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BERLIN/ Admiralspalast: ERWIN SCHROTT IN „ROTOJANGO live“

Berlin/Admiralspalast: Erwin Schrott in „ROJOTANGO live“, 04.06.13


Erwin Schrott, Foto von DEAG classics

 „Wozu die Oper 4 Akte braucht, das bringt der Tango in 3 Minuten,“ lästert schelmisch Erwin Schrott und meint damit die Stunden, die das musikalische Drama – natürlich höchst absichtsvoll – benötigt, um zum Höhepunkt zu gelangen.

Schrott kann sich solche Anmerkung leisten, singt er doch ständig an den besten Opernhäusern der Welt. In der Staatsoper Berlin war er im Juni 2012 unter Daniel Barenboim als Leporello zu hören, was er auch deutlich erwähnt. Sein fabelhafter Bass-Bariton und sein Schauspieltalent haben ihn zu einem international gefragten Star gemacht.

Tango ist eine intime Angelegenheit, “ hat er zuvor gesagt und alle, die im großen Saal des Admiralspalastes in den Rängen saßen, näher an die Bühne gebeten. Er und die Zuhörer als eine Familie, nicht zuletzt wegen der Videokameras, die diese Show filmen,-

Ja, es ist eine Show, aber von höchster Qualität. Die beiden knackigen Herren, die zu Beginn mit fliegenden Tango-Beinen die Stimmung anheizen, sind eine Klasse für sich. Aus Baden-Baden, wo Schrott kürzlich an der Seite von Anna Netrebko in und als „Don Giovanni“ brillierte, hat er eine Artistin mitgebracht, die sich zuletzt in zwei roten, von der Decke herabhängenden Schals in Szene setzt.

Unnötig zu sagen, dass es sich bei den Instrumentalisten – von Schrott zurückhaltend, aber swingend-präzise dirigiert – um gestandene Musiker handelt, um Professionals aus mehreren Ländern.

Als musikalischer Leiter sorgt der Pianist František Jánoška stets für den richtigen Drive. Zwei weitere Jánoška’s, die Brüder Roman und Ondrej, zaubern auf ihren Violinen sowie Julius Darvas und Ana Topalovic auf dem Kontrabass bzw. dem Cello.

Besonders erwähnenswert sind Luis Ribeiro, ein Percussion-Meister mit Witz, und Mario Stefano Pietrodarchi mit seinem heiß geliebten Bandoneon. Können und Schönheit vereinen sich in der jungen Rusanda Panfili, die ihre Bratsche gekonnt singen und beim temperamentvollen Tun die Saiten unfreiwillig wegspringen lässt. Bei den „Instrumentals“ kann diese Kapelle echt punkten.

Dennoch sind wir alle gekommen, um Erwin Schrott als Tango-Sänger zu erleben. Wenn er diese Songs interpretiert, klingt das absolut authentisch und anders, als bei Opernsängern, die den umgekehrten Weg – z.B. in den Jazz – gehen. In solchen Fällen lässt sich immer die Opernstimme heraushören und wirkt für mich nicht ganz echt. Erwin Schrott, der Mann aus Uruguay, ist jedoch mit dem Tango aufgewachsen. Es ist seine Musik. Die liegt ihm jenseits aller Show und aller Opernpartien spürbar am Herzen.

„Tango ist immer traurig,“ belehrt er die Zuhörer, und tritt dafür mal melancholisch, mal sich kraftvoll gegen das Schicksal aufbäumend den Beweis an. Mit einer Stimme voller Samt und gezügelter Kraft, die erwartungsgemäß keine Wünsche offen lässt.

Die meisten Lieder, die Schrott an diesem Abend singt, sind Klassiker vom Tango-Meister Astor Piazzolla. So das leidenschaftliche „Libertango“, das schmerzliche „Los pajaros perdidos” (die verlorenen Vögel) und „Chiquilin de bachin“, das Lied von dem armen Jungen, der Rosen für die Tische der Reichen verkauft.

Am Ende des 1. Teils dann „Milonga del Angel”, die Geschichte von dem Engel im Widerstreit der Gefühle, der nicht weiß, ob er in den Himmel zurückkehren oder auf Erden bleiben soll, von Schrott genau so spannungsreich interpretiert. Davor Erwin als Verführer in Pablo Zieglers „Rojotango”, Namensgeber dieser Tour.

Der 2. Teil mit weniger „Mätzchen” (wie Tango-Unterricht für zwei angeblich freiwillige Damen aus dem Publikum) ist der musikalisch gehaltvollere. Großen Applaus erntet Schrott umgehend für Astor Piazzollas „Rinascero”, in dem er mich plötzlich an Jacques Brel denken lässt.

Zart und wehmütig gesungen dann „Nostalgias” von Juan Carlo Cobian. Leicht angeraut klingt Tom Jobims „Insensatez”, verzweifelt Carlos Gardels „El Dia Que Me Quieras”, als ihn die Liebste verlässt. Zum Abschluss Astor Piazzollas „Adios Nonino” und sein „Oblivion”, gefolgt von Zugaben, Jubel und begeistertem Getrampel.

Und nun freue ich mich auf Erwin Schrott als „Attila“ als Gast der Deutschen Oper Berlin.

Ursula Wiegand

 

 

 

 

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