wollte ich zwar immer, ging sich aber leider nie zeitlich mit meinen anderen Engagements aus.“ Aber immerhin scheint er sich dem „Meister“ ausreichend eingeprägt zu haben, dass dieser ihn nach Dresden holte, als er dort etwas zu sagen hatte. Für Wagner immerhin, den „Fliegenden Holländer“, eine Premiere vor einem Jahr. (Auch bei „Tannhäuser“ – man hat in Dresden die alte Konwitschny-Inszenierung – darf Trinks dort immer wieder den Stab führen.) Gleich nach der Wiener „Zauberflöten“-Serie geht es wieder dorthin für mehrere „Holländer“-Aufführungen, bis in München im Juli bei den Festspielen der „Rosenkavalier“ (die legendäre Schenk-Inszenierung mit Soile Isokoski) auf dem Programm steht. Viel beschäftigt – und hochkarätig. Ja, und Bayreuth, im „richtigen“ Haus? Wird schon kommen, da ist Constantin Trinks ganz gelassen.
Ist er ein Spezialist für das deutsche Fach? „Das hat sich so ergeben“, meint er. In seinen frühen Jahren in Karlsruhe, Saarbrücken, Darmstadt standen auch durchaus viele Italiener auf seinem Programm. Aber es ist kein Zufall, sondern schon auch Neigung, dass es ihn immer wieder zu Wagner, Strauss und Mozart zieht.
Mit dem Interesse an Wagner hat ja für den kleinen Constantin in Karlsruhe gewissermaßen alles begonnen. Da gab es bei der Deutschen Grammophon eine Serie mit Cassetten, die ausführlich in Hörspielform mit Musikbeispielen über die Großen der Musik berichteten. Die Geschichte über Richard Wagner hat ihn besonders fasziniert – wie er da auf der Überfahrt von Riga vom wilden Meer zu seinem „Holländer“ inspiriert wurde… Natürlich ist es ein sehr langer Weg, innerhalb einer vergleichsweise unglaublich kurzen Zeit dann alle Werke dieses Mannes zu dirigieren, das heißt, sie zu verinnerlichen, um sie zu wissen, sich unaufhörlich – auch inhaltlich – mit ihnen auseinander zu setzen.
Foto: Barbara Zeininger
Trinks hatte natürlich Glück, dass er seine Liebe zur Musik erst in seiner Heimatstadt ausüben konnte – zuerst an der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe, wo er es mit Klavier, dann mit Horn versuchte, sich aber nirgends „zuhause“ fühlte. Das Dirigieren hingegen, bei Prof. Wolf-Dieter Hauschild belegt, war schon das Richtige für ihn. Und er machte alles – Chöre dirigieren, korrepetieren. Und er kam ins Theater für kleine Jobs (auch als Komparse stand Trinks als Teenager auf der Bühne), bis Kazushi Ono ihn als so nützlich erachtete, dass er ihn zum persönlichen Assistenten ernannte. 2000 gab es dann schon ein Angebot aus Frankfurt, aber er blieb in Karlsruhe, „denn als ich dort 2000 fester Solorepetitor und Kapellmeister wurde, hat man mir schon garantiert, was ich alles dirigieren durfte. Das reichte von ‚Figaro’ bis ‚Evita’.“
2002 ging Trinks dann an das Saarländische Staatstheater Saarbrücken, wo der Aufstieg vom 2. Kapellmeister zum „kommissarischen Generalmusikdirektor“ (was es alles gibt) zügig erfolgte und von interessanten Arbeiten begleitet war.
Über die folgenden Jahre in Darmstadt spricht Trinks gar nicht so gern, weil man ihn da selten nach Künstlerischem fragt („Daran erinnere ich mich sehr positiv“), sondern nur nach seinen Auseinandersetzungen mit dem Intendanten John Dew. Das mag für ihn „Schnee von gestern“ sein, aber in unserer Medienlandschaft macht Krach auch populär…
Jedenfalls findet Trinks es völlig richtig, dass er sein Handwerk „von der Pieke auf“ erlernt hat – das machte ihn fit für den rasanten Aufstieg, den er erlebte, sobald er sich vor ein paar Jahren auf den „freien Markt“ begab. Was ja – das weiß er so gut wie jeder – auch sehr schief gehen kann. Und bei ihm seither wunderbar läuft.
Wie es in Wien weitergeht, weiß Constantin Trinks schon, wenn auch bezüglich der Staatsoper noch Gespräche anstehen. Aber das Theater an der Wien hat schon zugeschlagen: Trinks wird heuer ein Silvesterkonzert ganz nach seinem Geschmack bestreiten – mit den „Vier letzten Liedern“, gesungen von Angela Denoke, und dann einem Projekt, das seinem Sinn für Außergewöhnliches entspricht: Man zeigt den Stummfilm von 1913, „Richard Wagner – eine Filmbiographie“. Die begleitende Musik hat, „nach Wagner“ und anderen vorkommenden Komponisten, der damalige Hauptdarsteller Giuseppe Becce geschrieben. Das zu realisieren, „die Musik muss ja auch immer akkurat mit dem Film übereinstimmen“, das reizt Constantin Trinks sehr.
Ebenso wie seine Premiere im September 2015 (also die erste der Saison 15/16 im Theater an der Wien), die Marschners „Hans Heiling“ gilt, ein Werk, das ihm bisher noch nicht untergekommen ist und mit seiner Uraufführung 1833 doch als Vorläufer Wagners gelten darf. Sehr gut findet er auch, dass er für diese Aufführung bei der Besetzung mitdiskutieren kann – das wäre ja auch ein Motiv, dass er gerne Operndirektor wäre (sprich: die anderen Bereiche eines klassischen Drei-Sparten-Hauses gerne den jeweiligen Fachleuten überlassen würde): Man könnte so vieles selbst bestimmen. „Dabei geht es mir um künstlerische Fragen. Ich bin nicht machtbesessen.“
So sehr er seine „Deutschen“ schätzt, so sehr interessiert es ihn natürlich, auch andere Werke zu dirigieren – Trinks freut sich sehr, dass er in Zürich „The Turn of the Screw“ dirigieren wird, weil Britten für ihn „der Großmeister des 20. Jahrhunderts“ ist, Strauss und Puccini gehören seiner Meinung nach ja doch noch ins 19. Jahrhundert… Sehr viel Vergnügen hat ihm Weinbergers „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ bereitet, von dem nun auch eine CD vorliegt: „Eine fantastische Oper, im besten Sinne volkstümlich und mitreißend, dabei aber auch raffiniert instrumentiert. Ein völlig zu Unrecht in Vergessenheit geratenes Meisterwerk!“
Bei all dem „Operndirigieren“ fühlt sich Constantin Trinks jedoch auch im Konzertsaal zuhause. Zwischen Oper und Konzert eine ausgewogene Balance herzustellen, zählt auch zu den Dingen, die er noch vor hat. Er weiß ganz genau, wie viel Prestige man gewinnt, wenn man einem der großen Orchester der Welt vorsteht…
Aber der Mann ist nicht einmal noch 40 und hat so viel erreicht. Bei seinem Fleiß kann man noch sehr viel von ihm erwarten.
Renate Wagner