BONN: SNOW WHITE – DAS MUSICAL von Frank Nimsgern
Grimms Märchen als charmantes modernes und fantasievolles XANADU. Relaunched an der OPER BONN – Premiere 2.9.2012
Foto: Ilona Szokody
Wir werden mit Schneewittchens allein auf dem Filmsektor überschüttet. Allein 2012: Grimms „Snow White“ (Eliza Hope Bennet), Julia Roberts (Spieglein, Spieglein), oder Charlize Theron (Snow White & The Huntsman) – da wir ja nur über gute Filme reden, erwähnen wir die letzten Snow-Whites, die alle im Boom 2012 wieder auf DVD erschienen, wie Sigourney Weaver, Shanley Caswell bzw. Miranda Richardson lieber nicht – es wird noch mehr geben.
Doch jetzt geht es um Snow White – das Musical – in Bonn. Eine sogenannte „relaunched Version“ (UA war 2000) vom mittlerweile international renommierten Künstler, weltweit gefragten Topgitaristen und Musicalkomponisten Frank Nimsgern, der immerhin, neben diversen anderen Preisen, mit der „Goldenen Europa“ ausgezeichnet wurde. Nimsgern ist ein Universalgenie, wofür nicht nur seine diversen Tatort-Musiken sprechen, sondern auch die gewaltige Zahl von über zwei Millionen (!) Besuchern seiner bisherigen Werke; u.a. Elements, Hexen, Hänsel & Gretel, Phantasma, Paradise of Pain oder sein hier in Bonn 2007 aufgeführter „Ring“. Keine geringere als Opernweltstar Anna Netrebko sang in seiner berühmten Orchester-Suite „Ocean of Love“. Er hat es sich nicht nehmen lassen mit seiner schon legendären Frank Nimsgern Group immerhin jeden der geplanten 20 Termine live auf der Bonner Opernhaus-Bühne zu begleiten. Da tanzt der sprichwörtliche Bär und es geht die Post ab!
Ein weiterer Glücktreffer ist, dass Frank Felicetti, verantwortlich für das Textbuch, in Bonn auch die Hauptrolle des Zwergenbosses Minitou übernimmt und grandios gestaltet; seine begnadeten Fähigkeiten in Sprache, Gesang und Stimm-Imitation erweckten beim Premierenpublikum am Sonntag stürmischen, nicht enden wollenden Zwischen und Final-Applaus. Grandios bringt er sich auch noch in die Choreografie seiner tanzen Mitzwerge ein. Schon hier ein dreifaches „Bravo!“ vom Rezensenten.
Ein wesentliches Merkmal dieser Produktion sind die fabelhaften Film- und Bildprojektionen – wobei der großartige Regisseur (auch als Fotograf bekannt) hier nicht nur für selbige verantwortlich zeichnet, sondern auch für die gesamte Bühnengestaltung. Der international bekannte Regisseur (u.v.a. Arbeiten in Wien, Barcelona, Brüssel, Cambridge, Lübeck, Hamburg und Aachen) ist ein gefragter Mann. Allein seine letzten Musical-Aufführungen, Blood Red Roses, Catharine, Falco meets Amadeus, Gambler, Gaudi, Schwejk und Phantasma, sahen über 3,5 Millionen Besucher.
Die bekannte Tänzerin und Choreografin Brigitte Breternitz (neben vielen anderen diverse Arbeiten für große TV-Anstalten & Video-Produktion bekannter Werbeclips, mit eigener Tanzschule in Köln) verantwortet die neu erstellte Choreografie, welche sie ausgesprochen fein ausziseliert den einzelnen Hauptdarstellern und Ensembles individuell, quasi, auf den Leib schreibt. Sie passt dabei ihre Arbeit superb in die traumhaften Projektionen und Szenebilder Nimsgerns ein. Zusammen mit Judith Adam (Kostüme) ergänzt sie das Produktionsteam zum Dream-Team. Der Kritiker kann nur sagen: Wow! Schöner geht es kaum noch, wobei natürlich die Kostümbildnerin in einem Märchen-Musical viel Raum hat. Schauen Sie sich die tollen Bilder an. Dabei passen ihre Kostüme stets trefflich zur musikalischen Charakterisierung – vom lyrischen Balladenstil Snow Whites, der skurrilen Exaltiertheit der Hexen und der Königin (meist Heavy-Metal und Rock-Musik) und dem schon fast opernhaften Ton des Helden. Großartig auch die Gestaltung der Zwerge – das gewollte Kleider-Chaos entspricht der Hi-Hop-Musik.
Foto: Ilona Szokody
Das Gesamtkonzept ist einfach reizend und wunderschön gemacht. Spritzig, witzig und durchaus auch mal gruselig – daher wohl ab 12 Jahren empfohlen – kommt das natürlich etwas umgestellte Brüder-Grimm-Märchen daher. So ist, wie im Kinofilm, nicht der Königssohn, sondern der Jäger unser Held und Erretter, der natürlich unbedingt das Schneewittchen wachküssen muss, auch wenn vorher der giftige Apfel schon im hohen Bogen aus ihrem Mund flog, weil sich ein tollpatschiger Zwerg genau auf ihren Bauch gesetzt hatte. Die böse Queen hält sich selbstredend nicht mit drei Besuchen auf, sondern verpasst unserer bezaubernden Snow White gleich bei der ersten Visite alle drei tödlichen Requisiten auf einmal – wie abgrundtief böse! Dass sie am Ende geläutert wird, entspricht eigentlich auch nicht dem brutalen Happy End Gedanken der Brüder Grimm, wo sie ja am Schluss, nach gewaltvoller Anpassung glühender Eisenstiefel, sich rüde zu Tode tanzen muss. (Original BG!). A apropos Stichwort: Brüder Grimm! Kann man diese Horrormärchen Kindern schlechtweg überhaupt noch im Original erzählenß Ich stelle mir immer vor, was das für ein splatterhaftes Blutbad ist, wenn z. B. die böse Mutter im Märchen Aschenputtel ihren fiesen Töchtern am Ende die Zehen abhackt und die Ferse abschleift, damit sie in den präsentierten Schuh des Prinzen passen…
Für die Hauptpartien wurden renommierte Musicaldarsteller und Tänzer verpflichtet, die den durchweg hohen Anforderungen des Gesangs, wie des Tanzes hochprofessionell entsprachen. Aino Laos verfügt genau über die passende „Rockröhre“ für die Hauptrolle der Bösen. Sie hat ihre Qualitäten schon in unzähligen Plattenalben und auf diversen Tourneen bewiesen. Wo hingegen Snow White Michaela Kovarikova (bekannt aus: Tanz der Vampire, Jekyll & Hide, Ludwig 2, Evita…) mit ihrer lyrische Emphase und Stimmschönheit eine ideale Interpretation des Schneewittchens darstellt. Bravourös auch Jäger John Davies, Hexe Nina Alexandra Filipp und vor allem das Hexenteam mit Angelina Curilova, Tatjana Jentsch, Sandra Gabriela Malik, Kateryna Morozova und Valerie Potozki.
Bevor ich die Band würdige, muss ich die für mich eigentlichen Stars des Abends würdigen, nämlich die Zwerge; die Qualität von Seiltänzern, Tänzern, Sängern und Akrobaten waren soviel gefordert, wie die, einfach lustige Plaudertaschen. Hier präsentierte sich eine Truppe, die ich sofort an jeden Zirkus oder Varieté verkaufen könnte. Was diese Burschen, auch und besonders in ihrer profunden Individualität leisteten, war einfach fabelhaft. Genial witzige Dialoge und Sprüche sind ja nicht von allein witzig – hier gab es auch noch sieben Genies des Comedy. Das war wirklich Spitzen-Klasse; Dank für soviel Einsatz und Charme an Ayuk Bobga, René Buckbesch, Ludwig Mond, David Schmidt und Lin Verleger. Ich gebe Euch alle mir verfügbaren Opernfreund-Sterne und einen großen Musenkuß.
Komponist Frank Nimsgern spielt mit seiner schon legendären Band, der Frank-Nimsgern-Group, jeden Abend live. Alleine dafür lohnt sich der Abend, denn die Jungs haben echt was drauf. Da fetzt der Bär! Geile Sause! Cool! Melancholische Melodien zwischen Hip-Hop und Heavy Metal angesiedelt begeistern sicherlich alle Musikfreunde von 8 – 80. Ein Lichtblick im sonstigen internationalen Mehltau der stinklangweiligen Einheits-Kitsch-Musicals. Hier macht alles Spaß…
Liebe Musical-Freunde! Es gibt noch für fast alle Vorstellungen Hunderte von Karten. Fahrt hin, bevor die Geschichte auf Tournee geht, dann wird es richtig teuer. Stadttheater-Kartenpreise von zurzeit 14 – 49 Euro (Schülerermäßigung möglich) sind eigentlich bei diesem gigantischen und mega-teurem Aufwand und dieser hochkarätigen Qualität ein vorgezogenes Sonderangebot von Weihnachtspräsent. So preiswert werdet Ihr nie wieder eine dermaßen hochkarätige Musicalproduktion sehen und erleben. Da lohnt sich auch eine weitere Anreise nach. Ein schöner Theaterabend auch für die ganze Familie – ab 8 Jahren für senible Kids; aber ich würde das Stück auch schon für kinoerfahrende 6-Jährige freigeben.
Peter Bilsing – DER OPERNFREUND & www.MUSENBLAETTER.de
P.S.
Es gibt für schlappe 16 Euro eine tolle CD in überzeugender Studio-Qualität dieser Bonner Produktion.
SO. 16.09.12 // 18:00 UHR
SA. 22.09.12 // 19:30 UHR
FR. 02.11.12 // 19:30 UHR
SA. 10.11.12 // 19:30 UHR
FR. 23.11.12 // 19:30 UHR
SO. 23.12.12 // 18:00 UHR
MO. 31.12.12 // 15:00 UHR
MO. 31.12.12 // 19:30 UHR
FR. 25.01.13 // 19:30 UHR
DO. 31.01.13 // 19:30 UHR
DO. 14.02.13 // 19:30 UHR
SO. 17.02.13 // 18:00 UHR
SA. 02.03.13 // 19:30 UHR
FR. 08.03.13 // 19:30 UHR
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FR. 05.04.13 // 19:30 UHR
SA. 27.04.13 // 19:30 UHR