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BERLIN/ Deutsche Oper/ Staatsballett: THE NIGHTS

Berlin/ Staatsballett: „THE NIGHTS“ in der Deutschen Oper, 07.02.2014

 The Nights, Hammam-Szene, Foto Bettina Stöß
The Nights, Hammam-Szene, Foto Bettina Stöß

Was stellt sich wohl jeder und jede bei den Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“ vor? In erster Linie Sinnlichkeit und Sex in opulentem Rahmen. Genau diese Annahmen oder dieses Klischee bedient der Choreograph Angelin Preljocaj in seiner Inszenierung von „The Nights“. Mit seiner eigenen Truppe entwickelte er diese „Show“ zu den Feiern von Marseille 2013, Kulturhauptstadt Europas. Die Premiere fand im dazugehörigen Umfeld statt, am 29. April 2013 im Grand Théâtre von Aix-en-Provence.

Nun hat Preljocaj diese orientalische Collage durch De Smet Claudia für das Staatsballett Berlin einstudieren lassen, und tänzerisch funktioniert das bestens. Die Damen und Herren der Compagnie – eine fast ebenso multikulturelle Truppe wie die des Choreographen – machen ihre Sache hervorragend und nehmen die Ausdruckschancen und andersartigen Bewegungsvarianten mit spürbarer Begeisterung wahr.

Fragt sich nur, ob es außer Sex und Sinnlichkeit vielleicht noch weitere Inhalte gibt, wie man das eigentlich von Preljocaj, einem Star der französischen Avantgarde, erwartet. Immerhin hat er für das Staatsballett Berlin vor wenigen Jahren eine überzeugend fantasiereiche Lesart von „Schneewittchen“ geschaffen.

Das ist hier nicht der Fall und nach seinen eigenen Worten auch nicht beabsichtigt. „Ich wage mich vor wie ein Maler, der seine Vorstellung eines phantastischen Orients zum Ausdruck bringt. Meine Vision erhält ihre Gestalt durch eine Art Kalligraphie von Affekten und Stimmungen“, so Preljocaj.

Also reihen sich nun lediglich die einzelnen Szenen – untermalt durch die Tonträgermusik von Natacha Atlas, Samy Bishai und 79D  -in pausenlosen1 ½ Stunden aneinander – ähnlich dem sattsam bekannten Nummernballett. Und wenn 12 Tänzerinnen in „A Man’s World“ kongruent Beine und Arme schwingen, ist das eher Revuetheater.

Darüber hinaus rutschen einige Bilder arg ins Kitschige ab, so gleich anfangs die Hammam-Szene in der generell nächtlich abgedunkelten Umgebung. (Bühne: Constance Guisset). In Nebelschwaden räkeln sich die Tänzerinnen lasziv in ebenso offenherzigen wie farbenprächtigen Kostümen (von Azzedine Alaïa). Das Oben-ohne in der ersten Reihe können sich die Schönen leisten. Ein Fest für weit vorne sitzende Voyeure.

The Nights, Iana Balova und Arshak Ghalumyan, Foto Bettina Stöß
The Nights, Iana Balova und Arshak Ghalumyan, Foto Bettina Stöß

Männerfantasien jedweder Art (!) werden hier ohnehin lustvoll bedient – Frauenfantasien vermutlich genau so. Aparte Mädchen als Ziel des Begehrens, die sich hingeben und nur selten den Partner anstupsen oder gar spielerisch von sich stoßen. (Im klassischen Ballett ist es ja ähnlich, wird nur das nicht so offensiv dargestellt!)

Offenbar hat sich Preljocaj selbst in diesem sinnlichen Gewebe verfangen, denn nirgendwo leuchtet ein Fünkchen Humor oder Ironie auf. Schade. Ein bisschen Abstand zu diesen oft schwülstigen Märchen hätte sicherlich gut getan. Oder sollen die Zuschauer die Wasserpfeifen- oder gar die Vasenszene als ironisch begreifen? Bei letzterer sitzen die Damen mit gespreizten Beinen auf den Amphoren, werden von den Herren recht eindeutig angemacht, zuletzt aber in den Riesenvasen entsorgt und so von der Bühne gerollt.

Überzeugend gelingen jedoch einige Pas de deux. Großartig, ja fast grauslich wirkt die bis in die Fingerspitzen gestaltete und getanzte Frisör-Szene zweier Herren. Wenn das Rasiermesser an der Kehle des einen entlang gleitet, scheint ein Mord oder zumindest ein Blutvergießen nahe zu sein. Doch es bleibt beim Gruseln.

Zum Höhepunkt wird dann das Liebesduett zwischen Iana Balova und Arshak Ghalumyan (der genau wie Vladislav Marinov immer wieder auf der Bühne zu sehen ist). Das ist wagnisreich und wunderbar getanzt, da stimmt jede Geste und jeder Gesichtsausdruck.

Fazit: „The Nights“ zeigt sich insgesamt als ein Fest für die Augen, ist nicht immer auf dem in der Deutschen Oper üblichen Niveau, beeindruckt aber mit imponierenden Tanzleistungen.

Weitere Termine: 25. Februar, 01. 06. und 12. März und 03. April.                 

Ursula Wiegand

 

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