Dortmund: Lehár Der Graf von Luxemburg
Foto: Thomas M. Jauk Stage Picture
Premiere am 11. Januar 2014: DER GRAF VON LUXEMBURG – Operetten-Glückseligkeit – teils zum Mitsingen
An den riesigen Erfolg seiner „Lustigen Witwe“ konnte Franz Lehár mit einem ähnlichen Werk anknüpfen und schrieb auf ein Libretto von Alfred Maria Willner, Robert Bodanzky und Leo Stein – gleich drei Textdichter – die Operette „Der Graf von Luxemburg“, die wiederum auf dem Libretto einer erfolglosen Operette von Johann Strauss basiert. Sie spielt ebenfalls im bohèmehaften, mondänen Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Heirat der Liebenden wird ebenfalls durch Standesunterschiede und unpassend verteilten Reichtum erschwert. Auch hier wechseln sich slawische Rhythmen mit Walzerseligkeit ab, häufiger langsamere Walzer (valse moderato) als in der „Lustigen Witwe“.
Auch die Komik, daß ein alter reicher Mann junge Frau heiraten will, ist so neu nicht: Der alte Fürst Basil Basilowitsch kann die junge Angèle Didier wegen ihres fehlenden Adelstitels nicht ehelichen. Deshalb wird sie mit dem dauernd in Geldnot befindlichen Grafen René von Luxemburg verheiratet, der für diesen Dienst bezahlt wird. Dadurch adelig geworden, soll sie nach erfolgter Scheidung den alten Basil heiraten. Um eventuellen persönlichen Zuneigungen vorzubeugen, findet die Eheschliessung der beiden getrennt durch eine Leinwand im Künstleratelier des Malers Brissard statt, sodass die beiden durch ein Loch in derselben nur jeweils die Hand des anderen zwecks Ringtausch sehen können – nutzt aber nichts, die beiden lernen sich trotzdem kennen und lieben, der alte Boris heiratet eine alte aus Russland angereiste frühere Verlobte, der Maler Brissard will endlich seine angebetet Juliette Vermont auch heiraten – durch den Weg zum Traualtar der drei Paare ist die selige Operettenwelt wieder in der althergebrachten Ordnung!
Foto: Thomas M. Jauk Stage Picture
Uraufgeführt 1909 hatte diese Erfolgsoperette in der heute üblichen Fassung von 1937 (Berlin) am Samstag unter der musikalischen Leitung von Motonori Kobayashi in der Inszenierung von Thomas Enziger im Opernhaus Dortmund Premiere. Als Koproduktion wird die Inszenierung vom Staatstheater Nürnberg übernommen.
Grosse Freude bereitete bereits das Bühnenbild von Toto – wann wird heutzutage schon einmal nach dem Öffnen des Vorhangs applaudiert? Als Vorhang diente die Projektion eines Boulevards in Paris flankiert von einem Hotel und einem Mietshaus, in dessen Dachgeschoß befindlich der als Conférencier tätige Poet – nicht im Libretto vorgesehen aber hier und auch sonst bedeutsam gesprochen von Thomas Pohn – die jeweiligen Schauplätze ankündigte, erst das Atelier des Malers Brissard, dann den Saal der Modenschau von Angèle, die dazu passend als Modedesignerin auftrat, und schließlich der Saal im Grand Hotel de Paris. Diese Nutzungsverbesserung des Raums wurde übertrieben pathetisch mit steigenden Mieten bedingt durch Bodenspekulation begründet, gilt vielleicht für Paris, nicht aber für Dortmund, wo die Mieten kaum steigen. Dabei handelte es sich um ein Einheitsbühnenbild, dessen Rückwand ein grosses Fenster bildete, durch das man die Skyline von Paris bewundern konnte. Vorne wurden durch Requisiten und Licht (Stefan Schmidt) dann die drei Spielorte glaubhaft dargestellt. Von Toto stammten auch die phantasievollen Kostüme, besonders die des Chors, dieser wie immer zuverlässig einstudiert von Granville Walker. Beim Eingangschor „Karneval, ja, du allerschönste Zeit“ ,gesungen vor dem Orcherstergraben, trug jedes Chormitglied ein eigenes phantasievolles Karnevalskostüm – eine Freude fürs Auge! Die Kostüme der Hauptdarsteller bewegten sich geschickt zwischen Entstehungszeit und heute.
Foto: Thomas M. Jauk Stage Picture
In diesem Rahmen inszenierte Operettenspezialist Thomas Enziger das Spiel vom „Heiratsgrafen“ mit intelligenter Personenführung und grosser Beweglichkeit der Mitwirkenden, unterstützt vom achtköpfigen Tanzensemble (Choreografie Markus Buehlmann), was zu den teils sentimentalen Walzergesängen einen reizvollen Kontrapunkt ergab.
Der Sänger der Titelfigur, Lucian Krasznec, ließ sich vor der Aufführung als indisponiert ansagen. Beim Auftrittslied von der „Stammbaumleiter“ der Luxemburgs schonte er sich vielleicht, besonders im zweiten und dritten Akt gefiel seine in schönem Legato geführte, auch im p gut verständliche Stimme sehr. Der grosse Sprung vom e zum hohen a im Duett mit Angèle „Man greift nicht nach den Sternen“ gelang ihm ohne hörbare Anstrengung. Bei den pp-Spitzentönen im Solo vom „Fünfdreiviertel Handschuh“ mit dem Geruch von„Trèfle incarnat“ war, auch da vor dem Orchester gesungen. überhaupt nichts von Indisposition zu hören. Hilfreich war dabei sein temperamentvolles Spiel zwischen überschäumender Heiterkeit und sentimentalem Liebeskummer.
Dagegen agierte Julia Amos als Angèle etwas zurückhaltender. Mit leuchtendem Sopran sang sie sehr textverständlich, bei ihren Spitzentönen hörte man etwas unnötige Schärfe.. Höhepunkt für die beiden war natürlich die Hochzeitszeremonie durch das Loch in der Leinwand mit dem wohl bekanntesten Ohrwurm der Operette „Bist du`s lachendes Glück?“. Daß diese Melodie auch immer wieder leitmotivisch verwendet wird, zeigte sich auch szenisch, als im letzten Akt zur grossen Versöhnung der beiden die Leinwand mit dem Loch von einem Tänzer über die Bühne getragen wurde.
Stimmlich und sängerisch verbreitete auch das Buffopaar erfolgreich gute Laune. Mirella Hagen glänzte als kecke, höhensichere Juliette und Fritz Steinbacher -gerade aus Münster importiert – mit seinem hellen ausdrucksvollen Tenor und beweglichem Spiel als Maler Armand.
Der heimliche Star des Abends – auch wegen der dankbaren Rolle – war erwartungsgemäß Ks. Hannes Brock als alter Fürst Basil Basilowitsch. Gleich in seinem Auftrittslied, der Mazurka moderato „Ich bin verliebt“, zeigte er mit russischem Akzent stimmlich seine Unruhe, sang auch mit perfekter Kopfstimme die Komik darstellenden Spitzentöne. Sein Spiel, wie er behindert durch Rheuma versucht, Angèles Handschuh vom Boden aufzuheben, rief Sonderapplaus hervor. Wieder beweglich träumte er übertrieben mit Juliette tanzend von den amourösen Erfolgen seiner Jugend im „Polka-tänzer-Duett“
Riesigen Erfolg hatte auch Johanna Schoppa als Basils alte Verlobte Gräfin Kokozow. Der gründete vor allem in ihrem Couplet, wo sie u.a. nacheinander die Mitteilungswut der heutigen Jugend ( nach dem Rendezvous steht gleich das Bild im Netz) die NSA (liegt mit im Bett) aufs Korn nahm und dem BVB trotz Niederlagen viel Glück wünschte. Da war es verständlich, dass sie zum Refrain „Alles mit Ruhe geniessen, nie gleich sein Pulver verschiessen, ich laß zu allem mir Zeit“ die Zuschauer einschließlich eventuell anwesender Schalke-Fans zum Mitsingen verführen konnte. Begleitet wurde sie vom Barpianisten Thomas Hannig, der in der Hotelhalle auf dem Flügel Anklänge an andere Werke Léhars, auch etwas verjazzt, spielte..
Die kleineren Rollen der russischen Begleiter Basils waren mit Primoz Vidovic (Notar), Thomas Günzler (Pélégrin) und Thomas Warschun (Pawel) passend besetzt.
Motonori Kobayashi leitete überlegen das musikalisch Geschehen und regte das Orchester mit sentimentalen Walzern, rhythmischen Märschen und feurigen slawischen Tänzen zur einfühlsamen Begleitung der Sänger und zu den Zwischenspielen an, ist Lehár doch hier eine seiner abwechslungsreichsten und farbigsten Partituren geglückt. Das zeigte sich auch in den Soli einzelner Instrumente, vor allem der Solovioline, etwa zu Angèles „Versuchung lockt“, aber auch etwa den Triller von Flöten oder Klarinetten oder den Harfenglissandi.
Alles dies regte natürlich das Publikum im gut besuchtem Haus zu grossem Applaus für alle Mitwirkenden, besonders Ks. Brock, und zum gesamten Leitungsteam an, nach einer Orchesterzugabe auch stehend. Zum bevorstehenden Karneval ist für Dortmunder der Besuch dieser Operette sicherlich amüsanter und lohnender als manche „närrische“ Vereinssitzung!
Sigi Brockmann 13. Januar 2014