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BERN/ Konzerttheater: BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER von Max Frisch. Premiere

30.03.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Theater

„Konzertheater Bern“ Biedermann und Brandstifter

Premiere 29. März 2014

 Unbenannt

© Philippe Zinniker

Stéphane Maeder, Jürg Wisbach, Milva Stark, Henriette Blumenau, Jonathan Loosli

 Biedermann und Brandstifter von Max Frisch ist wahrscheinlich das meistgespielte Stück der moderneren Theaterliteratur. Eine Inhaltsangabe erübrigt sich, da auch in der Schule dieses Meisterwerk immer wieder gelesen und besprochen wird. Ich verzichte darauf, Eulen nach Athen zu tragen.

 Die Berner Inszenierung, Regie Claudia Meyer, folgt präzise den Vorgaben von Max Frisch. Der Text wird fast vollständig übernommen und Regieangaben ebenfalls. Meyer orientiert sich nicht am politischen Tagesgeschehen, sondern möchte langfristige Wirkung erzielen.

Der Berner Chor, das Ensemble Ardent, unter der Leitung von Patrick Secchiari ist zusammengesetzt aus Biedermännern und Biederfrauen, also rechtschaffene, gut angepasste Bürger, vordergründig harmlos, aber in ihrer Masse gefährlich, da manipulierbar. Der Chorleiter kommt für mich als Akademiker, als Dr. Phil nach Frisch, daher und wirkt mit seinem Auftreten als gefährlicher Mani-pulator und pragmatischer Populist. Der musikalische Leiter, Michael Wilhelmi, hat die Chortexte von Frisch wunderbar vertont und es entsteht ein komplett anderer Eindruck des Chores, der nicht aus Feuerwehrmännern, sondern eben aus „Biederleuten“ besteht.

 Claudia Meyer arbeitet den Begriff Biedermann sehr präzise heraus. Eine Ihrer starken Schlüsselszenen ist denn auch „Jedermann, Jedermann“ „Biedermann, Biedermann“ (Szene 6). Im Weiteren setzt Meyer auch einen starken Akzent auf das Gutmenschentum von Gottlieb Biedermann, welcher im privaten Menschlichkeit sucht, dabei aber seinen Angestellten Knechtling in den Selbstmord treibt. Dies hat auch Max Frisch sehr wohl so gewollt, es gibt keine Zufälle in der Namensgebung der Protagonisten. Daher heisst Biedermann auch Gottlieb (Gott lieb). Joseph wird in der Bibel ausgegrenzt und schliesslich von seinen Brüdern verkauft, Sepp Schmitz will sich für sein randständigkeit, seine Arbeitslosigkeit rächen. Schmitz selbst als Person kommt sehr „verschmitzt“ daher und seine scheinbare Offenheit macht das Verständnis seiner Intentionen für den doch naiven Biedermann unmöglich.

 Die Personenführung der Regisseurin Claudia Meyer ist präzise und zwingend. Sie konzentriert sich aufs Wesentliche und vermeidet unnötige Hektik auf der Bühnen. Die Bühne und die Kostüme, entworfen von Aurel Lenfert, sind stimmig und unterstreichen den schwarzen Humor des Werkes von Frisch. Michael Wilhelmi am Klavier begleitet den Chor makellos. Das Ensemble Ardent über-zeugt durch seine Leistung als Chor und auch durch das Auftreten als Biederleute. Stéphane Mäder als Gottlieb Biedermann wird wunderbar sekundiert durch Henriette Blumenau als Anna und Milva Stark als seine Gemahlin Babette. Eine Klasse für sich sind die beiden „Brandstifter?“: Jürg Wisbach als Schmitz und Jonathan Loosli als Eisenring. Als Witwe Knechtling und ihr alter Ego überzeugen Ute Giebisch und Eveline Gabaldon. Die Lichtgestaltung von Karl Moravec überzeugt durch die kreative Einfachheit ohne unnötige Effekte.

Max Frisch bezeichnet sein Werk als Lehrstück ohne Lehre. „Cave Canem“ heisst es in Pompeji.

Hüte Dich vor den Biedermännern, den Biederfrauen müsste es heute heissen. Wenn man/frau sich die Inszenierung von Volker Loesch in Basel ansieht wird dieses „Cave“ klar. Es lohnt sich beide Inszenierungen anzusehen!

Danke Konzerttheater Bern für einen erfreulichen, genuss- und abwechslungsreichen Sprechtheaterabend!

 Peter Heuberger

Basel

 

 

 

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