BUDAPEST
23.04.2022: „IVÁN NAGY VI. NEMZETKÖZI BALETTGÁLA“. – glanzvolle Ballettgala zu Ehren von Iván Nagy
Mit der jährlich stattfindenden Iván Nagy Ballettgala – nur unterbrochen durch die Pandemie – wird einem Künstler gedacht, der einer der populärsten ungarischen Tänzer von internationalem Rang war. Geboren 1943 in Debrecen, erhielt er seine Ballettausbildung an der Ungarischen Ballettakademie. Er tanzte u.a. beim New York City Ballet und beim American Ballet Theater. In letzterer Compagnie war er in den 70er Jahren der Partner von Stars wie Natalia Makarova, Gelsey Kirkland, Cynthia Gregory oder Carla Fracci; mit Dame Margot Fonteyn tanzte er auf ihren Tourneen. Bereits mit 35 Jahren zog er sich beim ABT zurück und beschränkte sich auf Gastauftritte in verschiedenen Ensembles. Nach seiner Tätigkeit als künstlerischer Ballettdirektor in Santiago de Chile, beim Cincinnati/New Orleans Ballet und English National Ballet, wurde er 2012 von Ballettdirektor Tamás Solymosi als künstlerischer Berater ins Ungarische Nationalballett zurückgeholt, wo Iván Nagy 2014 während der Vorbereitungen für die „La Sylphide“-Premiere überraschend im Alter von 70 Jahren in Budapest starb.
Pas de trois: Balaban Cristina, Felméry Lili und Morimoto Ryosuke. Foto: Attila Nagy/Ungarische Staatsoper
Seit der feierlichen Wiedereröffnung der Ungarischen Staatsoper nach fünf Jahren der General-Renovierung steht für das Ungarische Nationalballett ein Höhepunkt nach dem anderen auf dem Programm: nach der Serie der „Mayerling“-Aufführungen Mitte März gab es am 22. April unter dem Titel „Without Limits“ in den Eiffel Art Studios die Premiere eines dreiteiligen Ballettabends. Zu den bereits seit längerem im Repertoire befindlichen beiden zeitgenössischen Choreografien The Vertiginous Thrill of Exactitude von William Forsythe und „Études“ von Harald Lander wurde erstmals in Ungarn die „Paquita-Suite“ präsentiert. Alle drei Werke fußen auf klassischer Technik, dennoch stellt letzteres eine ganz besondere tänzerische Herausforderung dar. Es gibt nur wenige klassische Ballettstücke, von denen es derart viele Versionen gibt.
Eleganter Corps de ballet-Tänzer: Nakamura Junnosuke (Auver-Variation). Foto: Attila Nagy/Ungarische Staatsoper
Schlussapotheose der „Paquita-Suite“: Melnik Tatiana und Balázsi Gergö Ármin mit corps de ballet. Foto: Attila Nagy/Ungarische Staatsoper
Dieses Juwel stand nun auch als glanzvoller Schlusspunkt im zweiten Teil der 6. Iván Nagy-Ballettgala auf dem Programm. „Paquita“ wurde als zweiaktiges Handlungsballett ursprünglich Mitte 19. Jahrhundert in Paris von Joseph Mazillier choreografiert zu Musik von Édouard Delvedez. Knapp 40 Jahre später erlebte dieses Ballett in der Version von Marius Petipa sein Revival, der mit dem Komponisten Ludwig Minkus zusammenarbeitete und zahlreiche Ergänzungen vornahm. Heutzutage zumeist als „Paquita-Suite“ oder „Paquita Grand Pas classique“ bekannt, wird hier klassischer Tanz par excellence geboten und ist ein Gradmesser für technische Bravour. In einer Adaptierung von Tamás Solymosi und einstudiert von Albert Mirzoyan und Irina Prokofieva wurden hier zahlreiche diffizile Variationen präsentiert. Im glanzvollen Opernhaus kamen die prunkvolle Szenerie von Oleg Molchanov und die edlen Kostüme von Nóra Romanyi ausnehmend gut zur Geltung. Zeigten sich die Herren als besonders sprungstark, so gefielen die Damen durch anmutige Fußarbeit auf Spitze. Besonders hervorzuheben Eleganz und Stil sind hier Melnik Tatiana und Balázsi Gergö Ármin sowie im Pas de trois Balaban Cristina, Felméry Lili und Morimoto Ryosuke. Kosyreva Diana (spanische Variation), Nakamura Junnosuke (Auber-Variation), Barbaglia Matilde (Armide-Variation), Rónai András (Talismann-Variation) sowie Sharipova Elena (Trilby-Variation) reüssierten ebenso. Entzückend waren die Studierenden des Ungarischen Nationalen Ballettinstituts. Das Orchester stand unter der Leitung von László Kovács.
Begonnen wurde mit zeitgenössischen Piecen zu Musikeinspielungen. Der Einstieg in den Ballettabend erfolgte durch „Sad Case“ von Sol León und Paul Lightfoot. Inspiriert durch die Schwangerschaft von Sol León und die damit verbundenen wechselnden Emotionen bedingt durch die besondere Hormonsituation entstand dieses Stück 1998. Zu lateinamerikanischer Musik wurde von zwei Tänzerinnen und drei Tänzern ein Feuerwerk an pulsierender Energie auf die Bühne gebracht. Die außergewöhnliche Bewegungssprache des Choreografen-Duos verlangt hohe körperliche Elastizität: Gummipuppen gleich, mit den unglaublichsten Verrenkungen, begeisterten Furuhashi-Huber Inés, Lee Yourim, Palumbo Valerio, Kiyota Motomi und Sardella Francesco mit präziser Umsetzung der mitreißenden temporeichen Rhythmen als Spannungsfeld zwischen Satire und Ernsthaftigkeit.
Das NdB in „Rossini“: Joao Gomes, Ryunosuke Ishikawa, Manuele Bonzenello, Shoma Ogasawara, Stefano Sacco und Solomon Osazuva. Foto: Attila Nagy/Ungarische Staatsoper
Als Gäste war die Compagnie des Nationaltheaters Brno eingeladen. Das NdB – Národní divadlo Brno – zeigte zwei Stücke seines Ballettchefs Mário Radačovský. Das „Black and White Trio“, getanzt von Klaudia Radačovská, Martin Svobodnik und Arthur Abram bot durch die tänzerische Interaktion von Prinz, Rotbart und schwarzem Schwan einen ungewöhnlichen Blick auf das traditionelle „Schwanensee“-Thema. „Rossini“ als Ausschnitt aus dem Stück „Michelangelo“ zu Musik von Gioachino Rossini stellte die männliche muskulöse Plastizität angelehnt an die Posen von Bodybuildern in den Mittelpunkt: verkörpert durch sechs Tänzer wird zwischen Ideal und Idee, Realität und Phantasie changiert, sind die Männer zugleich Skulptur und Individuum. Neben Joao Gomes, Ryunosuke Ishikawa, Manuele Bonzenello, Shoma Ogasawara und Stefano Sacco ist auch Solomon Osazuva zu sehen, der von der Ballettakademie der Wiener Staatsoper kommt.
Das Publikum war sehr angetan vom Dargebotenen und applaudierte heftig und langanhaltend. Gyüdi Melitta führte mit informativen Ausführungen durch das Programm.
Das Ungarische Nationalballett bekam durch die Generalsanierung und Renovierung der Ungarischen Staatsoper nicht nur im Haus neue große Ballettsäle, auch die Garderoben und Nebenräume wurden erneuert und ermöglichen nun zusammen mit den Räumen in den Eiffel Art Studios optimale Trainings- und Probenmöglichkeiten zur Vorbereitung der Vorstellungen, ebenso sind Bühnenbildmalerei oder Schneiderei, etc. ebenfalls in den Eiffel Art Studios untergebracht.
Solymosi-Award verliehen an Olga Chernakova, hier mit Ballettdirektor Tamás Solymosi. Foto: Attila Nagy/Ungarische Staatsoper
Traditionellerweise wird bei der Iván Nagy-Ballettgala jeweils der Solymosi-Preis für außergewöhnliche tänzerische Leistungen verleihen. Diesmal erhielt Chernakova Olga diese Auszeichnung, überreicht von Tamás Solymosi. Sie ist Halbsolistin im Ungarischen Nationalballett und unterrichtet auch seit einigen Jahren als Pädagogin den ungarischen Ballettnachwuchs. Die Erfolge des Teams an Pädagogen können sich sehen lassen – so gab es kürzlich nicht nur Preise beim Berliner Tanzolymp, auch beim Ballettwettbewerb im italienischen Lecce vor wenigen Wochen errangen die jungen Tänzerinnen und Tänzer des Ungarischen Nationalen Ballettinstituts fünf Goldmedaillen, fünf Silbermedaillen und eine Bronzemedaille, womit die ungarische Ballettinstitution als beste Ballettschule ausgezeichnet wurde.
Ira Werbowsky
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