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AMSTERDAM/ De Nederlandse Opera: DER SCHATZGRÄBER von Franz Schreker

24.09.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Zwiespältige Opernproduktion in Amsterdam: „Der Schatzgräber“ von Franz Schreker (Vorstellung: 23. 9. 2012)

 
Schlussszene mit Videosequenz (Foto: Monika Rittershaus)

Anfang September brachte De Nederlandse Opera in Amsterdam wieder ein selten gespieltes Werk der Opernliteratur zur Aufführung: „Der Schatzgräber“ von Franz Schreker. Der österreichische Komponist (1878 in Monaco geboren, 1934 in Berlin gestorben) zählte nach der Uraufführung seiner Oper Der ferne Klang im Jahr 1912 zu den führenden Repräsentanten des zeitgenössischen Musiktheaters und wurde 1920 Direktor der Hochschule für Musik in Berlin, wo er in den 30er Jahren durch sein reiches Opernschaffen – immer mit eigenen Texten, darunter auch Der Schatzgräber, 1920 in Frankfurt uraufgeführt – den Gipfel seiner Berühmtheit erlangte. Nach der Machtergreifung der Nazis wurde er 1932 seines Amtes enthoben und musste ein Jahr später auch seine Meisterklasse an der Akademie der Künste aufgeben. Diese Schmach löste bei Schreker eine Herzattacke aus, an deren Folgen er 1934 starb.

 Der Inhalt der Oper in vier Akten mit Prolog und Epilog in Kurzfassung: Der fahrende Sänger Elis bringt der Wirtstochter Els den vermissten Schmuck der Königin (das Diadem sollte der Gattin des Herrschers als Aphrodisiakum dienen und damit für den alternden König fortdauernd attraktiv machen). Nun aber verleiht der Schmuck Els eine verführerische Schönheit. Elis verfällt ihr und beleidigt die Königin, worauf er vom Schloss verwiesen wird. Els, die alle ihre Freier ermorden ließ, wird vom Narren vor der Hinrichtung gerettet und vermählt sich mit ihm. Ein Jahr später begegnen sich die beiden wieder – Elis singt die sterbende Els in den Tod.

 Die symbolträchtige Inszenierung von Ivo van Hove hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Wohl versuchte der Regisseur durch Videoeinspielungen (Tal Yarden), die zum Teil optisch gelungen waren, zum Teil kitschig wirkten, das Geschehen auf der Bühne zu illustrieren, dennoch blieb vieles unklar. Ausgefallen auch die Gestaltung der Bühne (Jan Versweyveld): eine Holzwand mit zwei Ausschnitten in der Form eines Hauses, was die Wirkung eines „Guckkasten-Theaters“ erzeugte. Die Kostüme (An D’Huys) zeigten den König und auch den Narren in eleganten Anzügen, das Volk in bunten Gewändern. Die weiblichen Gäste in der Wirtsstube waren wie Prostituierte gekleidet.

 Musikalisch hingegen war die Produktion ein voller Erfolg. Das Nederlands Philharmonisch Orkest unter der einfühlsamen Leitung von Marc Albrecht ließ die Partitur von Schreker in all ihren Schattierungen leuchten, wobei die einschmeichelnden Passagen in der Liebesnacht von Els und Elis von besonderer Faszination waren. Dass hin und wieder die rauschhaften Orchesterklänge manche Protagonisten ein wenig zudeckten, war nur ein kleiner Wermutstropfen.

 Als Els überzeugte die deutsche Sopranistin Manuela Uhl durch ihre ausdrucksstarke Stimme, die sowohl in den dramatischen wie in den lyrischen Passagen exzellent zur Geltung kam. Auch schauspielerisch bot sie eine reife Leistung. Berührend ihre Schlussszene. Ebenso eindrucksvoll der amerikanische Tenor Raymond Very als fahrender Sänger und Lautenspieler Elis, der seine kräfteraubende Partie blendend bewältigte, wenngleich die Wortdeutlichkeit des Öfteren auf der Strecke blieb.

 Mit starker Bühnenpräsenz wartete der britische Tenor Graham Clark als bärtiger Narr auf, der seine Partie mit schelmischer Ironie ausstattete und sehr wortdeutlich sang. Eine großartige Leistung vom Anfang bis zum Ende. Überzeugend auch der belgische Bass Tijl Faveyts als König, der deutsche Bariton Kay Stiefermann in der Rolle des Vogts und der britische Tenor Alasdair Elliot als Schreiber und Kanzler.

 In kleineren Partien fügten sich noch der deutsche Bariton André Morsch als Herold und Graf, der belgische Bassist Kurt Gysen als Schultheiß und Magister sowie der kanadische Tenor Gordon Gietz als Albi gut und rollendeckend in das internationale Ensemble ein.

 Das begeisterungsfähige Publikum in Amsterdam würdigte die Leistungen aller Mitwirkenden mit starkem Applaus und feierte den Dirigenten Marc Albrecht und das Sängerensemble schließlich minutenlang mit Stehenden Ovationen.

 Udo Pacolt, Wien – München

 PS: Mein Sitznachbar Gerard Mortier, ehemals Intendant der Salzburger Festspiele und zurzeit Leiter der Oper in Madrid, meinte zu mir: „Musikalisch großartig, die Inszenierung weniger – aber können Sie mir sagen, warum Schrekers Schatzgräber nicht in Wien gespielt wird?“ Ich konnte es nicht.

 

 

 

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