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Alejandro MARCO-BUHRMESTER – Probleme mit der deutschen "Schubladisierung"

04.02.2013 | Allgemein, INTERVIEWS, Sänger

Interview mit Bariton Alejandro Marco-Buhrmester


Alejandro Marco-Buhrmester. Foto: Monika Rittershaus

 Vor ein paar Jahren wurde Ihr Vorname vom Alexander zum Alejandro. Wie kam es dazu?

 Ich bin ich mit einer Mutter aus Hamburg und einem Vater aus Madrid in Basel (Schweiz) aufgewachsen – so etwas wie ein „Multieuropäer“. Daher ist mein Taufname tatsächlich Alejandro. Als ich mit meiner Laufbahn begann, kam den meisten Alejandro als Name sehr „spanisch“ vor (ohne zu wissen, dass es sich tatsächlich um die spanische Form von Alexander handelt). Also wurde ich ständig Marco gerufen, was verwirrenderweise der spanische Bestandteil meines Nachnamens ist, wie Buhrmester der deutsche. Nach meinem Debut in Bayreuth 2001 stellte sich nun mehr und mehr heraus, dass ich kaum noch für das französische und italienische Repertoire gefragt werde, welches ich bis dahin hauptsächlich gesungen hatte. Ich bekam von großen Dirigenten wie Christian Thielemann und Daniel Barenboim gesagt, dass ich mit meinem deutschen Namen im italienischen Fach international keine Chance hätte. Das hat mich als Halbspanier sehr getroffen, also beschloss ich bei meinem ersten Engagement in Spanien (TRISTAN in Madrid) die Eindeutschung des Vornamens wegzulassen. Als ich dann 2010 mit LES VÊPRES SICILIENNES von Verdi mein Debüt in Amsterdam hatte, gab es zu Beginn der Proben Verwirrung darüber, ob ich mit Alex, Alexander, oder Alejandro angesprochen werden sollte, als der Regisseur Christof Loy erklärte, für ihn sei ich Alejandro und dabei bleibe er. Diese Produktion war mein Start in die 100%ige Freischaffenheit und somit der richtige Zeitpunkt, den Namen endgültig und für alle verbindlich in seiner ursprünglichen spanischen Form zu führen.

 Ende März geben Sie Ihr Debüt an der Bayerischen Staatsoper. Mit welchem Stück / welcher Rolle? Was bedeutet Ihnen dies?

 Ja, darauf freue ich mich ganz besonders. Ich werde dort in einer für München neuen Inszenierung von Humperdincks HÄNSEL UND GRETEL (sie stammt, wenn ich recht unterrichtet bin, ursprünglich von der MET in New York) als Vater Peter Besenbinder debütieren. Das bedeutet mir in doppelter Hinsicht sehr viel: Zum Einen bin ich mit dieser Oper sehr eng verbunden, war sie doch, wie für so viele Kinder im deutschsprachigen Raum, mit etwa 8 Jahren mein erstes Opernerlebnis. Wenn ich mich noch recht erinnere, handelte es sich dabei um eine Fernsehübertragung eben jener Inszenierung der Münchner Staatsoper, die nun von der neuen abgelöst werden wird. Zum Anderen hatte ich als Anfänger während meines Festengagements in Essen in den frühen 90er Jahren eine Einladung, Maestro Sawallisch an der Staatsoper vorzusingen. Ich habe damals extra nachgefragt, ob er auch wirklich bei dem Vorsingen zugegen sein würde, es wurde mir nie zugesagt und somit bin ich auch nicht nach München gereist. Erst beim 5. Vorsingtermin, der mir angeboten wurde, hatte man mir bestätigt, dass der Maestro anwesend sein solle und ich bin, damals noch für sehr teures Geld, zwischen zwei Vorstellungen in Essen nach München geflogen. Doch nach dem Vorsingen eröffnete man uns, dass „nur“ sein Assistent, aber nicht Sawallisch selbst anwesend war, und es kam genau, wie ich es vorausgesagt hatte, nämlich nichts, rein gar nichts dabei heraus. Das hat mich damals sehr verletzt, denn ich hatte für den Flug eine halbe Netto-Monatsgage ausgegeben (also für einen kleinen Anfänger ein Vermögen). Ich empfand es als verantwortungslos, so mit jungen Sängern umzuspringen. Umso mehr freue ich mich jetzt, über 20 Jahre später, auf meinen ersten Auftritt auf den Brettern, die mir schon immer die Welt bedeutet haben.

Im Dezember haben Sie sich in Friedberg / Hessen von einer ungewohnten Seite gezeigt. In Wohnzimmeratmosphäre moderierten und gestalteten Sie ein anspruchsvolles Liedprogramm. Würden Sie gerne öfter als Liedsänger auftreten?

 Ja, absolut. Ich könnte nie meine Opernkarriere für eine solche als Lied- und Oratoriensänger aufgeben, aber mehr Konzerte und Liederabende würden mir schon sehr gefallen. Ich habe den Abend in Friedberg sehr genossen, weil die Atmosphäre und Beteiligung des Publikums großartig war, und man sich dann sehr beflügelt fühlt; wie ich immer sage, am Erfolg eines Abends ist das Publikum mit nicht zu unterschätzenden 30% – 40% beteiligt. Das hat mir sehr gut getan, denn es war mein erster Liederabend nach 20 Jahren. Dafür also meinen innigsten Dank an Friedberg. Ich hoffe auf weitere Begegnungen.

 2013 begannen Sie mit einer Reihe von Neujahrskonzerten, in denen Sie sogar als Operettensänger das Publikum begeisterten. Als Start ins Wagnerjahr für einen Sänger, der in den letzten Jahren hauptsächlich in Wagneropern auf der Bühne stand, ein ungewöhnliches Programm.

 Eine großartige Gelegenheit, sich mal wieder von einer anderen Seite zeigen zu dürfen. Ich habe immer schon große Probleme mit der deutschen Schubladisierung gehabt. Kein Sänger, Schauspieler, Musiker oder bildender Künstler hat nur eine Seite zu zeigen, fast alle haben mindestens ein zweite, wenn nicht sogar noch mehr. Es gibt meiner Meinung nach keine hohe und niedere, oder E- und U-Kunst, sondern ausschließlich gute und schlechte, jenseits aller Geschmäcker. Wie es qualitativ gutes und schlechtes Essen gibt, völlig unabhängig von Hamburger und Haute-Cuisine, denn beides gibt es gut, oder schlecht. Bereits während meiner Zeit am Opernstudio der Musikakademie Basel (1987 – 1989) hatte ich meine ersten Engagements am Städtebund-Theater Biel/Solothurn, wo ich mein Op.1, mein absolutes Bühnendebüt als Marcello in LA BOHÈME unter der Leitung von Jun Märkl hatte. Doch auch als Jan Janicki in DER BETTELSTUDENT von Carl Millöcker und Garf Boni Cancsanu in DIE CSARDASFÜRSTIN von Emmerich Kálmán, also zwei Operetten, bin ich dort aufgetreten, sowie als Robert in DER SCHWARZE HECHT, einem Musical von Paul Burkhard, welches in Deutschland zur Operette umgeschrieben unter dem Titel FEUERWERK bekannt ist. Auch später in meinen festen Engagements in Bielefeld, Essen, Dortmund, und Berlin habe ich immer wieder auch Operetten wie DIE FLEDERMAUS (Dr. Falke) oder DIE LUSTIGE WITWE (Danilo) und Musical-Rollen wie Tony in WEST SIDE STORY, Jean-Michel in LA CAGE AUX FOLLES, oder Galileo Galilei in der Uraufführung von Willian Wart Murtas THE STARY MESSENGER gesungen.

 Seit einigen Jahren hörte man Sie nicht mehr bei den Bayreuther Festspielen, nachdem Sie zuvor regelmäßig dort aufgetreten sind. Wird man Sie wieder am grünen Hügel hören?

 Tatsächlich sehr kurzfristig und für mich völlig überraschend, bin ich vergangenen Sommer nach 6 Jahren Pause wieder von den Bayreuther Festspielen eingeladen worden und werde meine Tätigkeit auf dem Grünen Hügel mit genau der Partie wieder aufnehmen, mit der ich mich 2006 von dort verabschiedet hatte: Gunther in GÖTTERDÄMMERUNG – damals in der RING-Neuinszenierung von Tankred Dorst, nun in der neuen von Frank Castorf.

 Sie lebten jahrelang in Bielefeld und wohnen nun in Dessau – Lebt es sich abseits der Opernmetropolen unbeschwerter?

 Vielleicht bin ich tatsächlich im tiefsten Inneren mehr Schweizer, als es mir nach 24 Jahren in Deutschland noch bewusst ist: In der Schweiz ist Zürich bereits eine Metropole, eine Stadt, die nachts in etwa so viele Einwohner wie Bielefeld hat. Basel, wo ich aufgewachsen bin, hat als zweitgrößte Stadt des Landes sogar noch weniger. Ich bin zwar in der Stadt zur Schule gegangen, aber 13km außerhalb auf dem Land groß geworden; das hat mich wohl ziemlich geprägt. Denn schon immer war es mir ein sehr wichtiges Anliegen, irgendwo hin-, bzw. dazuzugehören, ein Teil einer Gemeinschaft zu sein, was in der sogenannten Provinz natürlich eher zu finden ist, als in der Anonymität der Großstadt. Soll ich also ehrlich sein, muss ich gestehen, dass ich es zwar liebe, hin und wieder beruflich wie privat die großen Metropolen zu besuchen, besonders Tokyo hat es mir da sehr angetan, aber wohnhaft fühle ich mich in der „Überschaubarkeit“ wohler.

 Sie sind europaweit als Amfortas auf den großen Bühnen unterwegs. Ist eine Dokumentation Ihrer Interpretation auf CD oder DVD geplant?

 Eine Dokumentation würde ja mehrere zu vergleichende Aufnahmen voraussetzen, und soweit sind wir noch nicht, aber die Amsterdamer Produktion des PARSIFAL in der Inszenierung von Pierre Audi wurde tatsächlich für das Fernsehen aufgezeichnet und im Dezember 2012 in mehreren Teilen zur prime time auf TV sowie online übertragen. Ich gehe also davon aus, dass, wie ursprünglich angekündigt, in Bälde auch die DVD davon erscheinen wird.

 Marc Rohde im Januar 2013

 

 

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