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BERLIN/ Philharmonie: ANDRÁS SCHIFF SPIELT BACH-KLAVIERKONZERTE

Berlin/ Philharmonie: András Schiff spielt Bach-Klavierkonzerte, 06.01.2014

 András Schiff beim Bach-Konzert. Foto Thomas Bartilla
András Schiff beim Bach-Konzert. Foto: Thomas Bartilla

András Schiff macht eine kurze Verbeugung, und schon sitzt er am Flügel. Um ihn herum die Streicher der Staatskapelle Berlin, links von ihm die Celli, rechts die Violinen mit der Konzertmeisterin.

Mit kurzen Handzeichen und kurzem Aufblicken spielt und dirigiert er sechs Klavierkonzerte von Johann Sebastian Bach, die – im Gegensatz zu Bachs Brandenburgischen Konzerten – höchst selten aufgeführt werden. Umso größer ist das Interesse des spürbar sachkundigen Publikums. Es füllt die große Philharmonie bis auf den letzten Platz.

Und wird nicht enttäuscht. Denn Schiff breitet zusammen mit den übrigen Instrumentalisten einen ganzen Kosmos aus und zeigt Bach als Wegweiser und Wegbereiter für das Konzertschaffen seiner Nachfolger. Ein bisher wenig bekannter Zusammenhang.

Doch auch Johann Sebastian hatte Vorbilder und verleugnete sie nicht. Das waren vor allem die Italiener rund um Vivaldi. Deren Kompositionen breiteten sich seinerzeit in Europa aus, ganz ohne Radio, TV und Youtube. Bach aber verleiht dieser Musik eine neue Identität und ein ganz eigenes „Timbre.“

Er nimmt sich aber auch selbst als Vorbild. Nach Ansicht von Experten basieren Bachs Klavierkonzerte in der Leipziger Zeit auf Werken, die er zuvor in Weimar und Köthen komponiert hatte, dort allerdings als Violin- oder Oboenkonzerte. Da Bach – hauptberuflich als Kantor für St. Thomas und St. Nikolai tätig – ab 1729 auch die Leitung des Collegium Musicum übernahm, brauchte er Erfolg versprechende „ordinaire Concerte“.

Dieses Collegium Musicum trat nun unter seiner Leitung jede Woche im Zimmermannchen Kaffeehaus auf, und vermutlich haben seine beiden Söhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel geschwind bei der Transkription und auch der Transformation mitgeholfen, falls der hoch aufschwingende Geigenpart die damaligen Möglichkeiten der Tasteninstrumente überstieg.

András Schiff spielt diese sehr unterschiedlichen und oft „handwerklich“ schwierigen Konzerte sämtlich auswendig und verliert nie die Übersicht. Seine Finger eilen über die Tasten, einige Male können die Streicher kaum folgen. Andererseits hebt Schiff immer wieder einzelne Töne heraus und verleiht manchen Passagen ein eigenes, neues Gewicht.

Fein gestaltete Übergänge, dann trotz straffen Musizierens doch mal ein überraschendes Rubato und schließlich ein glücklich-verschmitztes Lächeln. Wenn Schiff Bach spielt, so natürlich, mit soviel Kenntnis und ganz ohne Starallüren, meine ich oft, Johann Sebastian selbst zu erleben.

Die ersten vier Klavierkonzerte reiht er fast pausenlos, aber nicht chronologisch aneinander und bewahrt so die volle Konzentration. Es sind das eher sanfte „Klavierkonzert D-Dur“ BWV 1054, dann das knackigere „Klavierkonzert f-Moll“ BWV 1056, gefolgt von denen in g-Moll und E-Dur (BWV 1058 und 1053). Nach der Pause sind das „Klavierkonzert A-Dur“ BWV 1055 und das in d-Moll, BWV 1052 an der Reihe.

Das letzte ist das längste, energischste und spieltechnisch schwierigste Konzert, alle drei Sätze in Moll, das Adagio jedoch voller Romantik. Nach meinem Empfinden treten jedoch Schiffs (und Bachs) Meisterschaft in den langsamen, mal melancholischen, mal freundlich singenden Mittelsätzen am deutlichsten zu Tage. Die treffen mitten ins Herz, da könnte man/frau eine Stecknadel fallen hören.

Enthusiastischer Beifall belohnt András Schiff und die Musiker der Staatskapelle für diesen wunderbaren Abend.

Ursula Wiegand

 

 

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