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BASEL: DON PASQUALE von G. Donizetti. Ehehölle im Alpenkitschhimmel , Premiere

27.10.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Theater Basel: Donizetti: Don Pasquale – Premiere  24.10. 2014. Ehehölle im Alpenkitschhimmel

 Der Mann, der im orangen Bademantel auf die Bühne schlendert, diesen ablegt und dann in das Schwimmbecken steigt, entpuppt sich als der Dirigent, das Orchester wartet bereits im Pool. Und in diesem Stil geht es weiter im Programm: Ein Gag jagt den nächsten, manche an der Schmerzgrenze, manche darüber hinaus. Aber: Langweilig wird es nie. Und das ist schliesslich das Wichtigste an einer Opera Buffa.

 Die Story der Verwechslungskomödie läuft nach bekanntem Muster ab, ist aber deswegen nicht weniger wirkungsvoll. Der alternde Don Pasquale will es noch einmal wissen und sucht eine junge Braut. Der befreundete Arzt Malatesta soll ihm diese verschaffen. Dieser verspricht dem alten Geizkragen seine frisch aus dem Kloster gekommene Schwester Sofronia. Doch das ist ein abgekartetes Spiel: Sofronia ist in Wirklichkeit Norina, die Verlobte von Ernesto, dem Neffen von Don Pasquale. Ziel der Intrige ist, von dem alten Geizkragen den Segen zur Heirat (und damit zur Erbfolge) und einen fetten „Hochzeitsbatzen“  rauszuschlagen. Das Happy-End ist dem Zuschauer so sicher wie in den Rosamunde Pilcher-Filmen. Doch der Weg ist hier das Ziel.

 Allen voran glänzt hier Deborah Leonetti als Norina resp. Sofronia, die darstellerisch die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen durchlaufen darf (und dies auch meisterhaft tut), von der vor Scham zitternden, tief verschleierten Klosterschülerin bis zum herrsch-, vergnügens- und verschwendungssüchtigen Ehedrachen in der Scheinehe, die sie mit Don Pasquale eingeht. Ihr ausdruckstarker Sopran, perfektes Italienisch und glänzendes Spiel hinterlassen die grösste Wirkung.

 Mithalten können aber auch Andrew Murphy als Don Pasquale, der glaubt mit Toupet und kurzen Hosen das Rad der Zeit wieder zurückdrehen zu können, und vor allem der ausdrucksstarke Gianfranco Montresor als Doktor Malatesta. Noel Hernández als Ernesto wirkt sowohl stimmlich als auch darstellerisch noch etwas unsicher, ist aber auf gutem Wege.

 Die Stärke der Inszenierung liegt vor allem in dem schmalen Steg zwischen dem Schwimmbad-Orchestergraben und dem Publikum, auf den sich die Sänger immer wieder begeben und dort mit dem Publikum hautnah interagieren. Leidtragender dieses Kunstgriffs ist – völlig unverschuldet – Dirigent Giuliano Betta, der die von ihm abgewandten Sänger tempomässig immer wieder einfangen muss, vor allem mit Andrew Murphy gibt es da häufiger Abstimmungsschwierigkeiten.

 Der italiensch-schweizerische Komiker Massimo Rocchi inszeniert nach Haydns „Lo speziale“ auch diese Oper rasant und komisch. Die zahlreichen original Schweizer Requisiten – von der Militärdecke und Militärhelm über Velokurier und Sonntagsblick bis zum Kitsch-Chalet – tragen zwar nicht zum Handlungsverständnis bei, stören aber auch nicht. Bei einer Opera Buffa sind Gags und die sonst eher störenden Publikumslacher durchaus erlaubt. Was verwundert ist eher, dass Rocchi die von ihm gut angedachten Scherze meist nur antönt,  aber nicht auskostet. Was hätte man aus dem Sprungbrett ins Becken nicht für einen tollen Running Gag machen können, da sich die Hälfte der Personen ja ständig das Leben nehmen will!

 Manchmal greift Rocchi aber auch daneben: Ein lebendiger Hund hat auf der Bühne nun wirklich nichts zu suchen. Musikalisch grandios aber im Zusammenhang deplaziert wirkt auch das Trompetensolo von Martín Baeza Rubio im Glitzerclownkostüm.

 Dramaturgisch werden die Figuren zu oft alleine gelassen, das schauspielerische Potential der männerscheuen Klosterschülerin oder des mephistogleichen Malatesta wird da bei Weitem nicht ausgeschöpft. Die Schweizer Kulissen wechseln schneller als im Bollywood-Film, aber ohne Bezug zur restlichen Requisite. Da wartet man beinahe schmerzlich darauf, dass Don Pasquale im verschneiten Hochgebirge die Militärskis und beim Palmensee die Sonnenbrille rausholt, allein die Mondsichel bläst sich pünktlich zur romantischen Stunde zum Vollmond auf – allerdings falsch herum. Prädikat weder wertvoll noch langweilig.

Alice Matheson

 

 

 

 

 

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