Zwickau: „MADAME POMPADOUR“ – 6. 4.2014
Im März dieses Jahres beging sie ihren 92. Geburtstag und bestrickt ihr Publikum nach wie vor mit bezaubernder Jugendfrische, betörender Anmut und verführerischem Charme. Die Rede ist von Leo Falls „Madame Pompadour“, jener „Meisteroperette par excellence“, als die sie einmal Bernard Grun bezeichnete. Springen auch Rudolph Schanzer und Ernst Welisch mit den Pariser Realitäten zu Zeiten Ludwigs XV. reichlich freizügig um, so gelang ihnen immerhin ein geschickt gezimmertes Textbuch, das den sich im Zenit seines Ruhmes befindenden Komponisten zu einer Fülle meisterlich gesetzter musikalischer Nummern beflügelte. Die „Pompadour“ wurde ein mittlerweile aus mir unerfindlichen Gründen allmählich verblassender Welterfolg, dessen sich das Theater Plauen-Zwickau Anfang des Jahres dankenswerterweise annahm.
Dass der Monarch und sein Polizeichef als ziemlich depperte Gestalten vorgeführt werden, entbehrt zwar einigermaßen der Logik, lässt sich aber mit gewissen dramaturgischen Kapricen der Dame Operette begründen, die sich eben nicht mit einem Liebes- und einem Buffopaar begnügen kann, sondern als Staffage noch etlicher komischer Personen bedarf. Immerhin liebäugelte die Regisseurin Valentina Simeonova in diesem Zusammenhang nicht mit der billigen Machart und legte den der Rokokokokotte nachspürenden Polizeichef Maurepas keinesfalls als Trottel vom Dienst an, sondern gewährte ihm jenes Quentchen Gefährlichkeit, das ihn trotz manch persiflierenden Beiwerks (sein Auftritt als staubsaugende „Putze“) als potenten Widersacher der königlichen Favoritin ausweist. In Shin Taniguchi, dem prächtigen Bariton des Hauses, fand sie dabei einen Interpreten, dem diese Aufgabe sichtlich Spaß bereitete und der sich tunlichst darum bemühte, seinem Affen keinen Zuckerschock zuzumuten. Auch Michael Simmen (Poulard) verzichtete auf ungebührliche Übertreibung. Hingegen litt der König Karsten Schröters, um im Bild zu bleiben, an beträchtlicher Unterzuckerung. Da besaß sein Plauener Vorgänger Mitte der sechziger Jahre ganz anderes Format.
Wie gesagt, Valentina Simeonova schielt nicht nach dem leichten Erfolg, verweilt im historischen Rahmen der Vorlage, wenngleich sie dem Grafen René einen Auftritt per Motorrad gönnt. Operette zu inszenieren, kommt der vormaligen Tänzerin dem Jonglieren gleich. Allerdings kann sie nicht verhindern, dass ihr dabei dieser oder jener Ball entgleitet. Das betrifft zum einen das Tempo der Inszenierung. Hier wäre bei den ausufernden Dialogen der Rotstift zu empfehlen. Andererseits leistete die Ausstatterin Lena Lukjanova eine teilweise unausgegorene Zuarbeit (gut der „aufklappbare „Musenstall“ des 1. Aktes, befremdend dessen eher Kinderzeichnungen entsprechende sonstige ärmliche Gestaltung). Wie sich überhaupt Überladenes (die Verlegung des „Joseph“-Duettes in eine Art Aquarium) mit ausgesprochen Kargem (mitunter müssen sich die Sänger auf einer nahezu leergefegten Szene behaupten) in vermeidbaren Widerspruch begibt.
Für die erkrankte Sängerin der Titelpartie war Marion Costa eingesprungen, die in Bezug auf Wohlklang und perfekte Technik für den vokalen Höhepunkt der Aufführung sorgte. Darstellerisch blieb sie das gewisse Etwas an damenhaft-erotischem Flair noch schuldig. Als quirlige, nicht immer textverständliche Belotte gefiel Chrissa Maliamani. Manja Illgen (Madeleine) brachte sich zuverlässig ins Spiel. An ihrem musikalisch recht unterbelichteten Terzett sollten die Damen noch arbeiten. Dem Ideal eines Operettentenors entspricht Raphael Wittmer (René) nur bedingt. Während ihm die Höhe keine Schwierigkeiten bereitet, wird dieser positive Eindruck von einer wenig ansprechenden Mittellage getrübt, ein Manko, das er auch mit seinem Spiel nicht zu übertünchen vermochte. Den Calicot gab Torsten Süring mit herkömmlicher Buffomanier. Die von Friedemann Schulz gut vorbereiteten Damen und Herren des Chores agierten einsatzfreudig, und mit Lutz de Veer hatte sich der musikalische Chef des Hauses der Produktion angenommen. Unter seiner Leitung bot das Philharmonische Orchester Plauen-Zwickau eine inspirierte und klanglich fein ausbalancierte Wiedergabe der raffinierten Partitur.
Joachim Weise