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BADEN/ Sommerarena: EINEN JUX WILL ER SICH MACHEN

25.08.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Theater

 SOMMERARENA BADEN: 24.8.2013: „EINEN JUX WILL ER SICH MACHEN“

Ursprünglich war gedacht gewesen, den Weg von der 1842 in Wien uraufgeführten Nestroy-Vorlage (ungeachtet dessen hatte das 1835 in London erstmals auf die Bühne gebrachte Originalschauspiel des gleichen Sujets bereits John Oxenford mit „A Day Well Spent“ geschaffen) über Thornton Wilders „The Merchant of Yonkers“ und das in dessen Überarbeitung erfolgreichere Stück „The Matchmaker“ bis zu dem auf diesem basierenden Musical „Hello, Dolly!“ revuemäßig aufzuzeigen, doch wurden dazu die Rechte verweigert. Also brachte man nun – in Koproduktion mit dem Landestheater Niederösterreich – quasi als Behelfslösung, das Stück von Johann Nestroy „original“ auf die Bühne der Sommerarena, wobei eine zeitgemäße, freche, musikalisch ausgebaute „Revue“ angekündigt wurde, welche nach den Badener Aufführungen im Oktober in St. Pölten zu sehen sein wird.

Um das triste Ergebnis des Unterfangens gleich vorweg zu nehmen, sei festgehalten, dass dies die mieseste Aufführung dieses wienerischen Stücks war, welche der Rezensent in 55 Jahren gesehen hat. Das lag an mehreren Faktoren. Zunächst an der Inszenierung der künstlerischen Leiterin des Landestheaters Niederösterreich, Bettina Hering, die keinen Zugang zu dem Werk fand, mit Nestroys Wortwitz nichts anzufangen wusste und damit viele Pointen schuldig blieb. Im Fall ihrer schleppenden Inszenierung war es direkt ein Glück, dass sie eine gekürzte Fassung spielen ließ, deren krassester Strich dem letzten Soloauftritt des Melchior sowie der finalen Einbruch-Szene galt, wodurch der Schluss sehr abrupt und unlogisch wirkte. Aber auch die neue Musik von Andreas Radovan störte, da sie in den Couplets – deren zeitgemäße Umtextierung generell legitim war – eigentlich nur fad wirkte, und im rein orchestralen Teil zu üppig, so dass die Schauspieler (trotz Körpermikros!) schreien mussten und dennoch unverständlich blieben, so dass verbal Vieles unterging. Überdies zerdrückte die Musik größtenteils die Handlung. Darüber hinaus bot sie neben einem Vor- und einem Nachspiel auch Zwischenspiele, die für an sich sinnlose Slapstick-Einlagen „genutzt“ wurden. Es sei bei dieser Gelegenheit daran erinnert, dass vor Jahrzehnten am Burgtheater (in zumindest 3 dem Verfasser bekannten Inszenierungen) zwar die Originalmusik von Adolf Müller zum Einsatz kam, diese allerdings von Alexander Steinbrecher so ergänzt und bearbeitet wurde, dass alles zum Stück passte. (Da es vereinzelt schon Usus ist, Nestroy auch ohne Couplets zu spielen, wäre es in Baden weniger arg gewesen, überhaupt keine Musik zu bringen.)

Die 3 Couplet-Begleiter (Florian Moser/Geige, Robert Pistracher/Bassgitarre, Andreas Radovan/Gitarre) und v. a. das Orchester der Bühne Baden unter dem Dirigat des Chorleiters und 2. Kapellmeisters Michael Zehetner standen reproduzierend auf verlorenem Posten und konnten nichts für das Malheur. Sehr wohl lag die Schuld aber ebenso bei den Schauspielern, von denen nur Jan Walter (Christopherl), Swintha Gersthofer (Frau von Fischer), Christine Jirku (Frau Gertrud) und allenfalls noch der energisch agierende Pascal Groß (August Sonders) als relative Lichtblicke herausragten. Dass man den „Jux“ nicht spielen sollte, wenn man keinen geeigneten Darsteller für den Weinberl zur Verfügung hat, demonstrierte Dominik Warta mit fehlender Persönlichkeit, fehlendem Charisma, undeutlicher Sprache, keiner Beherrschung des Nestroy’schen Wortwitzes und völliger Negierung der Kunst des Pointensetzens.

Helmut Wiesinger „verschenkte“ als „klassischer“ Melchior viele komische Nuancen, jedoch agierte er immerhin ebenso bemüht wie Michael Scherff (Zangler), Marion Reiser (Madame Knorr), und Lisa Weidenmüller (Marie). Bemühen allein war allerdings entschieden zu wenig. Die Episode des Fräuleins von Blumenblatt kam durch Katharina von Harsdorf überhaupt nicht zur Geltung, wobei der Schreiber dieser Zeilen natürlich nicht weiß, ob die beiläufige und sehr undeutliche Gestaltung nicht so sehr an der Darstellerin als primär an der Regie lag.

Abschließend soll hier nicht die einfache, leicht zu wechselnde Ausstattung (einschließlich der im Kontrast zum Schwarz-Weiß-Bühnenbild stehenden farbigen Kostüme) von Manuela Freigang unterschlagen werden, welche zu den wenigen Positiva der Aufführung zählte.

Es mochte sein, dass ein jugendlicher Teil der Zuseher diese Sicht des Stücks als „mega-cool“ oder „geil“ ansah, der überwiegende Teil des Publikums, der schon während der Veranstaltung einige Unmutsäußerungen hören ließ, war allerdings sichtlich froh, nach diesem deprimierenden Abend die Sommerarena verlassen zu können. Das betraf auch

Gerhard Ottinger,

der nur einige Wochen zuvor in Schladming durch das Salzburger Straßentheater mit authentischem, stimmungsvollem Nestroy („Liebesgeschichten und Heiratssachen“) erfreut worden war.

 

 

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