Ausgrabung eines musikalischen Schatzes in Coburg: „Der Barbier von Bagdad“ von Peter Cornelius (Vorstellung: 3. 5. 2013)
Das Liebespaar Margiana (Julia Klein) und Nureddin (Thomas Volle) – Foto: Andrea Kremper
Im Landestheater Coburg wurde Ende April ein musikalischer Schatz ausgegraben, der zuletzt sehr lange im Verborgenen ruhte: „Der Barbier von Bagdad“ des deutschen Komponisten Peter Cornelius (1824 – 1874). Er war in Weimar ein prominenter Parteigänger von Franz Liszt, der 1858 am dortigen Hoftheater die Uraufführung der komischen Oper leitete, deren Text der Komponist nach einer Erzählung aus „Tausendundeiner Nacht“ selbst verfasste.
Dass diese Oper heuer – im Wagner-Jahr 2013 – gespielt wird, hat einen guten Grund. Peter Cornelius war im Jahr 1865 Assistent von Richard Wagner in München und galt als großer Wagnerianer, stand aber als Komponist ganz im Schatten des Bayreuther Meisters. Nach eigenem Bekunden wollte Cornelius, der übrigens der Neffe des einflussreichen romantischen Malers Peter von Cornelius war, „sinnige und milde Begrenzung und Befestigung des von Wagner in seiner besten Zeit Errungenen“ sein.
In seiner Vorschau auf den „Barbier von Bagdad“ schreibt das Landestheater Coburg: „Weisheit und Exotik verbinden sich im ‚Barbier von Bagdad‘ mit deutscher Romantik. Die Tenor-Partie des Nureddin zählte lange zu den Paraderollen der Tenöre wie Rudolf Schock oder Fritz Wunderlich. Und sicher ist es an der Zeit, der sogenannten deutschen Spieloper eine neue Chance zu geben und ihren Schatz zu heben. Vor allem im Wagner-Jahr.“
Der Barbier (Michael Lion)seift Nureddin (Thomas Volle) ein (Foto: Andrea Kremper)
Der südafrikanische Regisseur Alessandro Talevi siedelte das Stück um den liebeskranken Nureddin, der sich nach seiner heißgeliebten Margiana verzehrt, in einem Spital an. Nun ja, Liebeskranke begeben sich in unseren Breiten eher selten in ein Krankenhaus, aber seine Inszenierung – zwischen Traum und Wirklichkeit pendelnd – entbehrte nicht eines gewissen Reizes. Erfreulich, dass auch der Humor nicht zu kurz kam und viele Szenen mit Ironie und einem Augenzwinkern inszeniert waren. Am Schluss, als sich das Verwirrspiel um Liebe und Mordanschuldigungen aufgeklärt und alles zum Besten gewendet hat, tritt neuerlich eine Krankenschwester an ein leeres Spitalsbett und glättet liebevoll das Leintuch. War alles nur ein Traum von Nureddin?
Dazu lieferte ihm Tobias Hoheisel, der für Bühne und Kostüme verantwortlich war, ein orientalisches Ambiente mit reizvollen Postkarten-Ansichten von Bagdad und prunkvollen Kostümen. Auch die Lichtgestaltung von Thilo Schneider trug durch kreative Einfälle zum optischen
Genuss der Vorstellung bei.
Die melodische Fülle dieser durchkomponierten Oper, in der Arien, Duette und Ensembles ineinanderfließen und in deren Ouvertüre auch Leitmotive anklingen, war bei der Dirigentin Anna Sophie Brüning in besten Händen, die das Philharmonische Orchester des Landestheaters Coburg sehr umsichtig leitete und für eine musikalisch transparente Wiedergabe der Partitur sorgte.
Sehr spielfreudig präsentierte sich das ausgewogene Sängerensemble in dieser pfiffigen und humorvoll dargebrachten Geschichte aus Tausendundeiner Nacht. In der Titelrolle brillierte der Bassist Michael Lion sowohl schauspielerisch als ewig lästiger und aufschneidender Barbier wie auch stimmlich. Köstlich gesungen seine große Arie „Bin Akademiker, Doktor und Chemiker“ und seine Schlussansprache „Heil diesem Haus – Salamaleikum!“
Der junge und fesche Tenor Thomas Volle spielte den vor Liebe fiebernden Nureddin sehr realistisch. Schade, dass seine angenehm klingende Stimme im ersten Akt ein störendes Vibrato aufwies. Drollig wirkte er als vom Barbier genervter Liebhaber im zweiten Akt in seiner Szene mit Margiana, die von der hübschen Sopranistin Julia Klein mit ihrer hellen Koloraturstimme überzeugend gesungen und dargestellt wurde. Mit ihrer Vertrauten Bostana, deren Rolle von der Mezzosopranistin Gabriela Künzler dargestellt wurde, erklang das humorvolle Duett „Er kommt! Er kommt!“ in stimmlichem Gleichklang.
Eindrucksvoll und glaubhaft gestaltete der Tenor Karsten Münster mit kräftiger Stimme die Rolle des Kadi, der seine Tochter Margiana schon längst an seinen Freund Selim verkuppelt und bereits märchenhaft reiche Brautgeschenke in Empfang genommen hatte. Sein realistisch ausgetragener Streit mit dem Barbier nahm gefährliche Formen an und konnte erst durch das Eingreifen des Kalifen, in Würde seines Amtes ziemlich steif vom Bariton Falko Hönisch gespielt, geschlichtet werden. Die drei Muezzins wurden von den beiden Tenören Jae Han Bae und Tae Kwon Chu sowie vom Bass Simon van Rensburg gesungen.
Der Chor und Extrachor des Landestheaters Coburg sowie die Herren vom Chor Choruso, die vor allem während des großen Streits zwischen dem Barbier und dem Kadi stimmlich gefordert waren, wurden von Lorenzo Da Rio einstudiert.
Lang anhaltender Applaus des begeisterten Publikums am Schluss der Vorstellung für alle Mitwirkenden, einige Bravo-Rufe für die Dirigentin. Dass auf viele Besucher die so selten aufgeführte Oper einen nachhaltigen Eindruck machte, erlebte ich an der Garderobe, wo einige Besucher frohgemut den Schlussgesang „Salamaleikum“ anstimmten.
Udo Pacolt, Wien