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BERN: LA TRAVIATA. Premiere

18.11.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

La Traviata, Premiere in Bern vom 17. November 2013

Unbenannt
Aris Argiris, Miriam Clark. Photo: Philipp Zinnicker

Alexandre Dumas beschrieb in seinem erfolgreichen Roman „La Dame aux camélias“ eine teilweise sarkastisches Sittengemälde, Verdi hingegen erzählt die Geschichte der Violetta und baute damit ein musikalisches Seelengemälde mit einer der schönsten Musik der Opernliteratur. Die Regie (Jetske Mijnssen) in Bern entzaubert, nimmt die hoffnungsvollen Momente weg, zeichnet eine resignierte Violetta die ohne Perspektiven und mangelnder Zuversicht ihre letzten Stunden über sich ergehen lässt, bis zum bevorstehenden tragischen Ende. Es kommt nie wirklich Freude auf, es entstehen nie intime Berührungen und die Stimmung wird zunehmend enger und bedrückter. Die entrückte Form der Darstellung einer des Weges abgekommenen Kurtisane wird durch ein beklemmendes Einheitsbühnenbild (Katrin Bombe) untermauert. Violetta agiert in ihren vier Wänden, die immer enger werden, die sie erst dann verlässt wenn das unausweichliche Sterben bevorsteht. Alfredo berührt sie nie und zeigt ihr gegenüber nie direkte Emotionen, Germont schaut ihr nie in die Augen und Annina tröstet sie nicht. Diese kalte Atmosphäre wird nur einmal unterbrochen, auf Floras Fest, dann, wenn sich die illustren Gäste in Zigeuner und Stierkämpfer verkleiden und über Alfredos und Violettas Trennung klatschen, dort wird ausgelassen getanzt und gesungen. Die Zigeunerinnen verteilen sich im Publikum und lesen in den Händen des Publikums die Zukunft, mit dem unangenehmen Effekt, dass das Publikum vom Geschehen auf der Bühne abgelenkt wurde.

Dieser Aufführung geht das verloren was der Komponist eigentlich erreichen wollte; das Erheben einer gesellschaftlichen Aussenseiterfigur zur tragischen Gestalt auf der Opernbühne die hoffnungsvoll auf ein besseres, menschenwürdigeres Leben hoffte.

Eine weitere Voraussetzung, dass diese Oper zum Hörgenuss wird ist, dass man gute Sängerinnen und Sänger hat. Und das Berner Stadttheater hat dies. Was Adriano Graziani als Alfredo und vor allem Miriam Clark als Violetta und Aris Argiris als Vater von Alfredo abliefern, ist wunderbar.

Unter der profunden Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla spielte das Berner Symphonieorchester akzentuiert und temporeich. Mit grosser Vertrautheit zu den Orchestermusikern führte sie mit grosser  Präzision und Prägnanz und mit einer dynamischen und rhythmischen Disziplin. Auch die Koordination mit der Bühne gelang ihr mühelos, und führte zu einem vorbildlichen Verdi-Klangbild.

Die Deutung dieser nicht ganz traditionellen Inszenierung von dem sehr berühmten Stoff hat Ecken und Kanten und mag gefallen oder nicht. Trotz allem eine spannende, sehenswerte Aufführung und das Wichtigste, die musikalische Leistung, ist durchs Band hindurch wirklich sehr überzeugend.

Marcel Paolino

 

 

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