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BRÜNN: DAS WUNDER DER HELIANE von Korngold. Derniere

21.11.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Brno:  KORNGOLD Das Wunder der Heliane (Premiere 27.9., besucht wurde die Dernière am 20.11.) –


Norbert Schmittberg, Sally du Randt. Foto: Nationaltheater Brünn

Im Rahmen einer Koproduktion des Pfalztheaters Kaiserlautern mit dem Narodni divadlo Brno kehrte diese selten aufgeführte Oper endlich in die Geburtsstadt ihres Komponisten zurück. Korngolds vierte Oper in drei Akten, „Das Wunder der Heliane“, op. 20, wurde am 7.10.1927 im Stadttheater Hamburg uraufgeführt. Als Vorlage diente dem Librettisten Hans Müller-Einigen (1882-1950) das Mysterienspiel für Musik „Die Heilige“ von Hans Kaltneker (eigentlich Hans von Wallkampf 1895-1919), eines Hauptvertreters des österreichischen Expressionismus. Trotz seiner freien Umarbeitung erkennt man im Libretto dennoch die zentralen Themen Kaltenekers: Schuld und Sühne, Leid und Erlösung. Vielen Werken Kaltenekers begegnet der Vorwurf, mystisch-verkitscht zu sein, man muss aber bedenken, dass sie im Bewusstsein des frühen Todes des an Lungentuberkulose unheilsam Erkrankten entstanden und allesamt erst posthum veröffentlicht wurden.

Worum geht es nun im Wunder der Heliane: Der tyrannische Herrscher regiert sein Land äußerst grausam. Lieblosigkeit herrscht, bis ein Fremder Leben und Freude bringt. Er wird eingekerkert und zum Tode verurteilt. Heliane, die Königin erscheint, um den Fremden zu trösten und die beiden, wie könnte es anders sein, verlieben sich ineinander. Auf die Bitte des Fremden hin, entkleidet sich Heliane und der unerwartet hinzutretende König klagt Heliane des Ehebruchs an. Er übergibt ihr einen Dolch, damit sie sich selbst töte. Der herbeigeholte Fremde küsst Heliane, entreißt ihr den Dolch und tötet sich. Der Herrscher verlangt nun von Heliane ein Gottesurteil, um die Wahrheit heraus zu finden: Sie soll den Toten erwecken. Entrückt sagt diese zu. An seiner Totenbahre, vor dem König, den Richtern und dem Volk bekennt Heliane nun ihre Liebe und der aufgehetzte Mob will sie verbrennen. Da plötzlich erhebt sich der Fremde, setzt der Macht des Tyrannen ein Ende und beide ziehen in das Reich der ewigen Liebe. Der Vorhand öffnet sich erneut und der Herrscher erschießt sich.

Die Inszenierung stammt ursprünglich von Johannes Reitmeier, der die Handlung bewusst in das Uraufführungsjahr 1927 verlegte. Für Brünn wurde sie von Heinz Lukas-Kindermann adaptiert. Die Bühnenbilder von Daniel Dvořák zitieren den zeitgleich entstandenen Film „Metropolis“ von Fritz Lang. Ein großes Turbinenrad und Maschinenteile weisen die Szene als Fabrikshalle aus. Thomas Döfler steuerte zeitlose Kostüme bei. Der Herrscher tritt im ersten Akt wie der Firmenchef auf, im zweiten Akt erinnert er dann mehr an Forest Withaker als Idi Amin im Film „The Last King of Scotland“ (2006). Heliane erscheint in einer gläsernen Phiole, die aus dem Bühnenuntergrund heraufsteigt. Bei ihrem ersten Auftritt wirkt sie bereits „entrückt“. Die Richter sitzen allesamt in Rollstühlen und tragen rote Roben. Als Inquisitoren können sie nur die Todesstrafe verhängen. Eine kahlköpfige Botin in Reizwäsche fungiert als Drahtzieherin. Das kitschige Ende der Oper wird von Reitmeier überzeugend aufgelöst: Angestiftet von der Botin, erschlägt das Volk Heliane. Mit weißer Unterwäsche bekleidet entweicht ihre „Seele“ dem leblosen Körper und findet sich in einer Wiedervereinigung mit dem auferstandenen Fremden. Beide sind nun vollkommen weiß gekleidet und schreiten zum Bühnenvordergrund, ein Zwischenvorhang verhüllt die übrige Szene. In einem langen Schlussduett, das an jenes der Ariadne auf Naxos erinnert, nehmen die Liebenden voneinander Abschied und gehen in entgegengesetzter Richtung ab.

In der Titelrolle überzeugte Sally du Randt mit einer expressiven Höhe und einem hellleuchtenden Timbre. Die Partie steht an Schwierigkeitsgrad der Kaiserin oder der Turandot in nichts nach und die Sängerin schafft diese gewaltige Leistung über weite Strecken ohne merkliche Einbrüche. Brava!

Norbert Schmittberg mühte sich hörbar mit der äußerst schwierigen Partie des Fremden, die Tristan-Ausmaße besitzt, ab. Mehrmals musste er in den hohen Lagen markieren und besonders eng wurde es bei den vielen Spitzentönen, die häufig wegbrachen oder kaum hörbar angesungen wurden.


Derrick Lawrence. Foto: Nationaltheater Brünn

Bariton Derrick Lawrence als Herrscher erinnert rein äußerlich tatsächlich etwas an Idi Amin. Seine Stimme klingt solide, wenn auch nicht außergewöhnlich.

Expressiv gesanglich wie darstellerisch die Hausbesetzung der androgynen Botin von Jana Wallingerová. Leider ist sie textlich nur schwer zu verstehen. In kleineren aber ebenso wichtigen Rollen ragten stimmlich besonders der blinde Schwertrichter Zoltán Korda und der Pförtner Jan Št‘áva aus dem Ensemble heraus. Zum Erfolg des Abends trugen noch Ivan Choupenitch als junger Mann und Petr Leviček, Petr Cisař, David Nykl,Tomaš Krejčirik, Jiři Brückler und Jiri Klecker als sechs Richter bei.

Der Chor unter Pavel Koňárek sang äußerst qualitätsvoll. Peter Feranec, der neue musikalische Leister der Brünner Oper hatte seinen vielversprechenden Einstand mit dieser Opernrarität gefeiert. Wahre Klangkaskaden und aufrauschende Orchesterwogen kennzeichnen diese gut instrumentierte, farbenreiche Partitur, die jene der bekannteren „Toten Stadt“ noch bei weitem übertrifft. Die Musiksprache erinnert an den späten Strauss (Daphne) und Schreker. Gegen Ende der Oper meint man gar Tristan-Anklänge herauszuhören.

Dem anwesenden Publikum und auch dem Rezensenten der Dernière hat diese Begegnung mit einer absoluten Rarität der Opernliteratur, die es verdiente in ansprechender Besetzung häufiger aufgeführt zu werden, große Freude bereitet. Der Applaus und die Bravo-Rufe fielen dementsprechend großzügig aus!

Harald Lacina

 

 

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