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SALZBURG/Festspiele – CANTO LIRICO mit Anna Netrebko et al.

 Einmal nicht so begeisternd…


Yusef Eyvazov, Anna Netrebko . Foto: Marco Borrelli

SALZBURG/Festspiele – CANTO LIRICO mit Anna Netrebko et al. am 25. August 2020

 Einmal nicht so begeisternd…

Erst dreieinhalb Wochen zuvor hatte ich das Ehepaar Netrebko/Eyvazov bei den Stelle dell’Opera in der Arena di Verona erlebt (Rezension weiter unten), dort aber mit einem dezidiert italienischen/französichen Repertoire, zudem mit Arien, die man als frequenter Opernbesucher gut kennt. Unter der musikalischen Leitung des St. Petersburger Dirigenten Mikhail Tatarnikov gaben sie mit dem Mozarteumorchester Salzburg im Großen Festspielhaus diesmal einen reinen Tschaikowski-Abend, der eigentlich kein solcher wurde, da das Konzert bereits nach knapp eineinhalb Stunden ohne Pause und Zugabe endete.

Nun, Anna Netrebko brillierte in einem attraktiven und ausdrucksstarken hell-türkisfarbenen Kleid als Tatjana in der Brief-Arie aus der Oper „Eugen Onegin“. Fast mädchenhaft, bisweilen sublim und verzweifelt lässt sie die Stimmung der enttäuschten Tatjana mit ihrem so herrlich charaktervollen, dunkel timbrierten und makellosen Sopran erhören. Mitnehmend die wiederholten absteigenden Linien gegen Ende der Arie, in denen sie auch dramatisch ihre ganze Klangschönheit und Emotion entfaltet. Netrebko lebt immer die Rolle, die sie gerade singt, auch mimisch und mit ihrer ganzen Körpersprache. Ebenso emotional und bewegend singt sie Lisa im Duett mit ihrem Mann aus dem 1. Akt der Oper „Pique Dame“ op. 68 „Ostanowites, umoljaju was“ (Bleiben Sie stehen, ich flehe Sie an!). Hier vermag sie durch die Klarheit ihres Vortrags, eine perfekte Diktion und klangvolle Spitzentöne zu bestechen. In diesem Duett wirkt auch die ungarische Mezzosopranistin Szilvia Vörös aus dem Ensemble der Wiener Staatsoper mit, deren klangvoller und ausdrucksstarker Mezzo einen schönen vokalen Kontrapunkt setzt. Man hätte ihr ohne weiteres auch eine Einzelnummer gönnen können. Auch bei den Stelle in Verona sangen neben dem Ehepaar weitere Sänger in Solonummern. Zum Schluss gibt Anna Netrebko mit Yusif Eyvazov noch das Duett Iolanta und Vaudémont „Twojo moltschanje neponjatno“ oder (Ich verstehe dein Schweigen nicht) aus der Oper „Iolanta“ op. 69, eine Duett, das wohl nicht jeder Festspielbesucher kennt. Insofern wären die Texte der Stücke in den kleinen Programmheften hilfreich gewesen. Aber sie waren eh fast immer kurz vor Aufführungsbeginn vergriffen, da umsonst…


Yusef Eyvazov, Anna Netrebko . Foto: Marco Borrelli

Gleich nachdem Yusif Eyvazov als Hermann zu Anna Netrebko zu ihrem Duett aus „Pique Dame“ hereingestürzt ist, wird klar, dass ihm das russische Repertoire nicht so gut liegt wie das italienisch/französische. Da ist zunächst mal wenig Tenorales zu hören. Die Stimme berührt nicht, hat keinen tenoralen Klang und schon gar keinen Schmelz. Man sollte allerdings auch festhalten, dass der Hermann normalerweise von einem Heldentenor gesungen wird. Man denke nur an Vladimir Altantov und andere. Die Stimme blüht zu keinem Zeitpunkt auf, und so ist es auch mit seinem „Kuda, kuda wy udalilis“ (Wohin, wohin seid ihr entschwunden) aus der Oper „Eugen Onegin“ op. 24. Zwar ist gute Technik zu vernehmen, die Noten werden durchwegs gesungen, aber das Timbre seiner Stimme ist einfach allzu gewöhnungsbedürftig, wenn man an andere Tenöre mit dieser Arie denkt. Die Höhen werden zudem unüberhörbar guttural. Darstellerisch macht er seine Sache sehr emotional und damit gut.

Maestro Tatarnikov versuchte bei ansprechender Begleitung der Vokalnummern insbesondere mit drei Orchsterstücken musikalischen Akzente zu setzen, mit der Introduktion aus „Pique Dame“, dem „Rosen-Adagio“ aus dem 1. Akt des Balletts „Dornröschen“ op. 66 und der Polonaise aus dem 3. Akt von „Eugen Onegin“. Konnte in der Introduktion zu „Pique Dame“ noch das prägnant exzessive Hervorbrechen des Hauptthemas im Blech beeindrucken und auch sonst eine gefühlvolle Interpretation dieses tiefgründigen Musikstücks, so geriet das „Rosen-Adagio“ nach den anfänglichen Harfenarpeggien um einiges zu laut und verwaschen. Am Schluss gelang es dem Pauker fast, die gesamten Streicher zuzudecken… Auch die abschließende Polonaise hätte mehr Differenzierung und weniger Lautstärke gut vertragen. Immerhin stellten sich sofort erfreuliche Assoziationen zum Wiener Opernball ein…

Insgesamt gesehen sprang in diesem Konzert bei aller bespielloser Qualität von Anna Netrebko der Funke auf das Publikum letztlich nicht über. So war auch niemand überrascht, dass es keine Zugabe gab, die man sich normalerweise erwarten würde. Insofern ist vielleicht auch der Kommentar Netrebkos in einem Interview zu verstehen, dass das Salzburger  Festspielpublikum in diesem Corona-Jahr nicht so engagiert sei wie sonst. Das dem ganz und gar nicht so ist, hätte sie bei den weiteren Ausgaben des „Canto Lirico“ mit Juan Diego Flórez einerseits und Cecilia Bartoli mit den Musiciens du Prince-Monaco anderseits erleben können. Da waren die Zugaben fast halb so lang wie das Konzert selbst, und das Publikum war mit Herz und Seele dabei, wollte gar nicht gehen…!

 Klaus Billand

 

 

 

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