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BERLIN/ Deutsche Oper: LUCIA DI LAMMERMOOR

28.12.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Berlin/Deutsche Oper: „LUCIA DI LAMMERMOOR“, überraschend, 27.12.12


Jessica Pratt

Eigentlich sollte Patrizia Ciofi die Lucia singen, doch es gab eine Absage aus – wie es hieß – gesundheitlichen Gründen. Statt ihrer hat die Deutsche Oper Berlin umgehend die Britin Jessica Pratt eingeladen und damit einen Volltreffer gelandet.

Die schöne junge Frau, Gewinnerin wichtiger Gesangswettbewerbe, u.a. des „Vienna State Opera Award“, startete ihr Kontinentaleuropa-Debüt in 2007 mit genau dieser Rolle und hat die Lucia (aber auch vieles andere) inzwischen an zahlreichen internationalen Häusern gesungen.

Nicht ohne Grund, wie nach wenigen Minuten zu merken ist, Sie hat nicht nur eine angenehm klangreiche Stimme. Sie bringt auch die extremen Höhen dieser Partie mühelos, mal mit Kraft, mal aber auch mit einem ganz wunderbaren Piano. Außerdem hat sie diese Rolle verinnerlicht und gestaltet sie schauspielerisch überzeugend. Insgesamt eine sehr positive Überraschung.

Ein Überraschungsgast ist auch der Spanier Celso Albelo als Lucias heimlicher Liebhaber Edgardo. Er punktet mit einem kräftig strahlenden Tenor, dem auch zartere Nuancen keineswegs fremd sind. Als Liebender und schließlich Verzweifelter agiert er ebenfalls glaubhaft.

Nach dem 1. Bild mit den schottischen Edlen, das hier nicht weiter kommentiert sei, erblicken wir nun Lucia mit ihrer Vertrauten Alice (Stipendiatin Rachel Hauge) am gespenstischen Brunnen. Sie wartet auf Edgardo, der sich stets heimlich zu ihr schleicht.

Perlende Harfenklänge, schön gespielt von Virginie Gout-Zschäbitz, symbolisieren das Brunnenwasser und ebenso perlend klingt Jessica Pratts Sopran. Manchmal schwirrt ihre Stimme, als sänge ein ängstliches Vögelchen. Die Begegnung Lucia und Edgardo, dann sein plötzlicher Abschied, werden von beiden mit Wärme und solch schmerzvollen Trennungsgefühlen gesungen, dass sie sofort Zwischenapplaus erhalten. Dieses 2. Bild wird zum ersten Höhepunkt des Abends.

Auch die „Erpressungsszene“ zwischen Lucia und ihrem Bruder Enrico Ashton hat szenische Dichte. Der Bariton von George Petean, der zunächst belegt klang, wird nun freier. Glaubhaft gibt er den gnadenlosen Bruder, der seine Schwester opfert, um den eigenen Kopf zu retten. Bekanntlich mittels Betrug. Richtig rüde veranlasst er die Verzweifelte, die Heiratsurkunde mit dem einflussreichen Lord Arturo zu unterzeichnen. Alvaro Zambrano, ein schmaler junger Mann mit hellem Tenor, verkörpert diese kleine Rolle.

Der Showdown der freudig feiernden Hochzeitsgesellschaft mit dem plötzlich aus Frankreich herbeieilenden Edgardo wird wirklich ein solcher und ist hier historisch bebildert. Schließlich erleben wir an diesem Abend die 123. Aufführung seit der Premiere am 15. Dezember 1980.

Entsprechend konservativ ist das Drum und dran. Die schottischen Ritter tragen Uniformen und Federhüte, die Damen aufwändige Roben (Inszenierung, Bühne, Kostüme: Filippo Sanjust). Bis auf die Hauptakteure werden in diesen und ähnlichen Massenszenen die stimmgewaltigen Chöre der Deutschen Oper Berlin (Einstudierung: Thomas Richter) aktiv. Raimondo ruft zur Mäßigung, und immer, wenn er – Marko Mimica – seinen fast schwarzen Bassbariton ertönen lässt, gibt es hinterher Bravos.

Dass die Zuschauer dieses Ambiente goutieren – wohl auch mögen – ist vor allem der fabelhaften Jessica Pratt zu verdanken. Die Spitzentöne, die diese 1835 uraufgeführte Oper von Gaetano Donizetti charakterisieren, entarten durch sie nicht zum Hochleistungssport.

Im 5. Bild, das für solche Extreme berühmt und berüchtigt ist, singt sie das alles mit berührender Intensität, pendelnd zwischen Aufschrei und feinsten Pianissimi. Wieder schwirrt ihre Stimme als wahnsinnig gewordenen Mörderin wie anfangs als unschuldiges Mädchen am Brunnen. Durch sie rückt das ferne Geschehen nahe. Nicht nur damals wurden Frauen gegen ihren Willen verheiratet!

Auch Celso Albelo kann im letzten Bild (Gruft der Ahnen) als maßlos Enttäuschter, der verzweifelt den Suizid wählt, nochmals voll aufdrehen, kann beweisen, was an Kraft und Schmelz in seiner Stimme steckt. Ein bravouröses Finale, vom Orchester der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Guillermo García Calvo – während der gesamten Aufführung ein adäquater Partner – nun mit Power gestaltet.

Power haben dann auch der Beifall und die Bravos, vor allem für Jessica Pratt, Celso Albelo und Marco Mimica.

Ursula Wiegand

 

 

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