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COBURG: ME AND MY GIRL

29.11.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Britisches Erfolgsmusical in Coburg: „Me and my Girl“von Noel Gay (Vorstellung: 29. 11. 2012)


Der Höhepunkt des Abends war der Tanz „Lambeth Walk“, den das Publikum mit rhythmischem Applaus begleitete (Foto: Henning Rosenbusch)

 Bereits zum zweiten Mal wird am Landestheater Coburg das englische Erfolgsstück „Me and my Girl“ von Noel Gay in deutscher Sprache aufgeführt. Genau vor zwanzig Jahren schrieb man in Coburg, dem „Broadway Oberfrankens“, wie das schmucke Städtchen gern genannt wird, mit diesem Werk, das 1937 in London uraufgeführt wurde und dort mit 1646 Vorstellungen das erfolgreichste britische Musical der 30er Jahre war, Musical-Geschichte. Im Jahr 1940 wurde das Werk unter dem Titel The Lambeth Walk verfilmt.

In den achtziger Jahren kam es in London – von Noel Gays Sohn produziert – mit nicht weniger als 3303 Vorstellungen zur erfolgreichen Wiederaufnahme des Stücks. Es wurde 1985 als bestes Musical mit dem „Laurence Olivier Award“ ausgezeichnet und trat einen unvergleichlichen Siegeszug rund um die Welt an. Es folgten Aufführungen in vielen Ländern Europas, aber auch in Mexiko, Australien, Neuseeland, Argentinien und in den USA. Am Broadway in New York wurde das Musical 1420 Mal aufgeführt!

Die Handlung des Musicals, dessen Libretto und Gesangstexte L. Arthur Rose und Douglas Furber stammen, erinnert stark an My Fair Lady, nur dass in diesem Werk ein Mann in der Titelrolle zu sehen ist: Der Marktarbeiter Bill Snibson stellt sich mit fürchterlichem Cockney-Akzent und Freundin Sally als rechtmäßiger Erbe des verstorbenen Earl of Hareford der entsetzten Society vor. Bevor er es allerdings antreten darf. Muss er sich noch als würdig für das Erbe erweisen und sich zu einem echten Earl formen lassen. Dabei ist allerdings seine Freundin Sally im Weg. Am Ende jedoch ist die Liebe stärker als jeder Snobismus.

 Berühmt wurde die Musiknummer „Lambeth Walk“, der neben Charleston, Tango und Rumba zum Modetanz Nummer eins wurde und dessen Name sich von einem Londoner Arbeiterviertel ableitet. Die Theaterzeitung von Coburg weist in ihrer November / Dezember-Ausgabe darauf hin, dass sich der „Lambeth Walk“ mit seinen frechen Strophen, seinem packenden Marschrhythmus sowie dem übermütigen „Oi“ am Ende der Cockney-Reime des Refrains seinen Weg bis in die englischen Schützengräben bahnte. Die Nazis verboten den „Lambeth Walk“, was ihn für viele Jugendliche in Deutschland erst recht interessant machte. Der Foxtrott „In Lamberts Nachtlokal“ unterlief unverfänglich das braune Verbot.

 Holger Hauer schuf eine flotte, humorvoll-freche Inszenierung, die zwar in einigen Szenen in Klamauk abzudriften drohte, aber das Publikum im fast ausverkauften Haus dennoch immer wieder zum Lachen brachte. Besonders schwungvoll fielen die gut choreographierten Tanzszenen (Choreographie: Tara Yipp) aus, wobei der „Lambeth Walk“ das Publikum sosehr begeisterte, dass es den Tanz mit rhythmischem Applaus begleitete! Für die in englischem Stil der 30er Jahre gehaltene Bühnengestaltung und für die teils bunten, teils britisch vornehm wirkenden Kostüme zeichnete Dietrich von Grebmer verantwortlich.

 In der Hauptrolle als Bill Snibson spielte der auch in Wien bekannte Musical-Darsteller Jens Janke seine komödiantische Begabung voll aus. Mit seinen schlangenartigen Bewegungen, seinem köstlichen Mienenspiel und seiner Bühnenpräsenz war er eine Idealbesetzung. Blendend und urkomisch seine Szenen mit dem Thronmantel, mit dem er auf kreative Weise die Lachmuskeln des Publikums besonders heftig strapazierte. Seine Geliebte Sally, für die er sogar sein Erbe ausschlagen wollte, wurde von der schlanken tschechischen Sopranistin Marie Smolka dargestellt, die zwar nicht die Sympathien der Herzogin von Dene genoss, aber vom Publikum rasch ins Herz geschlossen wurde, zumal sie auch stimmlich zu überzeugen wusste.

 Als Herzogin, die sich unverdrossen abmühte, Bill Snibson „adelige“ Manieren beizubringen, sprang die Schauspielerin Johanna Lindinger für die erkrankte Gabriela Künzler ein. Sie spielte ihre Rolle mit dem nötigen Humor und hatte mit ihren frechen Pointen große Lacherfolge. Britisch steif agierte der Bass Michael Lion als Sir John Tremayne, ein alter Freund der Familie, der schließlich Sally jenen berühmten Sprachlehrer vermittelte, der schon einmal aus einem einfachen Blumenmädchen eine vornehme Lady machte, womit einem Happyend nichts mehr im Wege stand.

 Eine Augenweide war die junge, attraktive Sopranistin Julia Klein in der Rolle der geldgierigen Lady Jaqueline Carston. Verführerisch in jeder Szene, angelte sie sich schließlich Gerald Bolingbroke, nachdem sie bei Bill abgeblitzt war. Als Familienanwalt Parchester, der den Mitgliedern des vornehmen Hauses Hareford den Schock versetzen musste, den Marktjungen Bill aus Lambeth als Erbe zu präsentieren, konnte der Tenor David Zimmer sowohl stimmlich wie darstellerisch überzeugen. Mit subtilem, britischem Humor stattete Sascha Mai die Rolle des Majordomus aus, wofür er einige Male vom Publikum mit Szenenapplaus bedacht wurde.

 Das Philharmonische Orchester Landestheater Coburg wurde vom italienischen Dirigenten Lorenzo Da Rio geleitet, der auch den Chor einstudierte. Ihm gelang es, die musikalische Qualität des Werks in vielen Details herauszuarbeiten, wobei der Schwerpunkt bei den schmissigen Tanzszenen lag. So wunderte es nicht, dass am Schluss der Vorstellung als Draufgabe nochmals der Ohrwurm „Lambeth Walk“ erklang. Das begeisterte Publikum dankte allen Mitwirkenden zu diesen Klängen wieder mit rhythmischem Applaus! Jubel gab es für die Hauptdarsteller Jens Janke und Marie Smolka, aber auch für Johanna Lindinger und Julia Klein.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

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