Basel: Theater Basel – Grosse Bühne – Ballettschule Theater Basel: „Who Cares?“– Premiere 03.06.2014
Alljährlich lädt die Ballettschule Theater Basel (BTB) zu ihrer Gala und präsentiert ihre jungen, talentierten Elêvinnen und Elêven. Was mal so ganz klein als „Off-Veranstaltung“ auf der „Kleinen Bühne“ begann, hat sich nun zu einem festen Grossevent im Basler Theaterkalender auf der „Grossen Bühne“ entwickelt. Vollkommen zu recht: Die Aufführungen der BTB sind weit davon entfernt nur „herzig“ zu sein, sie bieten dem Publikum nebst viel Gefälligem auch tänzerische Kunst auf höchstem Niveau. Und dies beginnt bereits schon bei den Kleinsten, welche die diesjährige Gala eröffnen. Julie Christie Wherlock hat für Jüngsten eine entzückende, stufengerechte Choreographie zu Mozarts „Les Petits Riens“ geschaffen. Darin zeigen die aufgehenden Ballettsternchen ihr zweifellos noch nicht so umfangreiches Repertoire an Bewegungen, Figuren und Schritten. Dabei fällt auf, wie sorgfältig sie diese ausführen – und mit welcher grossen Freude sie dabei sind. Da gelingt der BTS unter der Direktion der ehemaligen Basler Ballerina Amanda Bennett das wichtigste im Tanz überhaupt: das Vermitteln der unabdingbaren Kombination von Freude und Technik. Im Folgestück „L’ estro Armonico“, zur Musik von Antonio Vivaldi von Duncan Rownes brilliert bereits das erste Solistenpaar Alicia Gouveia/Hippolyte Vassilacos. „Stetl“ – eine Choreographie von Richard Wherlock, stellt an diesem Abend zweifellos die grösste Herausforderung an die jungen Tänzerinnen und Tänzer dar – und ist das eigentliche Kernstück des Abends. Die fortwährende „Reise“ des jüdischen Volkes ist Thema des Werkes und erzählt Geschichten einzelner reisender Paare. Tiefe Traurigkeit und Verzweiflung steht im Gegensatz zu den lebensbejahenden, überbordenden Tänzen. Die BTS präsentiert Ausschnitte der mit Klezmermusik unterlegten Choreographie. Mit Bravour meistern die jungen Talente der BTS die hohen Anforderungen, welche das Stück tänzerisch und darstellerisch an sie stellt. Nebst den Solopaaren Molly Gardiner, Dane Florence und Elizabeth Simms, Lorenzo Rispolano sei das grosse dramatische Solo mit dem Koffer von Pauline Richard besonders hervorgehoben! Nikita Zdarvkovic, Rory Ferguson, Gianluca Perrulli und Julius Szacsvay präsentieren sich als sprunggewaltige junge Herren. Danach ein musikalisches Intermezzo: Einer der drei Pianisten der BTS, Antonio Riolo, brilliert mit viel augenzwinkerndem Humor mit Chopins Scherzo No. 31 Op.2. Fazit: Auch pianistisch ist die BTS in allerbesten Händen! Zu Nikolai Rimsky-Korssakoffs legendärem „Hummelflug“ schreibt Amanda Bennett dem quirligen Guido Sarnataro „Shadow Boxing“ auf den Leib. Wer den Boxkampf gewinnt – der Schatten, die Hummel oder der Tänzer?? – bleibt letzten Endes offen. Am Schluss verbleibt auf der Bühne ein junger, hoch talentierter Tänzer, der mit seinem Auftritt bereits grosses Talent für das Charakterfach unter Beweis stellt. Den ersten Teil vor der Pause beschliesst die Choreographie, welche dem Abend den Namen gibt: „Who Cares?“ von George Balanchine zu Gershwins mitreissender Musik. Diese Choreographie gelangte bereits während der Aera Spoerli – lang, lang ist’s her – mit dem Basler Ballett zur erfolgreichen Aufführung. Nanette Glushak studiert Ausschnitte daraus für Alicia Gouveia, Gianlua Perulli, Mar Escoda Llorens, Jean-Michel Reuter, Elizabeth Simms, Jivan Barseghiyan, Molly Gardiner, Dayne Florence, Anni Jokimies, Nikita Zdaravkovic ein. Im Vergleich zu „Stetl“ hat „Who Cares?“ einen eher schweren Stand. Die intensiven Eindrücke aus Wherlocks Choreographie wirken nach – etwas schwierig wird da die Umstellung auf (vermeintliche) Revue-Unterhaltung. Warum Balanchines Choreographie nicht an den Anfang des zweiten Teils des Abends stellen? Dieser gerät nämlich zu einer wahren Augenweide für die Liebhaber des brillanten Spitzentanzes, der schnell gedrehten Pirouetten, der hohen Sprünge und – der Tutus. Zur Suite No. 3 Op. 55 von Tchaikovsky, Theme und Variations, choreographiert Rafael Avnikjan einen gefälligen klassischen Reigen an schönen Bildern, Formationen, Soli und Pas des Deux. Die jungen Damen strahlen auf der Spitze um die Wette und beissen wohl innerlich die Zähne ob der schmerzenden Füsse in den Spitzenschuhen tapfer zusammen. Die jungen Herren beweisen sich als zuverlässige Unterstützer bei Hebungen und Pirouetten und brillieren selber in ihren Variationen mit fantastischen Sprüngen und tollen Pirouetten. – Erneut gelingt der BTS ein grosser Abend. Man merkt – da stimmt alles! Dass dem so ist, verdanken wir dem Ballettdirektor Richard Wherlock, der bereits bei der BTS grossen Wert auf choreographische Vielfalt legt. Direktorin Amanda Bennett, welche schon als Tänzerin das Basler Ballettgeschehen nachhaltig prägte, sorgt mit grossem Engagement dafür, dass der tänzerische Nachwuchs nicht ausgeht. Julie Christie Wherlock sorgt als Direktorin der Junior School ebenfalls für sorgfältigen und umsichtigen Aufbau der Basler Ballettjugend. Mit Fred P. Feldpausch steht der BTS ein begeisterter, engagierter Founding Partner zur Seite. Mit ihnen zusammen arbeitet ein hochkarätiges Team an Lehrpersonen, Choreographen und Betreuern, welche dafür sorgen, dass sich die jungen Menschen nach ihrer Ausbildungszeit bestens vorbereitet und hoch motiviert in der Ballett-Berufswelt bewähren können. – Die zweite Aufführung von „Who Cares?“ findet am 21. Juni 2014 um 19.30 Uhr, wiederum auf der „Grossen Bühne“ des Theaters Basel, statt. Sie sollten sich das nicht entgehen lassen.
Michael Hug