Berlin/ Berliner Ensemble: „WAS IHR WOLLT“ mit Thomas Quasthoff, 08.12.2012
Von Ursula Wiegand
BE, Veit Schubert, Martin Seifert, Thomas Quasthoff, Foto Thomas Eichhorn
Shakespeare und Katharina Thalbach –das ist hier am Berliner Ensemble eine pralle Packung: dreist, frivol und witzig, also William S. gemäß. Denn dieser Super-Theaterfrau fällt stets was ein und das am laufenden Band.
Zu viel Tiefenschürferei ist ihre Sache nicht, und wäre bei „Was Ihr wollt“ auch nicht unbedingt angesagt. Bei der Thalbach schlägt der Mann aus Old England, dem nichts Menschliches fremd war, sogar noch weitere Purzelbäume.
Überdies knallen in der Übersetzung von Thomas Brasch die Pointen nur so über ein Schiff, unterwegs auf wogender See (Bühne Momme Röhrbein). Umzingelt von riesigen Muscheln wogen die Gefühle der Menschen in den Kabinen genau so wie die Wellen.
Wer ist wer, wer liebt wen, hetero oder auch nicht? Ein Rätselspiel, das bei allem Klamauk dieser verrückten-schrillen Figuren mitunter auch in die Abgründe menschlicher Verwirrungen und makabrer Racheakte schauen lässt.
Dazu wird gesungen und musiziert als wär’s fast ein Musical, mal alt-, mal neu-englisch, nach der Devise „Wenn Musik die Nahrung für die Liebe ist, füttert mich weiter“. So stöhnt gleich zu Beginn der junge Orsino, Herzog von Illyrien, der sich vor Verlangen nach der kapriziösen Gräfin Olivia (schön und schön zickig: Antonia Bill) verzehrt. Dass das vergeblich ist, zeigt sich aber schon daran, dass diesen Orsino die zierliche Larissa Fuchs in einer Hosenrolle verkörpert.
Am besten von allen singt der Bassbariton Thomas Quasthoff, begleitet von der renommierten Lautten Compagney Berlin! (Musikalische Leitung: Hans-Jörn Brandenburg und Wolfgang Katschner). Bei Katharina Thalbach machen sie alle gerne mit und verleihen so ihrer Inszenierung zusätzliche Glanzpunkte.
Quasthoff gibt den Feste, den Narren der Gräfin Olivia. In einem umgedrehten Riesenschirm schwebt er anfangs singend über der Bühne, ein großartiger Gag. Auf dem Boden gelandet, wiegt er sich mit Streifenshirt und Rettungsring (Kostüme: Angelika Rieck) bei den Songs vergnügt in den Hüften und erweist sich auch als guter Sprecher der bitterklugen Blödeleien. Sein Spaß an dieser Rolle ist unverkennbar.
Bei der Gräfin hat sich ein junger Mann als Diener eingeschlichen, der sich Cesario nennt. In dieser Verkleidung steckt jedoch Viola, die ihren Zwillingsbruder Sebastian anscheinend bei einem Schiffsuntergang verloren hat. Er/sie verliebt sich in den Fürsten und leidet sichtlich unter den verheimlichten Gefühlen. Überzeugend und mit zarter Wehmut macht der schlanke, langbeinige Sabin Tambrea diesen Zwiespalt deutlich.
Die anderen Akteure geben ihrem „Affen so richtig Zucker“, insbesondere Veit Schubert als fast ständig besoffener Sir Toby Rülps. Wenn er nicht gerade dem rundlichen Kammermädchen Mary – urkomisch Traute Hoess als bayerisches Madel– unter die Röcke greift – lässt er mit dem Passagier Sir Andrew Leichenwang (Martin Seifert) die Flasche kreisen. „Ich will nach Hause,“ jammert jener immer wieder im Detlef-Tonfall.
Gemeinsam verschwören sich die Drei gegen den hochnäsigen Malvolio (Norbert Stöß), den Haushofmeister der Gräfin Olivia, und schicken ihm per Flaschenpost einen angeblichen Liebesbrief seiner Herrin. Da flippt der Gestrenge aus und räumt mit dem Song „Fever“ so richtig ab.
Wie in dem Brief lobend erwähnt, kleidet er sich in dottergelbe Strümpfe mit Strumpfbändern und setzt ein ungemein albernes Lächeln ihr gegenüber auf. Nach seinem Rauswurf wird er von den anderen verlacht und verprügelt und landet schließlich im Sarg. Der Narr (Quasthoff), nun als Pfarrer verkleidet, singt salbungsvolle Kirchenverse. Köstlich. Den Deckel öffnen sie aber nicht.
Auch die anderen liefern tolle Nummern: Wenn Seeheld Antonio (Felix Tittel), der sich dem plötzlich auftauchenden Sebastian =Viola von hinten sehr eindeutig nähert, abgewiesen wird und dann das „I will survive“ brüllt, wird das ein echter „Brüller“.
Klar, dass auch die Gräfin, inzwischen heil- und hoffnungslos in Cesario (= Viola) verliebt, ihren Seelenschmerz heulend heraussingt, während Katharina Susewind (Kapitän / Fabian) auf Disco-King/Queen macht.
Und zuletzt, als sozusagen alle Klarheiten beseitigt sind, der verschollene Bruder Sebastian tatsächlich – in geschwindem Kabinentürwechsel mit Viola – auftaucht und sich die Passenden doch noch finden, heißt es nicht etwa: „Schlag’ nach bei Shakespeare“, sondern „All you need is love“.
Ursula Wiegand