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BERLIN/ Deutsche Oper: DON CARLO mit Anja Harteros

08.11.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Berlin/ Deutsche Oper: „DON CARLO“ mit Anja Harteros, 7.11.2013

Anja Harteros, Elisabeth, Dalibor Jenis, Posa, Foto Bernd Uhlig
Anja Harteros, Elisabeth, Dalibor Jenis, Posa, Foto Bernd Uhlig im Auftrag der Deutschen Oper Berlin

Auf einmal wird es ganz still im großen Saal. Niemand schnieft mehr, keiner hustet. Eine Stecknadel könnte man fallen hören. Es ist der 4. Akt von Don Carlo, und Anja Harteros singt die Elisabeth. Minutenlang lauschen ihr alle fasziniert und mit voller Konzentration.

Wie sie mit makellos reinem Sopran ihr Leben Revue passieren lässt – die unbeschwerte Jugend in Frankreich, die Liebe zu Don Carlo und den abgrundtiefen Schmerz, da sich diese Liebe nicht verwirklichen lässt – das ist unglaublich schön und ergreifend.

Sie modelliert die Töne und Passagen, im Piano ebenso wie im glasklaren, doch nie scharfem Forte. Ihre strahlenden Höhen füllen den weiten Raum. Selbst wer den Inhalt dieser Oper nicht kennt, kein Wort Italienisch versteht und nicht auf die Obertitel blickt, würde begreifen, wie diese Frau leidet und sich schon in jungen Jahren den erlösenden Tod herbeiwünscht.

Diejenigen, die sie in dieser Partie in Salzburg erlebt haben, werden wohl meine „Hymne“ verstehen. Nun zieht diese Königin von Gestalt und Stimme auch das Berliner Publikum voll in ihren Bann. Danach sofortiger begeisterter Applaus, den sie – noch in ihre Rolle versenkt – verhalten entgegennimmt.

Mit diesem Werk beginnt die Deutsche Oper Berlin ihre bis Ende November andauernde Hommage an das Geburtstagskind Giuseppe Verdi und hat auch mit dem jungen amerikanischen Tenor Russel Thomas als Titelhelden eine gute Wahl getroffen. Für mich ist er noch ein unbeschriebenes Blatt, hat aber bereits an der Met gesungen und debütiert hier als Don Carlo. Eine sehr positive Überraschung, kombiniert er doch Belcanto-Qualitäten mit Höhensicherheit und zarte Lyrik mit wohl kalkulierten, nie übertriebenen Ausbrüchen. Dass dabei eine solche Partnerin wie Anja Harteros sicherlich Leitstern und Ansporn ist, dürfte wohl klar sein.

Die Eboli ist mit Violetta Urmana besetzt. Die muss sich ansagen lassen und nimmt sich besonders anfangs zurück, macht diese Einschränkungen jedoch mit lebhaftem Spiel wett. Schließlich siegt ihr technisches Können über die Halsattacke. Bei der Beichte ihres Verrats gegenüber der Königin, ihrer Reue und dem Verlangen, Don Carlo zu retten, dreht sie voll auf.

Den Philipp II gibt Hans-Peter König, dessen klangreicher Bass schon in der „Götterdämmerung“ imponierte. Auch die jetzige Partie gestaltet er mit nicht enden wollendem Wohlklang, ist aber eher eine Vater-Figur als ein machtbewusster Herrscher. Nach einem zauberhaft zartem Vorspiel des Orchesters der Deutschen Oper Berlin unter Donald Runnicles gewinnt er alle Zuhörerherzen mit dem Glanzstück seiner Partie: „Sie hat mich nie geliebt..“ Danach kräftiger Beifall.

Einen sehr überzeugenden Marquis von Posa singt und spielt Dalibor Jenis. Mit seinem markigen, tadellos geführten und ermüdungsfreien Bariton gestaltet der diesen Freigeist als beherzten Kämpfer für Flandern und nicht als Träumer. Im Gegensatz zu Don Carlo wird er auch in der Todeszelle nicht wehleidig. Passend dazu macht der schon von Karajan als zweiter Schaljapin gelobte Paata Burchuladze als Großinquisitor die ganze Ungeheuerlichkeit und Unbarmherzigkeit der katholischen Kirche grausig hörbar.

Bis in die Nebenrollen wird gut gesungen. So von Alvaro Zambrano (Graf von Lerma/ Herold), Tobias Kehrer (Mönch), Martina Welschenbach (Tebaldo) und Siobhan Stagg (Stimme von oben). Die Flandrischen Deputierten und der Chor der Deutschen Oper Berlin (einstudiert von William Spaulding) gehen zuverlässig und wohltönend zu Werke.

Großartig ist auch das Umfeld, in dem dieses von Friedrich Schiller stark idealisierte Epos spielt. Düstere, verschiebbare Quader vermitteln die beklemmende Atmosphäre im Kloster Juste. Die hintere Wand beherrscht ein großes, leicht unsymmetrisches Kreuz, dessen Farbe bei der Folterung und Hinrichtung der angeblichen Ketzer von weiß zu blutrot wechselt. Marco Arturo Marelli hat mit dieser Inszenierung und diesem Bühnenbild eine seiner eindrucksvollsten Arbeiten geliefert.

Zuletzt tosender Applaus für alle und besonders viele Bravi für die alle überragende Verdi-Königin Anja Harteros.

Ursula Wiegand

Weitere „Don Carlo“-Termine: 10,. 16. und 24. November

 

 

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