Bayreuth/ Studiobühne Steingraeber-Manukaktur: RICHARD! MEIN LEBEN! (Uwe Hoppe) 17.8.2013
Seit 30 Jahren spielt die Studiobühne Bayreuth zur Festspielzeit auf dem kleinen Hoftheater im Palais der Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne. Mit intelligenten scharf satirischen Wagner Persiflagen stellt der Textdichter und Regisseur Uwe Hoppe ein Prosa- Kontrastprogramm dem großen Geschehen auf dem Grünen Hügel gegenüber. Während viele Stücke sich bisher an den den jeweiligen Wagner-Opern abarbeiteten, behandelt Richard! Mein Leben! (2012) die Lebensgeschichte Richard Wagners und nimmt dabei als Ausgangspunkt die Diktate, die der Meister ab 1867 an seine zukünftige Ehefrau Cosima zwecks Erstellung einer Autobiographie richtete. Hoppe zeigt gleich zu Beginn die normale Diktatsituation, Wagner sitzend, Cosima stehend am Schreibpult, und dass es darum ging, besonders Wagners früheres Leben im ‚großbürgerlichen‘ Sinne zu manipulieren. Das führte aber oft zu Streitsituationen der beiden. Eine weitere Rahmengeschichte entsteht dadurch, dass beide auf dem Schnürboden des Festspielhauses als Tote herumspuken und das Ende der dortigen letzten Aufführung abwarten, da danach die hehre Halle vollständig abgebaut und verkauft werden soll.
Der 1.Teil spielt Situationen aus der 2.Lebenshälfte mit Schwerpunkten Triebschen/Wien nach, der 2. Teil geht dann auf Wagners Aufstieg mit Minna zurück. Drastisch wird auf die dramatischen Situationen in seinem Leben rekurriert, auf die Wagner mit großen Schuldenbergen immer wieder zusteuerte. Nietzsche und Bülow werden als Palladine mit besonderen Rollen versehen. Cosima wird nur ganz zu Beginn als Muse dargestellt, was sich ja auch prekär zwischen den beiden beiden entwickelte und dementsprechend immer wieder räsoniert wird, später wird sie als wirtschaftlicher Stabilisator gesehen. So bekommen dann auch den weiteren Frauen in der 2.Lebenshälfte viel größere Bedeutung zu als in seiner Jungmannzeit, wo von einer weitgehenden Treuephase zu Minna ausgegangen wird. Natürlich spricht der Meister immer vom Geld, wobei aber auch immer die Abhängikeit von intimer Seidenwäsche konnotiert ist, ohne die bei Wagner gar nichts geht. Auch seine homoerotische Ausprägung wird hervorgekehrt, was in einem längeren Mundkuss in einer Kurzszene mit Ludwig II. zum Ausdruck kommt.
Die sorgsam zeitgerechten Kostüme sind von Heike Betz entworfen worden, den stilisierten Festspielhaus-Schnürboden gestaltete Michael Bachmann, die Musik aus Wagnermotiven stammt aus dem Studiobühnen-Tonarchiv.
Carolin Wagner, die sich beim 1.Treffen mit Cosima in Zürich als Hausdrachen Minna erweist, ist außerdem als Pfistermeister, ein Dienstmädchen, Judith Gautier und Eva Wagner-Chamberlain (die der Mama vorheult, dass sie nicht als Festspielleiterin genommen wurde) gut drauf. Anja Kraus spielt Mathilde Wesendonck romantisch biedermeierlich, dann aber auch Karl Ritter, der sich zusammen mit Cosima im See ertränken möchte, das andere lose Dienstmädchen aus Wien, Gottried Semper als Barrikadenschützen und Winifred.
Frank J. Maisel gibt die Wagner-Dioskuren Siegfried filius, Hans v. Bülow in seiner ‚rechtschaffen‘ masochistischen Art, Nietzsche, Ludwig II., Franz Liszt (verärgert über seinem in ‚Hausarrest‘ in Venedig brummenden Schwiegersohn) und Bakunin.
Georg Mädl ist Richard himself, daneben auch glänzend in einer Kurzrolle als Wolf, in der er Hitler-grüßend im Stechschritt über die Szene räsoniert. Charis Hager gibt die zentrale Figur der Cosima mit ihrer warmen dunkel timbrierten Sprechstimme und spielt im schwarz bordürtem Cosima Samtdress eine eher sympathische Komponistengattin.
Friedeon Rosén