Boris Eifman: „Ich diene den Menschen und es macht mich glücklich, wenn ich sie glücklich machen kann.
Zwischen den bejubelten Gastspielen seiner Compagnie in Prag und Bratislava war Choreograf und Compagniechef Boris Eifman für zwei Tage in Wien, um die Besetzung für „Red Giselle“ auszuwählen. Dieses Ballett über die klassische Tanzkunst einerseits und die Tänzerin Olga Spessivtseva und ihr Leben andererseits ist ab 12. April an der Wiener Volksoper mit dem Wiener Staatsballett zu sehen. Eifman ist Ballettchef Manuel Legris sehr dankbar, dass diese Produktion in Wien möglich ist. Bereits von der Arbeit zu „Anna Karenina“ kennt er die Wiener Tänzer. Diesmal möchte Eifman auch den vielen jungen Talenten im Staatsballett die Gelegenheit geben, sich in seinem Stück zu profilieren. Wer Eifmans Stil kennt, weiß, dass er eine sehr kraftvoll-dynamische und akrobatische Bewegungssprache benützt, die seine Psychotanzdramen mit starker Energie tänzerisch umsetzen. Für Wien wird er seine Version von „Red Giselle“ adaptieren, sie auffrischen und so die Tänzer spüren lassen, was für eine Kraft die Macht des Körpers hat. Er freut sich schon jetzt auf die Arbeit mit der Wiener Compagnie.
Er kreiert Psychotanzdramen: Choreograf Boris Eifman. Photo provided by Eifman Ballet of St. Petersburg
Aktuelles: auf Tournee mit „Rodin“
Mit seiner eigenen Compagnie ist er gerade wieder auf Gastspiel in Europa. Diesmal mit „Rodin“, seiner Kreation über den berühmten französischen Bildhauer. Was hat ihn an dieser Persönlichkeit fasziniert? „Er hat mit dem menschlichen Körper gearbeitet – und ich als Choreograf mache das auch. Rodin hat sich bemüht, das Geheimnis des menschlichen Körpers zu entdecken und dieses Geheimnis in seinen Skulpturen zu fixieren. Ich mache Ähnliches, ich versuche in meiner Arbeit die Bewegungen des menschlichen Körpers herauszufiltern“, erläutert Eifman. „Rodin steht mir als Figur sehr nahe. Seine Aufopferung für die Kunst, seine Zielstrebigkeit, seine genialen Werke haben mich inspiriert. Und natürlich die fatale Beziehung zu Camille Claudel. Sie hat wunderbare eigene Werke geschaffen, bevor sie Rodins Muse wurde. Diese Beziehung war von Liebe und Hass geprägt. Rodin hat alles von ihr genommen. Camille Claudel hat ihre Liebe, ihren Körper, ihr Talent für ihn geopfert. Dann hat er sie hintergangen und betrogen und sie dadurch zerstört. Camille Claudel verbrachte ihre letzten 30 Lebensjahre in einer Anstalt“, führt er weiter aus. „Ich bin erstaunt, dass noch niemand vor mir dieses Sujet als Vorlage für ein Ballett genommen hat“, wundert sich Eifman. Normalerweise verwendet er Musik von russischen oder deutschen Komponisten; für „Rodin“ hat er erstmals Werke französischen Ursprungs eingesetzt – Maurice Ravel, Camille Saint-Sans und Jules Massenet. „Ich bin in den Ozean der Musik eingetaucht, habe mich vertieft um die passenden Musikstücke herauszusuchen. Ich habe mich in diese Musik verliebt“, lächelt er.
Künftiges: neue Stücke, neue Pläne
Der Unermüdliche, der schon mehr als 40 Choreografien geschaffen hat, sagt über die Anzahl und Vielfalt seiner Stücke, dass er aufgehört hat sie zu zählen. Wie entsteht eine neue Kreation? „Ich beschäftige mich lange mit dem Stoff, das muss in einem Prozess wachsen“, beschreibt er sein Schaffen. Da es viele Gastspiele gibt, arbeitet er nicht durchgehend an einer neuen Choreografie. Er steckt bereits mitten drin in den Vorbereitungen für sein neuestes Ballett: „Tender is the Night“, nach dem Roman von F. Scott Fitzgerald hat im Jänner in St.Petersburg zu Musik von Gershwin, aber auch Schubert, Schönberg und Berg Uraufführung. Anfang Februar gastiert seine Balletttruppe damit in Paris. Viele seiner Kreationen sind dunkel-düster, psychologisch und dramatisch-tragisch wie u.a. „Brüder Karamasov“, „Tschaikowski“ oder auch „Onegin“; nur einige sind spritzig-leicht unterhaltsam wie z.B. „Who is Who“, „Don Quixote“, „“Hochzeit des Figaro“ oder auch seine Shakespeare-Ballette.
Eifman ist seit Jahren mit seiner Compagnie erfolgreich unterwegs. Es gibt weltweit viele Einladungen, die er mit seinem Ensemble gerne annimmt. Eine eigene Tanzakademie gibt es bereits in St.Petersburg, aber ein eigenes Theater fehlte ihm noch bislang. 2017 wird dann sein Palace of Dance in St.Petersburg eröffnet werden. Ein Theaterhaus mit einer großen und einer kleinen Bühne. Sein Traum, seine Vision wird damit verwirklicht. „Und dann wird das Staatsballett Wien die erste Compagnie sein, die bei mir gastieren wird“, meint er.
Ballett als Lebenselixier
„Ballett ist mein Leben, ich liebe es!“ meint er begeistert. „Ein Ballett auf die Bühne zu bringen kostet viel Zeit und Kraft, aber man vergisst die Müdigkeit, wenn man dann die Ovationen des Publikums nach der Premiere bekommt.“ – Die Sympathie der Zuschauer, die ihm entgegen gebracht wird, lässt ihn daraus seine Energie für das Nächste, Kommende schöpfen wie für die bevorstehenden Einstudierung von „Red Giselle“ in Wien, die demnächst für ihn auf dem Terminplan steht: „Ich warte schon ungeduldig darauf, damit zu beginnen“.
Ira Werbowsky