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BERLIN/ Deutsche Oper/ Staatsballett: RING UM DEN RING – bewegende Wiederaufnahme

Berlin/ Staatsballett: bewegende Wiederaufnahme „RING UM DEN RING“, 06.04.13

 Richard Wagners 16-stündigen „Ring“ (inklusive Rheingold) auf 4 ½ Stunden zusammenzupressen und doch das Wesentliche zu bewahren, das schaffen nur ebenso große Geister. Dem Starchoreografen Maurice Béjart ist das überzeugend gelungen.

Bescheiden hat er jedoch seine Ballettversion nur einen Kommentar zu Wagners Meisterwerk „Der Ring des Nibelungen“ genannt, hat zehn Jahre an der Verwirklichung getüftelt und gearbeitet. Entstanden ist ein „Opus magnum“, eine kongeniale Ballett-Adaption.

Die Uraufführung in 2004 (eigentlich bereits 1990, damals beim Ballett der Deutschen Oper Berlin) an der Deutschen Oper Berlin, die zum sensationellen Erfolg wurde, hat er noch selbst geprobt (im November 2007 ist er verstorben). Nun erleben wir in diesem Haus – passend zu Wagners 200. Geburtstag – eine erneut äußerst gelungene und offenbar intensiv geprobte Wiederaufnahme, einstudiert von Bertrand d’At.

Am Flügel und verantwortlich für die musikalische Einrichtung wieder Elizabeth Cooper, eine, die auch darstellerisch am Geschehen teilnimmt. Die übrige Musik kommt vom Band, erfreut mit wegweisenden Aufnahmen der Berliner und Wiener Philharmoniker unter Furtwängler, Karajan, Solti und Tennstedt.

Bühnenbild und Kostüme stammen, wie gehabt, von Peter Sykora. Auch der Erzähler Michaël Denard ist wieder da und treibt, auch mal ein paar Tanzschritte einflechtend, die Handlung voran. Nur auf Wagners waberndes Welten-Nachwort, das auch bei Opernaufführungen oft gestrichen wird, hätte er verzichten sollen. Das ist nicht nur unfreiwillig komisch, sondern auch überflüssig. Wir haben das ja gehört und gesehen.

Und was wir gesehen haben, ist zurzeit weltweit einmalig und steht nirgendwo sonst auf dem Spielplan. Denn diese Aufführung benötigt eine enorme Anzahl vorzüglicher Tänzer. Das unter Intendant Vladimir Malakhov intensiv trainierte Staatsballett Berlin mit seinen rd. 88 Mitgliedern ist dieser Aufgabe gewachsen und realisiert sie mit Können und sichtlicher Begeisterung.

Speziell die Solisten. Die können nun herzeigen, welche Fähigkeiten an Schritt- und Hebetechnik, an Fantasie, Witz und Schauspielkunst sie jenseits des einengenden klassischen Balletts beherrschen. Oft ist das schon Ausdruckstanz, grenzt mitunter an Akrobatik. Warum wurde dieser viel versprechende Weg nicht mit Verve weitergegangen und dem Publikum stattdessen oft nur „Zuckerwatte“ zugemutet?


Michael Banzhaf als erwachsener Siegfried. Foto Bettina Stöß

Was noch mehr überrascht: Diejenigen, die schon bei der Uraufführung und danach getanzt haben, erscheinen mir gereift und noch besser als damals. So Marian Walter, der den jungen Siegfried als unbotmäßigen Lümmel gibt, während Michael Banzhaf die ganze Palette des erwachsenen Helden ausdrucksstark darbietet. (Unbegreiflich, dass der noch immer nicht zum Ersten Solotänzer befördert wurde).

Seine großartige Partnerin als Brünnhilde ist diesmal keine Starsolistin vom Kirov-Ballett in St. Petersburg. Mit der fabelhaften Nadja Saidakova findet
sich eine solche in den eigenen Reihen. Wie die beiden so jugendlich strahlend und fast verrückt tanzend das verliebte Paar geben, ist ebenso wunderbar wie Siegfrieds (angeblich) durch einen Zaubertrank verursachte Hinwendung zu Gutrune (Elena Pris). Banzhaf nun die Neue hofierend, die Ex-Geliebte mit Tarnkappe für Gunther ergatternd (elegant: Alexej Orienco) und sie rüde abweisend, Nadja Saidakova darüber in purer Verzweiflung – das sind absolute Höhepunkte der Tanz- und Schauspielkunst und werden sofort mit Zwischenapplaus belohnt.


Rainer Krenstetter als spritziger Loge. Foto Bettina Stöß

Gleich anfangs sammelt Rainer Krenstetter – androgyn geschminkt und sich auch so bewegend – als ungemein spritziger, geschmeidiger und ideenreicher Loge jede Menge Punkte. So fabelhaft habe ich ihn noch nie gesehen. (Vor Jahren tanzte Malakhov selbst diesen Part).

Den Wotan und auch den Wälse (Wanderer) präsentiert stattlich Dmitry Semionov, der hier deutlich an Ausstrahlung gewinnt. Großartig auch der ungemein fitte, virile Vladislav Marinov als Alberich, ein düsterer, gewaltbereit wirkender Typ mit Power und schwarzer Seele. Dagegen gibt sich Dinu
Tamazlacaru
als clownesker, lustig trippelnder Mime mit schlenkernden Gummigliedmaßen eher skurril als bösartig, und etwas Wagner-Singen kann er
sogar auch.

Als harter Hunding füllt Arshak Ghalumyan diese Rolle drastisch aus. Die von ihm fast geknechtete Sieglinde wird von Beatrice Knop ideal verkörpert. Eine, die sogar als armes Hascherl in Latschen tanzen kann und dann im Frühlings-Wonnemond ihr Coming-Out als liebende Frau mitreißend deutlich macht. In Ibrahim Önal als Siegmund hat sie einen Partner mit Kraft und Zartgefühl. Ein weiteres überzeugendes Paar. Das Ende der Götterwelt führt letztendlich der Alberich-Abkömmling Hagen herbei, von Wieslaw Dudek energisch getanzt.

Abgesehen von Brünnhilde haben die Damen in dieser Ring-Kurzfassung weniger Gelegenheit sich hervorzutun. Die zarte Shoko Nakamura tanzt gewandt und später fordernd Wotans Gattin Fricka. Ihre schöne Schwester Freia gestaltet Krasina Pavlova.

Die übrigen möchte ich hier nicht alle namentlich nennen, obwohl auch sie es verdient hätten. Bleibt als Fazit: ein großer, begeisternder Ballettabend, vom Publikum schließlich intensiv bejubelt.
Tanzfreunde, auf nach Berlin!   

Ursula Wiegand

 

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