Im Portrait: Apollonia Holzer – eine junge Österreicherin in Amerika
Apollonia Holzer. Portrait: Ljuba Aichmaier
Ihr Lebensweg ist so ungewöhnlich wie spannend: Geboren in St. Peter/Au, NÖ, aufgewachsen mit sieben Geschwistern am elterlichen Bauernhof, gelang der Österreicherin Apollonia Holzer der Sprung von der Bauerntochter und ehemaligen Ordensschwester über den großen Teich zur Tänzerin, Choreografin und Trainerin in New York. Am 11. September tanzte sie um 8.15 in der Früh mit über 100 Tänzern am Lincoln Center Platz in Memory to 9/1; die Aufführung wurde live im Fernsehen übertragen.
Wie sind Sie zum Tanz gekommen?
„Schon als Kind liebte ich Bewegung und Sport. Ich erinnere mich, dass ich als Kind, wenn im TV das Neujahrskonzert übertragen wurde, versucht habe im Wohnzimmer wie die Balletttänzerinnen im Fernsehen zu tanzen. Später als Jugendliche tanzte ich Acrobatic, Rock`n Roll, sowie Volkstanz. Ich liebte es mich im Raum wie der Wind zu bewegen. Als Kind sah ich diese Bewegung in der Natur.
Nach einer Lehre als Bürokauffrau trat ich in den Orden der Don Bosco Schwestern, Salesianer, ein. Das Ordensleben zeigte sich mir in verschiedenen Blickwinkeln. Was mich besonders in meiner Ordenszeit prägte war das achtsame, respektvolle Zusammenleben. Dann auch durch Gebet und Meditation immer wieder neu in die Gottesverbindung einzutauchen und die täglichen Aktivitäten von dieser Präsenz durchdringen zu lassen. Meine Tätigkeit im Orden war die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen. So besuchte ich das Kolleg für Sozialpädagogik. Während meiner Arbeit als Sozialpädagogin machte ich die vierjährige Ausbildung für tänzerische Bewegungserziehung nach Rosalia Chladek in Wien und Straßburg. Für den Orden arbeitete ich im Internat als Sozialpädagogin, war für die Gestaltung von Festen mit Tanz, Musik und Theater und die Arbeit in verschiedenen Pfarren wie in Stams und St.Paulus in Innsbruck zuständig, wo es mir ein Anliegen war den Raum zu schaffen, wo sich jedes Kind entsprechend seinen Fähigkeiten ausdrücken kann.
Ich hatte die Möglichkeit verschiedene Ausdrucktanz-Workshops von Angelika Szlezak zu besuchen. Das war der erste inspirierende Kontakt mit Tanz. Ich begann zu choreographieren und tanzte in Gottesdiensten und verschiedenen Veranstaltungen. In dieser Zeit fand ich durch die Bewegung immer mehr den Zugang zu mir selbst und zu meiner Kraft. Diese Kraft und die Leidenschaft zum Tanz öffneten mir eine Tür, die ich mir als Kind niemals vorstellen hätte können. Bewegung und Tanz befreite mich von eigenen Strukturen, die mein Leben hemmten. Ich war vor allem sehr schüchtern, weil ich als vorletztes von 8 Kindern geboren wurde. Diese Zeit brachte eine große Veränderung in mein Leben, denn der Tanz stärkte mein Auftreten und Selbstbewusstsein.“
Was sind die wichtigsten Meilensteine in Ihrem Leben?
„Meine Eltern hatten einen Bauernhof, das Leben dort war sehr einfach und arbeitsreich. Wir hatten nicht viel. Ich lernte mit wenig auszukommen und im Wenigen das Potenzial für das Große zu sehen. Wenn man etwas will, kann man es schaffen. Es war wie eine treibende Kraft, die mich durch das Leben trug. Und wenn ich jetzt auf der Brooklyn Bridge stehe, kommt in mir ein unheimliches Gefühl der Dankbarkeit hoch. Als Kind sehe ich mich auf dem Feld arbeiten und jetzt hier als Erwachsene stehe ich in NY auf der Bühne als Tänzerin. Das Leben öffnet Türen und ich bin dankbar, dass ich den Mut hatte diese Schritte zu machen.
Ein weiterer Meilenstein war das Ordensleben. Zuerst die Auseinandersetzung mit der Religiosität, die Suche nach dem Sinn des Lebens, tiefen Frieden und Einheit, die mich später zu einer tiefen Spiritualität führte, wo jede Religion ihren Ausgangspunkt, Zugang und Verbindung zueinander hat. Spiritualität schließt nicht aus, es verbindet miteinander. Sobald Struktur und Regeln über dem Sein stehen, wird Macht zum Anker, wir verlieren die Verbindung, die Botschaft. Dann wird die Vielseitigkeit, die aus dem Eins-Sein entspringt, zur Trennung. Ich war immer eine Suchende. Die Zeit in New York lehrte und lehrt mich, dass was ich im Orden hörte umzusetzen: Vertrauen, dass das Leben es gut mit mir meint und alles da ist was ich brauche.“
Copyright: Paul Pillitteri
Ehrlich und treu zu ihrer persönlichen Berufung traf sie 1998 den Entschluss nach 14 Jahren aus dem Orden auszutreten. Der Weg öffnete sich für Apollonia Holzer in Richtung nach New York. Sie nahm Training in den verschiedenen Tanztechniken wie Graham, Limon, Horton und schloss die Tanzpädagogenausbildung in Simonsontechnik ab. Während dieser Zeit choreographierte und tanzte sie in einer „Student showcase“ in Dancespace, sowie in der Dance Company Firewalkers mit Maura Lee. Die Liebe zum Tanz weckte in ihr eine tiefe Neugierde für Bewegung und Körperarbeit. So lernte sie Pilates und Gyrokinesis-Gyrotonic kennen, absolvierte dann 2001 die entsprechenden Ausbildungen in Manhattan: Pilates (Matte und Geräte) an der Kelly Kane School of Core Integration und Gyrokinesis bei Juliu Horwath, sowie Gyrotonic in Movement Beyond bei Yang Ah. Zurück in Österreich besuchte sie in Graz eine dreijährige Ausbildung zur Shiatsu-Praktikerin in der Internationalen Shiatsu-Schule und erweiterte ihr Wissen durch Prana-Vita und Craniosacraltherapie, sowie durch zahlreiche Workshops in NY mit Bonnie Bainbridge Cohen BMC, Eric Franklin, Irene Dowd (Anatomie) und zahlreichen Workshops in body somatic-awareness.
Ab 2001 begann sie in Wien zu arbeiten, unterrichtete Pilates, Gyrotonic/Gyrokinesis und gab verschiedene Körperbehandlungen in Fitnesscentern in Gruppen und Einzelstunden. Weiters unterrichtete sie als Dozentin bei Bolzano Danza, dem renommierten Tanzfestival in Südtirol. Sie schrieb ihr eigenes Pilates-Manuskript und gab Ausbildungen zum Pilates Trainer in Italien und Wien. Gleichzeitig leitete sie viele Bewegungs- und Tanzworkshops in Meran/Italien und Wien. Der Wunsch zurück nach New York zu gehen wurde intensiver; 2004 wurde ihr das durch ein Arbeitsvisum an der Kelly Kane School of Core Integration als Bewegungstherapeutin ermöglicht. In der nächsten Zeit pendelte sie zwischen New York und Wien und bereicherte ihr Wissen und Können auf beiden Kontinenten. Von 2007 bis 2011 arbeite sie dann im eigenen Studio sowie in verschiedenen Tanz und Fitness Studios in Wien. Sie leitete zahlreiche Bewegungs- und Tanzworkshops, choreographierte und performte in Wien (Don Bosco Haus) und Innsbruck.
Seit 2011 lebt und arbeitet sie wieder in NY; choreographiert und tanzt mit Omega Dance-Company in NY, Laurie DeVito, Jennifer Pollack.
Wieso sind Sie nach New York gegangen?
„Als ich mich entschieden habe aus dem Orden auszutreten, wollte ich nicht gleich als Sozialpädagogin in einer Einrichtung tätig sein. Ausland, Tanz und eine andere Sprache für ein Jahr war mein Fokus. Die Schwägerin von meinem Arbeitskollegen aus der Pfarre St.Paulus in Innsbruck lebte in Long Island/NY und suchte jemand für die Kinder. Das war das Öffnungstor für NY, die Welt des Tanzes. Zuerst besuchte ich die Graham Schule, dann hatte ich ein Studentenvisum im ehemaligen Tanzstudio Dance Space, wo ich die Ausbildung bei Lynn Simonson für Simonson Technique absolvierte. Ich hatte mit 34 meine erste Ballettstunde. Mit diesem Alter hören schon viele mit dem Tanzen auf. 1998 begann ich mein erstes intensives Tanztraining. Ich habe sehr hart und viel an mir arbeiten müssen. Eine Aussage von meiner Modern-Tanzlehrerin war, dass man keine Chance hat jemals auf einer Bühne zu stehen, wenn man als Kind keinen Ballettunterricht hatte. Das war eine große Herausforderung für mich nicht das Handtuch zu werfen. Es hat mich aber gestärkt, hinzusehen, was ich mit Tanz und durch den Tanz möchte. Ich habe nicht aufgegeben und am 19. Februar 2014 habe ich mit Martha Champman ein Duett zu live Musik von Beethoven im Lincoln Center aufgeführt.“ (Anmerkung der Redaktion: siehe http://www.germanforum.org/)
Was ist Ihnen am wichtigsten: Tänzerin, Choreografin, Trainerin zu sein?
„Ich unterrichte seit 14 Jahren Pilates und Gyrotonic. Sehe ich es als eine Abfolge von Übungen, dann langweilt es mich. Sehe ich es als eine Bewegung, die Dynamik, Zeit, Raum und den Prozess verbindet, dann erlebe ich es als Tanz und choreografiere. Ich liebe es mich der Bewegung hinzugeben und mich von der Musik durch Raum und Zeit tragen zu lassen. Ich sehe etwas oder sitze in der U-Bahn und werde inspiriert für eine Choreographie. Manchmal läuft es wie ein Film bereits vor meinen Augen ab. Da trete ich immer in eine andere Form des Bewusstseins ein. So ist ein Tanzstück in der U-Bahn geboren, als ich die Mensch betrachtete und mich fragte, warum entsteht in mir zu jedem ein anderes Gefühl. Das Tanzstück heißt: „Who are you without your story?“
Tanzen und Choreographieren, beides beflügelt mich. Als Trainerin bringe ich durch Bilder, Vorstellungen Menschen in eine andere Wahrnehmung. Durch den Tanz berühre ich die Menschen in einer ganz anderen Weise, ich nehme sie mit in eine andere Welt, eine Welt, die in jeden von uns lebt.“
„Ich habe sehr viel Wertvolles in der Tanzpädagogischen Ausbildung von Rosalia Chladek gelernt. Der Zugang zu den Gesetzmäßigkeiten der Bewegungen, der Ansatz und die Ausführung und die Musikalität in der Bewegung auszudrücken.“
Was machen Sie zur Entspannung? Haben Sie ein Hobby?
„Ich tanze, sitze, stehe, gehe, versuche einfach mich dem Sein hinzugeben. In solchen Augenblicken entspanne ich mich. Wenn ich ein Tanztraining nehme, mich dem Tanz hingebe und das Gefühl habe, mich im Raum und Zeit auszudehnen und aufzulösen, da entspanne ich mich. Ich trete aus der Welt des Denkens in eine Welt der Wahrnehmung. Ich entspanne mich auch in meiner Arbeit, wenn ich z.B. Behandlungen als Shiatsu-Massage gebe: im Jetzt zu sein, als Zeugin für das was passiert, dass sind unheimlich schöne und entspannende Augenblicke.
Eine andere meiner Leidenschaften ist das Töpfern. Auch hier erlebe ich oft wie Zeit und Raum sich auflösen und plötzlich passiert, dass der Ton mit meinen Fingern tanzt und Form annimmt.“
Wie lautet Ihr Lebensmotto?
„Das Leben ist eine ständige Suche. Lebe Dein Leben mit Achtsamkeit, Respekt, Demut und Dankbarkeit. Am Ende meines Lebens möchte ich sagen können, ich habe mein Leben gelebt.“
Welche nächsten Projekte sind geplant?
„Zurzeit arbeite ich mit einer Choreographin hier in New York und sowie an meinen eigenen Tanzstücken. Meine letzten Tanzstücke waren “Leben und Tod im Raum und der Raum dazwischen”, “ Behind the shape”; Kommende sind “Who are you without your story”, “Connection” und “Time”.
Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
„Mein Wunsch ist es in New York ein ganzheitliches, künstlerisches, spirituelles Zentrum zu gründen.“
Ira Werbowsky