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BURGSTEINFURT BAGNO-KONZERTGALERIE: GALA ZU GLUCK 300 mit Raffaella Milanesi

Burgsteinfurt Bagno-Konzertgalerie am 30. August 2014: Gala zu Gluck 300

 Kammerorchester l’Arte del mondo und Raffaela Milanesi aus „Tito“ und „Don Juan“

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Raffaela Milanesi, Werner Erhardt. Foto Josef Schwermann

Zu den Opernkomponisten, die  wegen eines runden Geburtstages in diesem Jahr häufig aufgeführt werden wie Richard Strauss, oder weniger häufig wie Eugen d’Albert, zählt auch Christoph Willibald Gluck, der vor 300 Jahren geboren wurde.  Viele grosse und  nicht so grosse Musiker bewunderten ihn vor allem wegen seiner Reformopern angefangen mit „Orfeo ed Euridice“, in denen  Text und Musik gleichwertig behandelt werden sollten unter Verzicht auf überflüssiges „Virtuosenfutter“ für die Sänger.  Bevor er die Opernreform umsetzte, hatte er  bereits fast dreissig Opern, viele Pasticci und Ballette komponiert, darunter auf ein Libretto von Metastasio die Oper  „La Clemenza di Tito“,  auf denselben Text also, den auch Mozart später benutzte. Das Genie Mozarts und seines Textdichters Caterino Mazzolà fast vierzig Jahre nach Gluck zeigt sich darin, daß sie den langen Text Metastasios zusammenfaßten, um bei normaler Länge eine Oper mit  abwechslungsreicher  Musik, Ensembles und Chören zu gestalten. Gluck hingegen vertonte den gesamten Text als „opera seria“ abgesehen von einem kurzen Schlußchor nur in (Secco-) Rezitativen und  (daCapo-) Arien, was zu einer Spieldauer von vier Stunden führt.  Die neue Gesamtausgabe der Werke Glucks gab wohl auch  Anlaß, daß das Orchester „L’Arte del mondo“ unter seinem Gründer und  Leiter Werner Erhardt auf vier CD’s eine Gesamtaufnahme der Oper einspielte.

 Einen Eindruck davon  vermittelte am vorigen Samstag ein Gala – Konzert zur Saisoneröffnung in der Bagno-Konzertgalerie in Burgsteinfurt  mit eben diesem Orchester und der Sängerin des „Sesto“, Raffaella Milanesi. Es sei erinnert, daß dieser Sesto, angestiftet von seiner geliebten Vitellia, verspricht, Kaiser Tito zu töten, obwohl er dessen enger Vertrauter ist. Der Plan mißlingt und Sesto muß mit einem Todesurteil rechnen, bevor ihn Kaiser Tito begnadigt. Insofern ist in den fünf Arien des Sesto, die alle erklangen, der Inhalt der ganzen Oper nachzuvollziehen, wozu die jeweils einleitenden Erläuterungen von Dirigent Werner Ehrhardt sehr hilfreich waren. Die Mezzo-Partie des Sesto war bestimmt für den berühmten Kastraten Caffarelli. So gibt es einmal Arien im früheren Stil Glucks, vor allem die „Bravourarie“ „Fra Stupido“, die Sestos Gemütszustand zeigt, als er erfährt, daß Tito überlebt hat. Hier konnte die Sängerin temperamentvoll alle virtuosen Stimmkünste  zeigen, blitzende Koloraturen bis in höchste Höhen, Tonleitern herauf und sehr tief  herunter, brillante Triller, aber auch einen stimmlich ruhigeren Mitteilteil, das alles, um  Sestos Verwirrtheit musikalisch darzustellen. Fast noch besser gelangen Raffaella Milanesi die für ihre wohlklingende Mittellage so passenden Arien, die Glucks spätere raffiniert instrumentierte „Natürlichkeit“ vorwegnehmen, wie die zweite  „Parto, ma tu“ die Sestos bedingungslose Liebe zu Vitellia schildert, und ganz besonders die  vierte schon zu Glucks Lebzeiten sehr berühmte Arie „Se mai senti spirarti“, die er später in „Iphigenie auf Tauris“ verwendete. Nach einer fast impressionistischen Orchestereinleitung fand die Sängerin ganz anrührenden Ausdruck, wie Sesto der Vitellia seine über den erwarteten Tod hinaus andauernde Liebe als „Lufthauch“ schildert. Perfektes Legato und ausdrucksvolles inniges piano bis in tiefe Lagen liessen diese Arie zum ergreifenden Höhepunkt des Abends werden. Obwohl Frau Milanesi im Gegensatz zu ihrem Repertoire zwischen Monteverdi und Donizetti die Partie nie auf der Bühne gesungen hat, unterstrich sie die den Gesang durch passende Gesten.

Meisterhaft war auch die Begleitung durch das Orchester. Schon mit der einleitenden Sinfonia – im Stil der Zeit in drei Sätzen schnell, langsam, schnell – wurde die zwischen rhythmischen Akzenten und ruhigeren Passagen wechselnde kontrastreiche Musik sehr gelungen hörbar..Das zeigten auch die zwischen den Arien aus „Tito“ gespielten Teile von Glucks Ballettmusik zu „Don Juan“, zu seinen Lebzeiten eines seiner beliebtesten Werke. Gluck gilt ja auch als Ballettreformer, dies ist das erste Ballett, das eine durchgehende Handlung erzählt. Hier konnten mehr noch als in der Oper Mitglieder des Orchesters solistisch glänzen,  vor allem Holzbläser und die beiden Hörner.. Unter den verschiedenen Tänzen durfte natürlich das „Moderato“ nicht fehlen, das Mozart in „Figaros Hochzeit“ verwendet, hier in stampfendem Rhythmus gespielt. Furios mit schneidenden Akkorden und schrillen Dissonanzen fuhr Don Juan in die Hölle zur Musik, die später als „Furientanz“ in „Orpheus und Euridike“ berühmt wurde.

Der Beifall des Publikums schon nach der ersten Arie mit zweitem Hervorruf der Sängerin,  mit Bravos vor der Pause  und ganz langem Applaus – auch rhythmisch – zum Schluß zeigte, daß Glucks Musik auch im als stur verschrienen Westfalen sehr begeistern konnte. Dazu trug aber auch wie immer bei der so bewundernswert restaurierte zur Entstehungszeit der Musik passende älteste freistehende Konzertsaal Europas. Als Zugabe bedankte sich die Sängerin – fast konnte man damit rechnen – mit „Lascia la spina“ von Händel, nun ein Stück, das (fast) jeder im Publikum kannte.

 Sigi Brockmann   1. September 2014

 

CD-Empfehlung: Gluck “La Clemenza di Tito“ Weltersteinspielung erschienen Mai 2014 beim Label dhm mit R. Trost, L. Aikin, R. Milanesi, A. Ezenarro V. Sabadus, F. Ferri-Benedetti Kammerorchester l’Arte del mondo ML Werner Erhardt

 

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