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BERLIN/ Komische Oper: DIE BAJADERE – zum Jubiläum konzertant

24.12.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Berlin/ Die Komische Oper bringt zum Jubiläum „DIE BAJADERE“ , konzertant am 23.12.2012


Die Bajadere, Dominique Horwitz als Pimprinette, Foto Anna Horwitz

 „O Bajadere, wie dein Bild mich berauscht“ – dieser Schmachtfetzen, der Titelsong aus Emmerich Kálmáns gleichnamiger Operette von 1921, geht mir nicht aus dem Kopf. Noch beim Warten auf die S-Bahn trällere ich diesen kitschigen Ohrwurm leise vor mich hin. Dabei bin ich ehrlich gesagt überhaupt kein Operettenfan. Wenn schon was Leichteres als Oper oder klassisches Konzert, dann bitte Musical. Und Jazz sowieso.

Aber Kálmáns Musik, in Berlin kaum zu hören, die hat was. Nämlich Schmelz, Schmiss, Charme und Ironie. Denn Kálmán, der Ungar, hatte frühzeitig das Ohr für Neues jenseits der Wiener Walzerseligkeit. Begeistert griff er jazzigen Sound aus den USA auf und rührte – zusammen mit Puszta-Klang, Pariser Esprit und einem Schuss Berlin – daraus seine eigene Wiener Melange. Nicht zur Freude aller.

Doch schon bevor Kálmán 1938 – nach dem Anschluss Österreichs ans damalige Deutsche Reich – Wien verließ und über Zürich und Paris in die USA emigrierte, war er hörbar ein Kosmopolit.

Warum aber an der Komischen Oper Berlin diese – zunächst einzige – Aufführung, und gerade am 23. Dezember? Intendant Barry Kosky, so erklärt er vorab, feiert damit zweierlei: Die Uraufführung der „Bajadere“ in Wien 1922, also vor 90 Jahren und ebenfalls am 23. Dezember und außerdem das 65-jährige Bestehen der Komischen Oper Berlin, die am 23. Dezember 1947 eröffnet wurde. Damals, im zerbombten Berlin, allerdings mit der „Fledermaus“ von Johann Strauss.

Jetzt begeht sie ihren Fünfundsechzigsten mit Emmerich Kálmán. Dessen Tochter Yvonne Kálmán ist gekommen, ebenso Ex-Intendant Andreas Homoki. Die Komische Oper geht nun aber garantiert nicht in Rente (Pension). Ganz im Gegenteil. Unter dem quirligen Kosky, der neue Akzente setzt, sich was traut und dem hiesigen Operngeschehen auf seine Art Beine macht, schon gar nicht.

Die Wiederaufführung der „Bajadere“ erfolgt konzertant, doch die Interpreten gestalten ihren Part mit soviel Temperament, Charme und Witz, das wir ihnen mit Vergnügen zuhören und zuschauen. Das Orchester, angefeuert vom österreichisch-ungarischen Dirigenten Stefan Soltesz, zeigt sich in bester Spiellaune. Auch die Chöre, einstudiert von André Kellinghaus, stehen dem in nichts nach.

Das Hauptpaar – die Pariser Operettendiva Odette Darimonde und den indischen Prinzen Radjami – geben Erika Roos und Daniel Brenna. Sie mit spritzigem, facettenreichen Sopran, er mit lyrischem, aber auch kraftvollem Tenor. „Du hast mich bezaubert, du hast mich betört,“ singt er mit schöner Intensität.

Doch so einfach wird die Sache für ihn nicht. Gekonnt verkörpert Erika Roos die umschwärmte, selbstbewusste Künstlerin, die sich mit lebhaftem Minenspiel über die Avancen des von sich total überzeugten Prinzen amüsiert. Raffiniert tut sie so, als würde sie ihn erhören, gibt ihm im letzten Moment und mitten im großen Fest doch noch einen Korb. Der Prinz fällt bei dieser Lektion in Emanzipation sichtlich aus allen Träumen.

Dieses Schicksal ereilt auch Napoleon St. Cloche (Stephan Bovin), der sich lange vergeblich um die verheiratete Marietta bemüht hat, was die Zuschauer angesichts der aparten Mirka Wagner und ihres kapriziösen Gesangs gut verstehen.

Doch als der Gatte – Louis Philippe La Tourette – ein Mann von Welt, sie großzügig und gleich mit der ersten unbezahlten Rechnung freigibt, damit Napoleon sie endlich heiraten kann, landet auch der hart auf dem Boden der Realität. Stets muss er das Portemonnaie zücken, um ihre kostspieligen Wünsche zu erfüllen. Sein ernüchtertes Fazit: „Der schlimmste Feind der Liebe ist die Ehe.“

Doch das erste Happy End naht. „Fräulein, bitte, woll’n Sie Shimmy tanzen? Shimmy, Shimmy, ist der Clou vom Ganzen!“ fordert der Ex seine Ex auf. Da funkt es wieder zwischen Louis Philippe und Marietta, was sich angesichts des eleganten Tom Erik Lie eigentlich von selbst versteht. Ein Charme-Bolzen, rank und schlank, mit gelenkigen Hüften. Der kann wirklich tanzen, sogar auf beengtem Raum. Klar, dass sie zu ihm zurückkehrt.

Dass aber überhaupt alles funktioniert, dafür sorgt von Anfang bis Ende ein versierter Conférencier, der Theater-, Film- und Fernsehstar Dominique Horwitz. Als Pimprinette, Chef der Pariser Theater-Claque, führt er mit spitzem Humor durch die verrückte Handlung. Er agiert sogar als Deus ex Machina, als er zuletzt einen Brief vortäuscht, in dem der konsternierte Prinz seine Abreise mitteilt.

Nun ist es Odette, die aus allen Wolken fällt. Sie liebt ihn ja, wollte ihm nur seine Selbstgefälligkeit abgewöhnen. Schmunzelnd zerreißt Pimprinette das Schreiben, und die beiden kriegen sich nun doch. Erneut ein Happy End.

Übrigens hat Horwitz gleich zu Beginn mit dem Publikum Beifall und Buhs geübt. Die Buhs sollten, so sein Vorschlag, an der Garderobe abgegeben werden. Ein in diesem Fall ganz unnötiger Hinweis. Nur Jubel und heftiger Applaus tönt zuletzt durchs Haus. „Da kann man nicht meckern,“ haben Berliner in solchen Fällen als höchstes Kompliment parat.

Für einen kleinen Trost ist auch gesorgt. Diese gelungene Wiederaufführung, so verrät mir Kosky bei der Premierenfeier, soll doch keine Eintagsfliege bleiben, sondern im nächsten Jahr um die Weihnachts- und Silvesterzeit das Publikum wieder in Feierlaune versetzen.

Ursula Wiegand

 

 

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